(B) Bericht zur Urteilsverkündung gegen Thunfisch vom 17.3.

Freiheit für Thunfisch!

Der letzte Zeuge

Am letzten Prozesstag gegen Thunfisch wurde zunächst der Zeuge Martin Petsch, 25 Jahre, gehört. Da er wie die Zeugin Haase zu den sogenannten TaBos (Tatbeobachter*innen) gehört, kam auch er verkleidet mit „Afro“ - Perücke zur Verhandlung. Haase und Petsch sind die beiden Hauptbelastungszeug*innen, da sie angeblich eine lückenlose Beobachtung von Thunfisch durchgeführt haben. Laut Petsch mussten die beiden sich dabei auch nicht absprechen, sondern konnten allein durch Blicke miteinander kommunizieren, um sich auf bestimmte Personen zu fokussieren. Hier widersprach er seiner Kollegin Haase, die über mündliche Absprachen zwischen den beiden ausgesagt hatte. Danach wurden die gleichen Kleidungsstücke in Augenschein genommen, die Thunfisch an diesem Tag angehabt hatte. Diese sehen anders aus, als das was mehrere Zeug*innen beschrieben haben. Anschließend wurde die Beweisaufnahme geschlossen und nach einer kurzen Pause mit den Plädoyers begonnen.

 

Nicht besonders originell: Plädoyer von Sadri-Herzog

 

Besonders glänzte Janine Sadri-Herzog, die Staatsanwältin. Beinahe das gesamte Plädoyer war eine Kopie ihres Plädoyers von Balus Prozess. Lediglich in einigen Anekdoten, die sie noch (vielleicht) spontan hinzugefügt hat, unterschieden sich die beiden Plädoyers voneinander. So ist sie vor allem auf die Demo an sich eingegangen und weniger auf die Taten, die sie Thunfisch vorwirft. Um ihrer Sicht darauf, dass Bullen immer „schlimmer“ behandelt werden, Nachdruck zu verleihen, verwies sie auf die Beerdigung eines Bullen in Brandenburg, die am selben Tag stattfand. Direkten Bezug auf Thunfisch nahm sie vor allem in dem Punkt, dass sie schockiert sei, dass ein so gebildeter Mensch solch extremistische Demonstrationen unterstützt. Dies sei eher eine Einstellung, die sie vom „Bodensatz der Gesellschaft“ erwarte. Sie forderte schließlich 1 Jahr und 6 Monate ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung. Ihre Hauptbegründung ist und bleibt die Demo selbst. Dies macht nochmals deutlich, dass es sich um einen politisch geführten Prozess handelt und ein weiteres Exempel statuiert werden soll.

 

Verteidigung

 

Ursprünglich wollten beide Verteidigerinnen nicht auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft eingehen. Sie konnten jedoch die Aussagen von Sadri-Herzog nicht unkommentiert stehen lassen und warfen ihr vor, sich überhaupt nicht mit dieser speziellen Verhandlung auseinander gesetzt sowie ihre Schlußfolgerungen aus dem anderen Prozess übernommen zu haben. Im weiteren Verlauf analysierte die Verteidigung was nach der Beweisaufnahme überhaupt als bewiesen erachtet und was durch viele Zeug*innen vermutet aber nicht eindeutig belegt werden kann. Durch Videobeweise kann lediglich ein einfacher Landfriedensbruch durch Thunfischs Aufenthalt nach Beendigung der Demo belegt werden. Die gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung wiederum könnte durch die Videobeweise eher als widerlegt betrachtet werden, wenn man die Aussagen der Bullenzeug*innen als richtig und wahr ansieht. Außer den beiden Zeug*innen Haase und Petsch, die erhebliche Widersprüche in ihren Aussagen haben, kann keiner der Bullenzeug*innen Thunfisch hundertprozentig identifizieren, was eine Verwechslung wahrscheinlich macht.

