Zankapfel Pegida

Erstveröffentlicht: 
11.05.2017

Die AfD ist uneins über den Umgang mit der Protestbewegung. Frauke Petry lehnt eine Kooperation ab. Von Thilo Alexe

 

Dresdner Verhältnisse können eigenartig sein: Die große Bühne war reserviert für Pegida, die benachbarte kleine für die AfD. Deutschlandweit dürfte das Kräfteverhältnis zwischen den Bewegungen genau andersherum sein – doch das Entscheidende ist die Gemeinsamkeit. Erstmals haben am Montag Teile der Partei und Pegida zusammen demonstriert, wenn auch formal getrennt. Als Pegida zum Schluss kam, begann die Kundgebung, zu der unter anderem die AfD aus der Sächsischen Schweiz aufgerufen hatte.

 

Die Aktion vor der Dresdner Frauenkirche zeigt die Uneinigkeit der rechtsnationalen Partei. Bundes- und Landeschefin Frauke Petry hatte den Pegida-Lockrufen, sie möge doch auch einmal vor Tausenden in Dresden reden, stets widerstanden. Ausgerechnet Vertreter aus dem Verband der Region, in der die Vorsitzende als Direktkandidatin für den Bundestag antritt, suchten vor rund 2 400 Anhängern den Schulterschluss mit Pegida. Petry äußert sich dazu nicht. Auch ihr Stellvertreter Thomas Hartung, der zudem Pressesprecher der Sachsen-AfD ist, kommentiert die Kundgebungen nicht. Offensichtlich wollen sich Petry und ihre Verbündeten weder mit den Kreisverbänden Dresden und Sächsische Schweiz anlegen, noch die Aktion durch kritische Worte aufwerten.

 

Die Frage ist, ob Petry nun geschwächt ist. Aus ihrem Lager heißt es, der Zulauf zu den Demonstrationen spiegle nicht die Kräfteverhältnisse im Landesverband. Dort werden die Pegida-Proteste offenbar skeptischer beäugt. Anders ist die Perspektive des Parteinachwuchses Junge Alternative (JA). Dresdens JA-Chef Matthias Scholz hatte auf der Bühne am Neumarkt betont, auch wenn getrennt demonstriert werde, sei man „in der Sache vereint“.

 

In der Tat sind die Schnittmengen groß. AfD und Pegida lehnen die Asylpolitik des Bundes ab, sind EU-kritisch und sehen sich als Vertreter eines vom politischen Mainstream angeblich unterdrückten Volkswillens. Entscheidender sind aber die Unterschiede. Pegida sympathisiert offen mit neurechten Strömungen wie der Identitären Bewegung. Diese wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Petry möchte vermeiden, dass die Partei in ein solches Fahrwasser gerät.

 

Der Zwist ist auch Ausdruck der ungeklärten Richtungsfrage. Beim Parteitag in Köln hatten es die Delegierten abgelehnt, sich mit einem Strategiepapier der Vorsitzenden zu befassen. Petry will die AfD auf einen realpolitischen Kurs trimmen und liebäugelt mit einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl 2021. Doch dazu gibt es eine starke Gegenbewegung. Das Spitzenduo für die Bundestagswahl, Alice Weidel und Alexander Gauland, hat mehrfach angekündigt, die AfD als harte Opposition zu profilieren.

 

Das dürfte auch eher nach dem Geschmack der Pegida-Sympathisanten in der AfD sein. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand aus der Parteispitze gegen die Dresdner Aktion vorgehen will. Die juristische Situation hatte Landesvize Hartung in einer früheren Stellungnahme als „Grauzone“ bezeichnet. Ein Abgrenzungsbeschluss des Bundesvorstands landete vor dem AfD-Schiedsgericht. Es entschied, dass Pegida-vertreter nicht bei AfD-Kundgebungen auftreten dürfen. Dies ist aber auch nicht geschehen. Es handelte sich in Dresden um getrennte Veranstaltungen, auch wenn sie räumlich und zeitlich nahe beieinander lagen. Der Parteitag der Sachsen-AfD hatte unlängst ohnehin für eine Aufhebung des Abgrenzungsbeschlusses votiert. Spannend ist, wie die Parteispitze mit weiteren gemeinsamen Auftritten umgehen will.

 

Petry selbst wurde im vergangenen Jahr vom neurechten Compact-Magazin als „die bessere Kanzlerin“ gefeiert. Dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer ist bereits bei Pegida aufgetreten und kritisierte im Oktober Petry dafür, dass sie eine Einladung von Initiator Lutz Bachmann nicht angenommen hat. An den Positionen hat sich nichts verändert. Womöglich bringt die Landtagssitzung kommende Woche Neues. Die Koalition hat die Debatte „Dem Volk aufs Maul schauen“ platziert. Was die AfD dazu zu sagen hat, ist von Interesse – auch wenn es eigentlich um Luther gehen soll.