NSU-Prozess - Verfahren gegen Zschäpe bald abgeschlossen?

Erstveröffentlicht: 
04.01.2017

Seit Mai 2013 wird vor dem Münchener Oberlandesgericht gegen Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten verhandelt. Alle Verfahrensbeteiligten sind sich jedoch einig, dass sich das Mammutverfahren dem Ende nähert. Möglicherweise fällt das Urteil, noch bevor der NSU-Prozess ins fünfte Jahr geht.

von Sebastian Hesse, MDR AKTUELL

 

Das dürfte der Zschäpe-Verteidigung nicht gefallen: Auch nach weit über 300 Prozesstagen hat sich die Einschätzung des Chef-Anklägers kein bisschen verändert. Bundesanwalt Herbert Diemer bleibt von der Schuld Zschäpes und ihrer Mitangeklagten überzeugt. "Nach unserem Eindruck haben sich unsere Ermittlungen, die wir in der Anklage zusammengefasst haben, in den bisherigen Ergebnissen der Beweisaufnahme wiedergespiegelt." 

 

Nebenkläger hofft auf Zschäpes Verurteilung


Die Beweisaufnahme ist so gut wie abgeschlossen. Auch die Nebenklage meint, der Prozess habe ans Licht gebracht, was im Rahmen eines Gerichtsverfahrens möglich ist. Der Nebenkläger Mehmet Daimagüler glaubt, ähnlich wie der Bundesanwalt, dass es für ein Urteil reichen sollte. Man habe heute ein viel klareres Bild von der Rolle der einzelnen Angeklagten, insbesondere von Beate Zschäpe. Daimgüler ist sich sicher, dass durch die Beweisaufnahme die Anklage der Bundesanwaltschaft bestätigt worden sei.

 

Frau Zschäpe ist zu Recht als Mörderin angeklagt!

Mehmet Daimagüler, Nebenkläger im NSU-Prozess

 

Psychiatrisches Gutachten steht noch aus


Das Verfahren sei jetzt im Endspurt, meint Daimagüler. Zum Schluss steht noch das psychiatrische Gutachten zur Schuldfähigkeit der Hauptangeklagten an. Verfasst hat es Henning Saß, einer der renommiertesten forensisch-psychiatrischen Gutachter der Republik. Auch wenn die Zschäpe-Verteidigung immer wieder versucht hat, das Verlesen der Saß-Einschätzungen zu verhindern: Gerichtssprecherin Andrea Titz hält das Gutachten für unverzichtbar, um Fragen wie diese zu klären. So sprächen Anhaltspunkte in der Persönlichkeitsstruktur, sowie Alkohol- oder Drogenmissbrauch dafür, dass eine eingeschränkte oder aufgehobene Schuldfähigkeit vorgelegen habe.

 

Das Gutachten liefere dem Senat Grundlagen für die Beurteilung der psychischen Situation der Angeklagten Zschäpe, sagt Bundesanwalt Diemer. Zum einen gehe es um die Schuldeinsichtsfähigkeit zur Tatzeit sowie die Steuerungsfähigkeit. Zum anderen stehe die Frage im Raum, ob bei der Angeklagten ein Hang vorliegen könnte, solche Straftaten zu begehen. "Ein Hang, der im Falle der Verurteilung die Anordnung von Sicherungsverwahrung erforderlich machen könnte." 

 

333. Verhandlungstag soll Klarheit bringen


Wenn Saß erfolgreich die Sicherungsverwahrung für Zschäpe empfehlen sollte, dann bedeutet das, dass die NSU-Terroristin auch nach dem Verbüßen ihrer Haftstrafe nicht auf freien Fuß kommen würde. Bislang ist bekannt, dass der Psychologe Zschäpe für voll schuldfähig hält. Zudem attestiert er ihr eine Neigung zum Verdrängen, zu manipulativem Verhalten und zu egozentrischen Zügen.

 

Wenn das Gutachten offiziell in den Prozess eingebracht ist, könnte es schnell gehen. Auch wenn Gerichtssprecherin Titz eine Prognose scheut. Bis Anfang September seien Termine gesetzt, man werde die Wiederaufnahme des Verfahrens nach der Weihnachtspause abwarten, ob man diese auch benötige.

Am 10. Januar beginnt das Verfahren erneut, es ist der 333. Verhandlungstag. Ob diese Schnapszahl ein gutes Omen ist, darüber dürften die Einschätzungen, wie immer vor dem Münchener Oberlandesgericht, auseinander gehen.