Prozess um Attacke auf dunkelhäutige Greizerin "Wenn ich von der Arbeit komme, spucken sie nach mir"

Erstveröffentlicht: 
15.11.2016

"Ich habe keine Angst, die Wahrheit zu sagen", sagt Sibongile Fitzke. Über anderthalb Jahre hat die aus Simbabwe stammende Greizerin auf den Prozess gewartet. Im Februar 2015 war sie beleidigt und zusammengeschlagen worden, lautet der Vorwurf der Anklage. Ein Mann und eine Frau müssen sich jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Greiz verantworten.

 

"Ich habe immer noch Schmerzen seit sie mich geschlagen haben", sagt Sibongile Fitzke heute. Gerade bei der Arbeit kommen die Schmerzen in Rücken und Schulter zurück. Der Angriff habe sich praktisch direkt vor ihrer Haustür ereignet. Sie sei an jenem Abend noch einmal rausgegangen, erzählte die heute 49-jährige Krankenpflegehelferin MDR THÜRINGEN im Sommer vergangenen Jahres. "Sie kamen direkt auf mich zu und fingen an mich zu beschimpfen." Die Erinnerung daran hat sie nie wieder losgelassen. "Sie schlugen mich. Ich fragte: Warum tut ihr das? Aber sie schlugen einfach weiter." Nach dem Angriff zogen die Täter ins Nachbarhaus, schilderte sie. Fitzke begegnete ihnen beinahe täglich. Wie alltäglich der Rassismus schon damals für sie war, zeigte sich während der Dreharbeiten des MDR THÜRINGEN JOURNAL im Juli 2015. Als Sibongile Fitzke den Tatort zeigte, wurde sie aus einer Gruppe Jugendlicher heraus rassistisch beleidigt. Der Prozess gegen einen Tatverdächtigen hat vergangene Woche begonnen. 

 

Sibongile Fitzke: "Ich zahle Steuern, ich pflege deutsche Rentner"


Bis heute hat sich für Sibongile Fitzke kaum etwas geändert. Besonders die rechtsextremen Jugendcliquen in Greiz hätten es auf sie abgesehen. Als sie einmal mit ihrer Tochter einkaufen gegangen sei, hätten ihr zwei Männer zugeprostet und einen Hitlergruß in ihre Richtung gemacht. Sie habe die Polizei rufen wollen, erzählt sie "aber meine Tochter sagte: Komm Mama, lass die Idioten!" Nur ein Beispiel sei das, von vielen. "Wenn ich von der Arbeit komme, in meiner Dienstkleidung, spucken sie nach mir und sagen: Hier kommt die Negerin!" 2008 hat Sibongile Fitzke einen Greizer geheiratet, sie zog mit ihren Kindern aus Simbabwe zu ihm, machte eine Ausbildung im Greizer Krankenhaus. Mittlerweile arbeitet sie bei einem Pflegedienst. "Ich zahle Steuern, mein Mann zahlt Steuern. Ich pflege deutsche Rentner", sagt sie. Sie versteht nicht, warum ihr soviel Hass entgegenschlägt. Die alten Menschen beim Pflegedienst würden sie lieben, erzählt sie. Aber draußen auf den Straßen sei sie nicht mehr sicher. 

 

Sibongile Fitzke: "Sie machen einfach weiter"


Immer wieder habe sie die Polizei gerufen. Doch die Täter würden sich gegenseitig decken. "Ich habe keine Angst, das zu sagen: Diese Leute lachen über die Polizei", sagt Fitzke, "sie machen, was sie wollen, sie machen einfach weiter". Sibongile Fitzke spricht laut und schnell. Die Rechtsextremen würden spüren, dass ihr Verhalten keine Folgen hätte, sagt sie. Einige hätten angekündigt weiterzumachen, bis sie die Stadt verlasse. Sibongile Fitzke will sich nicht einschüchtern lassen, doch sie hat auch Angst um ihre Familie. Um ihren Mann, dem auch schon Schläge angedroht worden seien, und um ihre beiden Kinder. "Ich habe Angst, wenn sie von der Arbeit nach Hause gehen oder wenn mein Sohn Fußballtraining hat", erzählt sie. "Ich habe Angst, dass ich meine Kinder irgendwann tot im Fluss finde." Wenn die beiden die Berufsschule abgeschlossen hätten, wolle sie wegziehen - weg aus Greiz, weg von den Neonazi-Cliquen. 

 

Opferberaterin: "Wir erleben oft, dass es wenig Hilfe gibt"

 

Theresa Lauß von der Thüringer Opferberatung "ezra" begleitet Sibongile Fitzke seit dem Angriff. "Ich muss sagen, dass sie eine sehr mutige Frau ist", sagt sie. Für ihre Klientin sei das Gerichtsverfahren auch eine Möglichkeit, ein Stück weit mit dem Angriff abzuschließen. Den geplanten Wegzug sieht die Opferberaterin zwiegespalten. "Es ist schon ein Signal, dass man in gewisser Weise aufgibt nach so einem langen Kampf." Aber Fitzke habe keinen Rückhalt in der Stadt. Die Gehässigkeiten gingen nicht nur von den Neonazi-Cliquen aus, sondern auch von Menschen auf der Straße. Vieles lasse sich nicht anzeigen, sagt Theresa Lauß. "Das erleben wir oft gerade in kleineren Städten, dass es da wenig Hilfe gibt und eben auch viel Rassismus." Das Opfer geht, die Täter bleiben. Die Opferberaterin sieht einen möglichen Wegzug aber auch als Chance für Sibongile Fitzke. "Es geht um sie, darum, wie sie sich fühlt und ich glaube es ist für sie die beste Lösung, wenn sie hier einfach rauskommt."

 

Sibongile Fitzke erhofft sich eine gerechte Strafe für die mutmaßlichen Täter - und ein Signal, dass die Attacken gegen sie Konsequenzen haben. Der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter begann stockend: der Dolmetscher hat nur unzureichend übersetzt. Sibongile Fitzke kann sich im Alltag gut in Deutsch verständigen, nimmt aber vor Gericht ihr Recht wahr, in ihrer Muttersprache vernommen zu werden. So wurde der Prozess nach nur einer Stunde ausgesetzt. Mitte Dezember wird er von vorne beginnen.