Gericht: Freiburger Blogger erhält Bewährungsstrafe für Holocaustlüge

Er hält die Mondlandung und die Terroranschläge aufs World Trade Center für erfunden. Und er leugnet den millionenfachen Mord an Juden in Nazideutschland. Weil er das öffentlich tat, wurde er verurteilt. Das sei unglaublich, findet der Verschwörungstheoretiker, und legt Berufung ein.

 

Von Peter Sliwka

 

Wer in Deutschland die millionenfache Ermordung der Juden im Nationalsozialismus als historische Tatsache öffentlich leugnet, macht sich der Volksverhetzung schuldig. Einen Blogger aus Freiburg, der im Internet den Holocaust als "dreckige Lüge" bezeichnet hatte, hat das Amtsgericht Freiburg wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten und 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

Der Mann mit ausgeprägten Geheimratsecken und kurzem Vollbart, mit petrolfarbenem Pullover und abgetragenen Jeans stellt sich als ehemaliger Grünenwähler vor. Als Postadresse – auf dieses Wort legt er Wert – nennt er eine Obdachlosenunterkunft. Der Frage nach seinem Wohnort weicht er aus. Er sei Autor und Blogger, sagt er, und schiebt den ersten Werbeblock ein, indem er den Anwesenden sein mitgebrachtes Buch über die Erfahrungen mit der Justiz in Freiburg an Herz legt. Als er das englischsprachige Werk eines jüdischen Autors, der den Holocaust ebenfalls in Zweifel zieht, anpreist, weist ihn Strafrichterin Herrlinger in die Grenzen: Der Prozess sei keine Werbeveranstaltung.

 

Zwei Leser seines Blogbeitrags vom 22. Oktober 2015 hatten Strafanzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft ermittelte und beantragte einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung. Das Amtsgericht setzte gegen den bislang nur wegen Beleidigung vorbestraften Mann eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je zehn Euro fest. Dagegen legte der 55-Jährige Einspruch ein. Im Prozess zeigt er sich in der Sache jedoch so uneinsichtig, dass Staatsanwalt Florian Rinklin am Ende der Beweisaufnahme sogar eine viermonatige Bewährungsstrafe samt Arbeitsauflage fordert.

 

Der Angeklagte übt sich in zivilem Ungehorsam

 

Der Angeklagte, der ein Medizin- und Politikstudium abbrach, Taxi fuhr und heute von monatlich 404 Euro staatlicher Hilfe lebt, bezeichnet sich als außerhalb "des Systems stehend". Als einen, der zivilen Ungehorsam übe. Weder vom Staatsanwalt noch von der Richterin lässt er sich überzeugen, dass der Holocaust eine Tatsache ist, die nicht öffentlich geleugnet werden darf. Er will nicht wahrhaben, dass er nach dem Gesetz dafür bestraft werden muss, weil er seine Meinung im Internet öffentlich gemacht hat. "Die Gedanken sind frei, aber wenn sie verbreitet werden, dann kann das strafbar sein", versucht ihm Staatsanwalt Rinklin auf die Sprünge zu helfen, "und die Verbreitung der Holocaustlüge ist strafbar". Das hätten Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof längst bestätigt.

 

Doch der Angeklagte bleibt dabei, dass er nicht an den Holocaust glaube. Sowenig, wie er an die Mondlandung der Amerikaner und an den Terroranschlag auf das World Trade Center in New York glaube. Der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, hängt noch weiteren Verschwörungstheorien an. Mehrfach fordert er die Anwesenden auf: "Recherchieren Sie im Internet." Und er vergisst dabei nicht, sein eigenes Buch als wahrhaftige Lektüre zu empfehlen.

 

Als er vor der Urteilsberatung erneut anspricht, dass er den Holocaust nicht glaubt, unterbricht ihn die Richterin: "Ich möchte nicht noch mal die Leugnung hören. Das ist strafbar." Rasch wechselt der Angeklagte zu 9/11 und sagt, dass die Presse ohnehin von den 60 reichsten Menschen der Welt gekauft sei. Sein letztes Wort endet mit einer Frage: "Leugnen Sie den Holocaust an den Armen?" Eine Antwort erhält er nicht. Stattdessen die Verurteilung, gegen die er, weil er auch sie für "unglaublich" hält, sofort Berufung zum Landgericht einlegt.