Mitglieder der militanten Gruppe »Komitee« beantragen Asyl in Venezuela. Von Oliver Rast
Ein Leben mit falschen Papieren, unbekanntem Aufenthaltsort und neuer Identität. Drei Berliner Linksradikale versteckten sich nach einem gescheiterten Anschlag auf ein im Bau befindliches Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau teils mehr als 20 Jahre lang im Untergrund. Jetzt tauchten die beiden bisher unentdeckt gebliebenen »Komitee«-Mitglieder Peter Krauth und Thomas Walter wieder auf, um in Venezuela Asyl zu beantragen.
Der dritte im Bunde, Bernhard Heidbreder, war bereits im Juli 2014 in Venezuela von Interpol-Beamten aufgespürt worden. Er hat zwei Jahre in Haft verbracht. Seine Auslieferung nach Deutschland lehnten die venezolanischen Behörden ab.
Der Anschlag in der Nacht zum 11. April 1995 mit 120 Kilogramm Sprengstoff auf das menschenleere, noch nicht fertiggestellte Abschiebegefängnis hätte ein Fanal sein sollen – gegen die Einschränkung des Asylrechts in Deutschland und gegen die Abschiebepraxis. Das Vorhaben scheiterte. Eine Polizeistreife entdeckte den Kleintransporter auf einem Waldparkplatz. Die Streifenpolizisten fanden die Propangasflaschen, die ihnen verdächtig vorkamen. Hinweisschilder mit der Aufschrift »Achtung Lebensgefahr! Sprengung des Knastneubaus! D.A.S. K.O.M.I.T.E.E.« konnten ebenso gesichert werden wie Ausweispapiere, die in einem in der Nähe geparkten Fahrzeug aufbewahrt wurden. Die mutmaßlichen Tatbeteiligten ergriffen die Flucht und konnten sich zwei Jahrzehnte lang der Festnahme entziehen.
Die Aktion war wenige Tage vor dem »Autonomiekongress« an Ostern 1995 vorgesehen. Die Aktivisten vom »Komitee« hätten nach einem geglückten Anschlag mit offenen Sympathiebekundungen der Teilnehmer rechnen dürfen. So blieb den Besuchern des Treffens nur, sich auf der Abschlussdemonstration mit den Untergetauchten zu solidarisieren. In den Folgemonaten fanden »Resonanzaktionen« statt. So verübten Linksradikale Brandanschläge auf Fahrzeuge von Firmen, die am Bau des Abschiebegefängnisses beteiligt waren.
In einem Schreiben einige Monate nach dem »Debakel« zogen die »Komitee«-Mitglieder Konsequenzen und lösten ihr Projekt auf: »Wir werden unsere politische Arbeit als Komitee beenden. Diese Entscheidung haben wir aufgrund der Gesamtheit der von uns begangenen Fehler gefällt.« Sie betonten dabei, dass dies »kein Abgesang auf militante Politikformen« sei. »Wir finden es nach wie vor wichtig und richtig, auch mit militanten Mitteln in die politischen und militärischen Pläne der Herrschenden einzugreifen«, schrieben die Aktivisten aus dem Untergrund.
Die wesentlichen Vorwürfe gegen die drei Autonomen wie die Mitgliedschaft in einer »terroristischen Vereinigung« und der Versuch eines Sprengstoffanschlags sind verjährt. Nicht so der Vorwurf der »Verabredung zu einem Verbrechen« nach Paragraph 30 des Strafgesetzbuchs. Ein Passus, den sich die Bundesanwaltschaft (BAW) zu Nutze macht, um die Ermittlungen ungestört fortsetzen zu können. Hier beträgt die Verjährungsfrist 40 Jahre.
Eine Verfassungsbeschwerde wegen des Verstoßes gegen das Schuld- und Verhältnismäßigkeitsprinzip, die von der Verteidigerin eines der Beschuldigten, Undine Weyers, eingelegt worden war, hat das Bundesverfassungsgericht abgewiesen. »Auf nationaler Ebene sind alle Rechtsmittel ausgeschöpft«, sagte Weyers am Dienstag gegenüber junge Welt. »Allerdings wird für einen der Betroffenen eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Sollte sie Erfolg haben, wirkt sie sich auf alle drei Beschuldigten aus.«
Der Fahndungsdruck des BKA und des Verfassungsschutzes gegen die Linksradikalen bleibt hoch. Die Haftbefehle wurden verlängert. Die Männer hätten in Deutschland eine mehrjährige Haftstrafe zu erwarten. Deshalb der Schritt ins Exil. Aus Caracas haben sich nun Krauth und Walter zu Wort gemeldet. »Es tut gut, nach so vielen Jahren diese ungebrochene Solidarität zu spüren«, heißt es auf der Homepage des Unterstützerkreises. Unklar ist bislang, wie die Migrationsbehörde Venezuelas auf die Asylanträge reagieren wird. Auch Anwältin Weyers kann nicht einschätzen, »ob der Antrag positiv beschieden wird«.