Bremer Kurden-Funktionär lebt weiter in Angst

Erstveröffentlicht: 
19.12.2016

Der Bremer Kurdenführer Yüksel Koc befürchtet weitere Überwachung der kurdischen Community durch türkische Spione, obwohl am vergangenen Donnerstag ein Verdächtiger festgenommen wurde.

 

„Du bist nur noch einmal davongekommen, weil diese Hure dich verraten hat. Genieße die Zeit, die du noch hast. Irgendwann erwischen wir dich und töten dich.“ Yüksel Koc sagt, dass das die letzte SMS war, die er von einer unbekannten Nummer bekommen hat. Das war Mitte November.

Sicherer fühlt sich der Bremer Kurdenführer gut einen Monat später trotzdem noch nicht. Diese Nachricht wäre nur eine von vielen Bedrohungen gewesen, die er in den vergangenen Wochen und Monaten bekommen hätte.

Sie sollen von einem oder mehreren Spionen stammen, die Koc im Auftrag des türkischen Staats nach dem Leben trachten sollen, sagt der 52-Jährige. Er habe nur überlebt, weil ihn im August eine Quelle aus dem nahen Umfeld des Agenten, gewarnt habe (wir berichteten).

 

Verdächtiger ist festgenommen


Nun wurde am vergangenen Donnerstag der 31-jährige türkische Staatsangehörige M.S. wegen Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit in Hamburg festgenommen.

Der Beschuldigte ist nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft verdächtig, sich im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Deutschland Informationen über Aufenthaltsorte, Kontaktpersonen und politische Tätigkeiten von in Deutschland lebenden Kurden sowie kurdischen Einrichtungen in der Bundesrepublik verschafft zu haben, welche zur Weitergabe an den türkischen Geheimdienst bestimmt waren.

Ob es sich bei dem Verdächtigen um den Mann handelt, der auch Yüksel Koc bespitzelt haben soll, wollte die Bundesanwaltschaft auf Nachfrage des WESER-KURIER am Montag nicht bestätigen.

 

Nicht mehr in der Verantwortung der hiesigen Behörden


Auch die Bremer Innenbehörde verweist auf die laufenden Ermittlungen in Karlsruhe und will sich nicht zu dem Vorfall äußern. Die Angelegenheit sei nicht mehr in der Verantwortung der hiesigen Behörden. Der Bremer Kurden-Funktionär selbst geht davon aus, dass es sich bei dem Festgenommenen um denjenigen handelt, der auch ihn überwacht hat.

Schließlich habe der Verdächtige, der nun in Untersuchungshaft sitzt, die gleichen Initialen, wie Mehmet S., der sich jahrelang als Journalist des kurdischen Fernsehsenders „Denge TV“ ausgegeben haben soll, um in Bremen und Norddeutschland Kurden zu bespitzeln.

„Ich habe bereits im April von einer Quelle erfahren, dass sich drei Teams von Agenten in Deutschland aufhalten sollen“, sagt Koc. Diese Informationen habe er an die zuständigen deutschen Behörden weitergegeben. Vor etwa zweieinhalb Jahren wäre Mehmet S. sogar zu einem persönlichen Interview bei Koc gewesen.

 

Noch skeptischer geworden


„Er hat damals wie ein seriöser Journalist auf mich gewirkt und wollte Informationen über meine Tätigkeiten für die kurdische Community wissen“, sagt Koc. Er habe sich bei dem Interview nichts weiter gedacht und wollte dem Mann helfen. Nun sei er noch skeptischer geworden, als sowieso schon.

Seitdem er im August gewarnt wurde, lebt Koc nicht mehr dauerhaft in Bremen. Das Risiko dafür sei noch immer zu groß – selbst, wenn der Festgenommene wirklich derjenige ist, der ihn ausspioniert habe. „Die Zahl der türkischen Spione in Deutschland ist viel größer“, sagt er.

Im August berichteten mehrere Medien, dass der Geheimdienst MİT des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan über etwa 6000 Informanten in der Bundesrepublik verfügt.

 

An- und Abmeldung bei Behörden nötig


Aus diesem Grund sei er viel unterwegs und verrate nur engen Vertrauten, wo er sich gerade aufhalte. Wenn er doch mal wieder nach Bremen käme, müsse er bestimmten Richtlinien folgen. „Ich muss mich bei den Behörden an- und abmelden, wenn ich in die Stadt komme“, sagt er.

Obwohl er Angst vor weiteren Drohungen hat, will Koc seine Tätigkeiten nicht stoppen. Der 52-Jährige ist seit Jahren in zahlreichen kurdischen Vereinen aktiv. Vor etwa zwei Jahren wurde er in dieser Funktion auch vom damaligen Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen im Rathaus empfangen.

 

Koc wartet auf Ergebnis der Ermittlungen


Mittlerweile ist Koc einer der beiden Vorsitzenden eines europäischen kurdischen Dachverbandes. Der Bremer Verfassungsschutz führt Koc in seinem Bericht aus 2015 zudem als einen der Vorsitzenden eines Vereins auf, der engen Kontakt zu der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK hält. 

Koc will nun abwarten, was die Ermittlungen in Hamburg ergeben. Sollte es sich bei dem 31-Jährigen wirklich um einen türkischen Agenten handeln, hofft er auf die deutsche Justiz. „Das schlechteste Zeichen wäre, wenn die Spione denken würden, dass ihre Aktivitäten in Deutschland nicht geahndet werden würden.“