Vereinfachungen und Restriktionen im Asylrecht

Erstveröffentlicht: 
27.05.2010

Der Bundesrat beantragt erneut Änderungen am Verfahren und eine Einschränkung des Flüchtlingsbegriffs

Der Bundesrat hat die Botschaft zu einer weiteren Asylgesetzrevision verabschiedet. Das Verfahren wird vereinfacht, für die Asylsuchenden teilweise erschwert. Erstmals schränkt die Regierung die Asylgründe ein.


C. W. ⋅ Das geltende Asylgesetz trat teils 2007, teils 2008 in Kraft. Als einen Grund für die neuerliche Revision gab Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf vor der Presse an, die Zahl der Asylgesuche habe 2008 stark zugenommen – wie in ganz Europa. Im Jahr darauf sank die Kurve wieder leicht. Wie dem auch sei, es werden erneut Wege gesucht, die Verfahren effizienter zu gestalten.


Zurück zu üblichen Verfahren

Die Vorlage des Bundesrats entspricht weitgehend dem Vernehmlassungsentwurf. Dieser war aber ergänzt worden, nachdem mehrere Organisationen auf die kontraproduktive Wirkung der Ausdehnung der Nichteintretensentscheide hingewiesen hatten. Die Chefin des Justiz- und Polizeidepartements unternahm es insofern, die Folgen von früherem unbedachtem gesetzgeberischem Aktivismus zu korrigieren.

Es sind mittlerweile 13 Gründe, die dazu führen, dass auf ein Asylgesuch nicht eingetreten wird. Dabei ist allerdings die Gefährdung mindestens im Fall einer Rückkehr ebenfalls zu prüfen, und der Rechtsweg wird allenfalls zweimal beschritten. Zudem erhalten heute auch die im normalen Verfahren abgewiesenen Bewerber keine Sozialhilfe mehr. Daher sind nun Nichteintretensentscheide nur noch vorgesehen, wenn jemand in einen sicheren Drittstaat, speziell im Rahmen des Dublin-Systems, zurückgeschickt werden kann.

Im materiellen Verfahren, das in allen anderen Fällen durchzuführen ist, wird die Beschwerdefrist von 30 auf 15 Tage halbiert. Diese Zeit (in Deutschland sind es 14 Tage) reiche, um die wesentlichen Gründe für einen Rekurs zusammenzustellen, sagte Widmer-Schlumpf. Die Flüchtlingshilfe betrachtet die Einschränkung für die landesfremden Asylsuchenden als rechtsstaatlich unangemessen. – Die Präsenz einer Hilfswerkvertretung bei den Anhörungen wird abgeschafft. Der Bund soll aber eine Verfahrens- und Chancenberatung unterstützen. Wie diese Aufgabe genau aussieht und wer sie erfüllen wird, ist noch offen. Es sollen sich nicht nur Hilfswerke dafür interessieren.

 

Keine Gesuche im Ausland

Eine Entlastung der Verwaltung erhofft sich der Bundesrat von der Abschaffung der Möglichkeit, Asylgesuche bei Vertretungen der Schweiz im Ausland einzureichen. Kein anderes Land biete dies an, und von den 3800 im letzten Jahr gestellten Begehren seien die meisten unbegründet gewesen. In 261 Fällen wurde die Einreise zur näheren Prüfung bewilligt. Dies soll laut Botschaft weiterhin möglich sein, wenn jemand ernsthaft und unmittelbar gefährdet ist. Im Vernehmlassungsverfahren war dieser Vorschlag einerseits aus humanitären Gründen, anderseits aus der Befürchtung, er führe zu mehr illegalen Einreisen, kritisiert worden.

Im Weiteren sollen Wiedererwägungsbegehren und Zweitgesuche nur noch schriftlich abgewickelt werden. Die Rückkehr abgewiesener Asylsuchender soll einfacher für zumutbar erklärt werden können, indem der Bundesrat Länder bezeichnen kann, in denen grundsätzlich keine Gefährdung besteht. Auf eine Pflicht des Betroffenen, persönliche Hindernisse für den Vollzug einer Wegweisung zu beweisen, wird aufgrund von Einwänden in der Vernehmlassung verzichtet. An der Strafbarkeit von politischen Aktionen in der Schweiz, die der nachträglichen Schaffung von Asylgründen dienen sollen, hält der Bundesrat hingegen fest, obschon an der Wirkung einer solcher Bussenandrohung zu zweifeln ist.

 

Mühe mit Dienstverweigerern

Erst am Schluss erwähnte Widmer-Schlumpf einen substanziellen Revisionspunkt, der auf die Verärgerung ihres Vorgängers Christoph Blocher über ein Urteil der Asylrekurskommission zurückgeht. Die Flüchtlingsdefinition, die bisher von allen Revisionen verschont blieb, wird ergänzt um den Satz: «Keine Flüchtlinge sind Personen, die einzig wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.» Anvisiert sind besonders Eritreer. Sie sollen künftig nur noch vorläufig aufgenommen werden, wenn sie wegen Dienstverweigerung als Staatsfeinde verfolgt werden und keine zusätzlichen Asylgründe anführen.

In der Botschaft heisst es, die Rechtsprechung (das Eritreer-Urteil) solle weiterhin beachtet werden, es gehe nur um jene Personen, bei denen keine asylrelevante Verfolgung vorliege. Eine solche Klärung wäre aber überflüssig. Nach den Ausführungen an der Pressekonferenz wird denn auch eine Praxisänderung angestrebt. Die Logik erinnert (bei allen Unterschieden) an jene der Schweiz von 1942: «Flüchtlinge nur aus Rassegründen, z. B. Juden, gelten nicht als politische Flüchtlinge.»