Hitlergruß und Politikversager

Erstveröffentlicht: 
25.01.2017

Bei einer Veranstaltung des Meißner Heimatschutzes will der Mann den Gegendemonstranten nur „Hallo“ gesagt haben.

Meißen. Es ist der 11. 11., also Faschingsauftakt. Doch was an jenem Tag in Meißen passiert, ist gar nicht lustig, wenngleich Narren unterwegs sind. Die nennen sich „Initiative Heimatschutz“, machen mal gerade wieder eine Demo durch die Stadt unter dem Motto „Politikversager“. Versager finden sich viele in dem Demonstrationszug. Einer davon ist der Mann, der am Mittwoch auf der Anklagebank im Meißner Amtsgericht saß. Käppi in Tarnfarben auf dem Kopf, Kapuzenshirt, Ohrring - der schwergewichtige Angeklagte, der die Förderschule in Riesa besuchte, erfüllt viele Klischees von Mitläufern bei rechten Demonstrationen.

 

Wenn er nur mitgelaufen wäre, säße er jetzt nicht hier. Bis zum Heinrichsplatz verlief der Demonstrationszug ruhig und friedlich, sagt ein Beamter der Bereitschaftspolizei, der die Demo mit seinen Kollegen begleitete. Dort allerdings warten wie üblich Gegendemonstranten. Beide Seiten beschimpfen und beleidigen sich gegenseitig lautstark. So weit, so schlecht. Doch dann tut sich der 40-jährige Meißner, der aus Riesa stammt, hervor. Er baut sich vor den Gegendemonstranten auf und zeigt den Hitlergruß. Und das drei Meter von den Polizisten entfernt.

 

Aus taktischen Gründen und damit die Lage nicht eskaliert, unternehmen die erst mal gar nichts. Am Brückenkopf aber ziehen sie den Neonazi aus dem Demonstrationszug heraus. Sie machen ihm den Tatvorwurf, belehren ihn, dass er nichts sagen muss und fotografieren ihn. Doch der Mann will etwas sagen. Ohne Umschweife gibt er den Hitlergruß zu. Er müsse sich doch nicht von den Gegendemonstranten beleidigen lassen, sagt er.

 

Später bekommt er einen Strafbefehl, also ein schriftliches Urteil ohne vorherige Verhandlung. Wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“, wie es im Amtsdeutsch heißt, soll er eine Geldstrafe von 400 Euro zahlen. Doch er geht in Einspruch, nun wird also doch verhandelt. Sagen will der Angeklagte nichts. Dafür reden die Polizisten von der Bereitschaftspolizei. Nach deren überzeugenden Aussagen schlägt Richter Michael Falk dem Mann vor, den Einspruch zurückzuziehen. Dann bleibt es bei den 400 Euro, ansonsten wird es bei einer Verurteilung mehr.

 

Es gibt Angebote, die lehnt man nicht ab. Doch der Angeklagte lehnt ab, will, dass weiter verhandelt wird. Als Entlastungszeugin hat er seine Ex-Freundin mitgebracht. Aber die will nichts gesehen und gehört haben. Sie wiegelt ab. „Wie oft grüßt man jemanden, sagt Hallo und hebt die Hand“, sagt sie. „Heil Hitler“ habe er nicht geschrien, sag sie. Das hat auch niemand behauptet, und darauf kommt es auch gar nicht an. Jedenfalls sei sie ganz perplex gewesen, als plötzlich ihr damaliger Freund aus dem Demonstrationszug herausgezogen wurde.

 

Jetzt redet auch der Angeklagte. Ja, er habe die Gegendemonstranten nur grüßen wollen, sagt der Hilfsarbeiter, der zwei Kinder und einen Schufa-Eintrag hat. Unterhalt kann er natürlich auch nicht zahlen.

 

Noch einmal rät ihm der Richter, den Einspruch zurückzunehmen. Jetzt willigt der gelernte Koch, der aber nicht in seinem Beruf arbeitet, doch ein. So kostet ihn der Hitlergruß 400 Euro, das ist ein sehr günstiger Preis. Die Strafe kann er in Raten abstottern. Weil kein Urteil gesprochen wurde, kommt er auch noch um die 70 Euro Urteilsgebühr herum.