 

Im zweiten Plädoyer der Verteidigung fokussierte sich die Anwältin vor allem auf die Methoden der Staatsanwaltschaft im Vorfeld des Prozesses. Sie sieht eine massive Vorverurteilung durch Sadri-Herzog und skandalisiert den Haftbefehl als aufheizende Stimmung seitens eben dieser. Die Anklagepunkte sind theoretisch nicht ausreichend genug um einen Haftbefehl zu rechtfertigen und erst recht keinen der erst so viel später (August 2016) angeordnet und dann drei Monate später erst vollstreckt wird. Besonders analysierte sie die Auswirkungen welche die Untersuchungshaft auf das Urteil haben wird. Denn oft urteilen Gerichte entsprechend höher, wenn eine U- Haft vorausgegangen ist, da diese gerechtfertigt werden muss. Geldstrafen sind dann äußerst unwahrscheinlich. Ob das im Kalkül der Staatsanwaltschaft lag, kann gemutmaßt werden. Was faktisch am Ende übrig bleibt, ist einfacher Landfriedensbruch, der normalerweise mit einer Geldstrafe abgeurteilt werden würde. Die Verteidigung legt dem Gericht jedoch nahe, die fälschliche U – Haft bei der Strafbeimessung zu berücksichtigen und diese als Kompensation für den Landfriedensbruch zu betrachten.

 

Das Urteil

 

Das Gericht urteilt 7 Monate und 1 Woche ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung. Die Anklagepunkte sieht es als erwiesen an und urteilt deshalb über einfachen Landfriedensbruch, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung und Widerstand. Auf dem Video, das die gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung belegen soll, ist die Tat an sich zwar nicht zu sehen, jedoch kann Thunfisch identifiziert werden. Darüber hinaus haben die Zeugen Ramirez-Acosta und Weber beide von einer weiblichen Person gesprochen und daher sei es unwahrscheinlich, dass es sich hier um eine weitere Person handeln soll. Die Verletzungen seien zwar nicht mehr als ein Hämatom gewesen, jedoch wird durch die Gemeinschaftlichkeit eine gefährliche Körperverletzung daraus. Der Landfriedensbruch ist mit den Videos bewiesen, auf denen Thunfisch klar zu erkennen sei. Der Aufenthalt in einer aggressiven Menge macht den Landfriedensbruch aus und wird durch das Unterhaken Thunfischs in einer Kette noch untermalt. Zwar vertritt das Gericht die Meinung, dass „wer ein Messer mit sich führt, hat auch vor es zu benutzen“, jedoch sieht es dadurch keinen schweren Landfriedensbruch. Auch ist der Widerstand bei der Festnahme keine reflexartige Reaktion, sondern ist als einfacher Widerstand zu verurteilen.

 

Am Ende erklärt das Gericht noch, dass Hasskommentare und tote Polizist*innen, die die Staatsanwaltschaft anbringt, nichts mit diesem Prozess zu tun haben und geht darauf ein, dass Polizist*innen doch genauso von Verdrängung und Gentrifizierung betroffen seien wie andere Menschen auch.

 

Für uns bleiben sie aber Feinde der Freiheit, die Unterwerfung und Ausbeutung schützen und die kapitalistische Ordnung verteidigen. Für uns bleiben sie Bullen, die Freund*innen und Gefährt*innen in aller Welt in den Knast bringen, weil sie es wagen, sich ihnen entgegenzustellen.

 

Solidarität mit allen Gefangenen! Unsere Leidenschaft für die Freiheit ist stärker als jede Autorität!

 

Unterstützt die Gefangenen in den Knästen. Schreibt ihnen Briefe, zeigt ihnen, dass sie nicht alleine sind. Lassen wir uns nicht einschüchtern, sondern kämpfen wir weiter.

 

****Nach den Prozessen ist noch einiges an Repressionskosten offen. Thunfisch freut sich über solidarische finanzielle Unterstützung. Mehr Infos und wohin ihr was spenden könnt, findet ihr auf dem Blog des Solikreises.***