Zusammenarbeit europäischer Geheimdienste: Erste „operative Ergebnisse“ in Den Haag

Erstveröffentlicht: 
16.11.2016

Die EU hat kein Mandat für die Koordinierung von Geheimdiensten, dafür gibt es den informellen „Berner Club“. Der rückt nun näher an die Polizeiagentur Europol heran. Auf tiefer verzahnte Strukturen drängen insbesondere der deutsche und der italienische Geheimdienstkoordinator – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

 

Vor einem Jahr, am Tag der Anschläge in Paris, vereinbarten die Chefs der europäischen Inlandsgeheimdienste eine engere Zusammenarbeit im Bereich „Islamistischer Terrorismus“. Die in der „Counter Terrorism Group“ (CTG) zusammengeschlossenen Dienste entsenden VerbindungsbeamtInnen und betreiben seit dem 1. Juli eine „operative Plattform“ in Den Haag. In Echtzeit tauschen sich die beteiligten Behörden zu Maßnahmen und Gefahren aus. Laut Gilles de Kerchove, dem EU-Anti-Terrorismus-Koordinator, hat die neue „operative Plattform“ in Den Haag nunmehr erste „operative Ergebnisse“ erzielt. Details zu den erzielten Ergebnissen nennt der Bericht aufgrund der Geheimhaltung freilich nicht.

 

Die CTG gehört nicht zur Europäischen Union, da diese über kein Mandat für die Koordination der Geheimdienste ihrer Mitgliedstaaten verfügt. Verantwortlich für die Geheimdienstgruppe ist der „Berner Club“, in dem sich die Chefs der europäischen Inlandsnachrichtendienste versammeln und zu dem es wegen strenger Geheimhaltung wenig seriöse Berichterstattung gibt. Allerdings rückt die CTG immer näher an die EU-Strukturen heran: So regte die die Europäische Kommission jüngst an, ein „Drehkreuz für den Informationsaustausch“ unter europäischen Polizei- und Geheimdienstbehörden einzurichten. 

 

„Positive Entwicklungen“ bei Zusammenarbeit mit Europol


Dem Vorschlag zufolge könnte ein „Fusionszentrum“ mit der Polizeiagentur Europol als Partner bei der CTG angesiedelt werden. Ihre „systematischere Interaktion“ soll demnach nicht auf Terrorismus beschränkt bleiben, sondern könnte auch schwere grenzüberschreitende Kriminalität umfassen. Die Bundesregierung hat zu dieser Ausweitung der Zuständigkeiten nach eigener Auskunft „noch keine abschließende Haltung entwickelt“, in einem Briefing jedoch ihre guten Erfahrungen bei der polizeilich-geheimdienstlichen Kooperation im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) geschildert.

 

Seit drei Jahren nimmt der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung an Treffen der CTG teil, die Geheimdienstgruppe wird seit Juni zu Treffen des Rates für Justiz und Inneres eingeladen. Stückchenweise sondieren die CTG und Europol weitere Möglichkeiten der engeren Kooperation, der EU-Anti-Terror-Koordinator weiß dazu von „einigen positiven Entwicklungen“. Demnach hätten die Leiter der Geheimdienste weitere Schritte diskutiert: Unter anderem soll die CTG in die Erstellung von Risikoindikatoren eingebunden werden, mit denen Europol die Daten von Asylsuchenden in den (auch Hotspots genannten) Flüchtlingslagern analysiert.

 

Darüber hinaus speichert die CTG jetzt schon Informationen über verdächtige oder observierte Personen in einer Datenbank, deren Führung der niederländische Allgemeine Auskunfts- und Sicherheitsdienst (AIVD) übernimmt. Künftig könnte die engere Kooperation der CTG mit Europol (technisch) auch über den AIVD abgewickelt werden. Für den inländischen Informationsaustausch hat der Dienst eine „Anti-Terror-Infobox” eingerichtet, an die mehr als 100 „Datenbanken und Akteure“ angeschlossen sind. In der „Infobox“ werden auch Dossiers gespeichert. Zu den niederländischen Teilnehmenden gehören zudem Behörden mit Polizeivollmachten, sodass etwaige Folgemaßnahmen wahlweise vom AIVD (Störung“) oder der niederländischen Polizei („Festnahme“) erfolgen können. 

 

Deutsches Kanzleramt drückt auf die Tube


Die vertiefte polizeilich-geheimdienstliche Zusammenarbeit wurde außerdem am Rande von Treffen der „Gruppe der Sechs“ in Rom und der „Gruppe der Neun“ in Berlin beraten. Die Initiative sei laut dem Anti-Terror-Koordinator von den italienischen und deutschen Geheimdienstkoordinatoren ausgegangen, für das Treffen in Berlin habe sich mit Peter Altmaier (CDU) sogar der Chef des Bundeskanzleramtes ins Zeug gelegt. An beiden Terminen hätten neben der CTG auch Angehörige des geheimdienstdienstlichen EU-Lagezentrums INTCEN teilgenommen.

 

In der „Gruppe der Sechs“ organisieren sich die sechs einwohnerstärksten EU-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Spanien), um sich über die europäische Innenpolitik abzustimmen. In der „Gruppe der Neun“ kommen mit Belgien, Dänemark, Irland, Niederlande, Österreich sowie Norwegen und der Schweiz inzwischen sieben weitere Regierungen hinzu, um sich zu Maßnahmen gegen sogenannte ausländische Kämpfer auszutauschen. Informationen über die Arbeit des mittlerweile in „Gruppe 13+“ umbenannten Netzwerks bleiben rar, wie sich etwa an den Antworten der Bundesregierung auf kleine Anfragen zeigt.

 

Sämtliche Einzelheiten zur Geheimdienstzusammenarbeit im Rahmen der CTG bleiben indes streng geheim. Die Arbeit der Dienste kann wegen der „Third Party Rule“, wonach keine Regierung Informationen über Geheimdienste einer anderen Regierung verlautbaren darf, nicht parlamentarisch kontrolliert werden. Das betrifft auch die in Den Haag geführte Datenbank, zu der die Bundesregierung nicht einmal die dort enthaltenen Datenfelder mitteilen will.