[MA] kämpferische Demo gegen die Faschisierung der Türkei

Demo

+++ erneut lautstarke und kämpferische Demo gegen die Ereignisse in der Türkei +++ ca. 1000 TeilnehmerInnen +++ eine Festnahme durch die Polizei +++

 

Am gestrigen Mittwoch, den 09. November 2016, fand eine Demonstration in Mannheim gegen die Verhaftungen der prokurdischen HDP Abgeordneten in der Türkei statt. Trotz Regens versammelten sich ca. 1000 DemonstrantInnen ab 17.30 Uhr auf dem Paradeplatz in Mannheim. Nach einer kurzen Auftaktkundgebung, während dieser kurz der Grund der Versammlung bekannt gegeben wurde, setzte sich der Protestzug gegen 18 Uhr Richtung Kurpfalzstraße in Bewegung.Während der Demonstration wurde immer wieder auf Deutsch, Türkisch und Kurdisch in Form von kleinen Ansprachen die Solidarität mit den Verhafteten als auch die Wut gegenüber den letzten Entwicklungen und immer öfter zur Tagesordnung dazu gehörenden Staatsgewalt und -willkür zur Sprache gebracht. Auch wurde häufig angeprangert, dass gerade die deutsche Regierung und auch die anderen europäischen Staaten gegenüber dieser Entwicklungen nicht mit wahren Konsequenzen drohen, sondern sich mit verbalen Abmahnungen zufrieden geben, um dann über die nächsten Geschäfte, die man zusammen macht, zu reden. Nach außen wurde insgesamt ein kämpferisches Bild abgegeben, kurdische, deutsche und türkische Parolen lösten sich immer wieder ab. Auch wurden Bilder und Transparente mit den Inhaftierten und Forderungen der Menschen aufgezeigt. Als ein junger Mann während der Demonstration einen Knallkörper zündete, wurde er von der Polizei kurzzeitig in Gewahrsam genommen.


Die Abschlusskundgebung fand vor dem Barockschloss Mannheim statt. Hier wurde im Rahmen der Reden ebenfalls auf die Ereignisse eingegangen und der Protest zur Sprache gebracht. Außerdem wurde mehrmals der sofortige Abbruch der Beziehungen zur Türkei jeglicher Art und die Demokratisierung der Türkei gefordert. Nach einer Schweigeminute für die gefallenen SozialistInnen, KommunistInnen und FreiheitskämpferInnen weltweit wurde die Demonstration gegen 19 Uhr für beendet erklärt. Im Gegensatz zum vergangenen Freitag wurde der Protest am gestrigen Mittwoch ohne weitere Zwischenfälle aufgelöst.


Zu den Ereignissen in der Türkei...

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangener Woche starteten die türkischen Sicherheitskräfte eine Verhaftungswelle gegen die Abgeordneten der prokurdischen HDP. Zunächst drangen Polizei und Spezialkräfte in die Wohnungen der Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag gewaltsam ein und nahmen diese in Gewahrsam, anschließend sprach sich der Haftrichter für die Untersuchungshaft aus. Nach den Festnahmen kam es zu Protesten in allen Städten der Türkei und auch in Europa. Während der Proteste in Diyarbakir griff die Polizei die DemonstrantInnen an, die DBP (Partei der demokratischen Regionen) Co-Vorsitzende Sebahat Tuncel wurde bei diesem Angriff so schwer verletzt, als dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Kurz nach ihrer Entlassung wurde sie festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt, welcher ihre Verhaftung am Dienstag anordnen ließ. Auch der HDP Abgeordnete Nihat Akdogan wurde wegen angeblicher PKK Mitgliedschaft festgenommen.

 

Die Abgeordneten, die (noch) auf freiem Fuß sind, versuchen ebenfalls unterschiedlichsten Protest gegen diese Welle der Repression zu organisieren. Unter anderem stand zur Debatte, dass die verbliebenen Abgeordneten sich nicht an den Parlamentssitzungen beteiligen würden, da das Parlament eigentlich seine Legitimität verloren habe. Kurz nach Bekanntgabe dieser Erklärungen wurden Drohungen vonseiten der Regierung und faschistischen MHP laut, dass in solch einem Falle der HDP auch die restlichen Sitze entzogen werden würde, da das Wegbleiben von den Sitzungen gegen das Gesetz verstoße. Auch wurde direkt begonnen darüber zu beraten, wer dann die restlichen Sitze erhalten könne.

 

Vergangene Woche wurde auch gleichzeitig die auflagenstarke, kemalistische Zeitung Cumhuriyet einer Polizeioperation unterzogen. Seither befinden sich sowohl der Chefredakteur als auch weitere neun Journalisten der Zeitung in Untersuchungshaft. Mit ihnen ist die Zahl der inhaftierten Journalisten in der Türkei zwischenzeitlich auf 142 gestiegen.

 

Die kemalistische und stärkste Oppositionspartei im türkischen Parlament, CHP, veröffentlichte einen Schriftzug gegen die Angriffe auf die Cumhuriyet und auch die Festnahmen der HDP Abgeordneten. Aufgrund der Kritik und Beschuldigungen gegen Erdogan und sein Regime hat der Staatsoberhaupt der Türkei sowohl gegen den Vorsitzenden der CHP Kemal Kilicdaroglu als auch gegen die weiteren Abgeordneten der CHP Anzeige erstattet.

 

Die jüngsten Ereignisse sind nur die Spitze des Eisbergs...


Bereits in den vergangenen Wochen wurden über 20 fortschrittliche und kurdische Radiosender und TV-Kanäle geschlossen. So wurden auch die einzige kurdischsprachige Tageszeitung Azadiya Welat und der weltweit einzige Frauennachrichtendienst JINHA verboten.

 

Vor ca. zehn Tagen wurden bereits die HDP Abgeordneten Gültan Kisanak und Firat Anli verhaftet. Im Anschluss wurden unter anderem die kurdischen Städte Sirnak und Diyarbakir der direkten Aufsicht des Staates unterstellt. Auch verkündete Erdogan die Todesstrafe wieder einführen und bei Verabschiedung eines solchen Gesetzes durch das Parlament dieses ratifizieren zu wollen.

 

Eine weitere wichtige Entwicklung der vergangenen Tage ist, dass Gewerkschaften zwar offiziell noch nicht verboten wurden, jedoch immer mehr Betriebe ihren ArbeiterInnen mit Gewerkschaftsmitgliedschaften die Verträge kündigen – ohne jegliche Konsequenzen für die ArbeitgeberInnen.

Im Rahmen dieser Entwicklungen kann man sich die stetigen Angriffe und Repression gegen fortschrittliche und kommunistische Organisationen und Parteien denken.

 

Gleichzeitig setzt das türkische Militär seine Angriffe auf die kurdischen Gebiete im Irak und auf Rojava weiter fort. So sollen in der nächsten Zeit auch verstärkt junge Menschen bei den türkischen Streitkräften eingesetzt werden – die Aufnahmekriterien wurden hierfür bewusst heruntergeschraubt. Auch am heutigen Tag, dem Todestag Atatürks, hat das Militär unterschiedliche Veranstaltungen zu seinem Gedenken veranstaltet, die vielerorts unter dem Motto „Volk und Militär Hand in Hand“ standen – womöglich um das seit dem gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 angekratzte Ansehen des Militärs wieder herstellen zu können.

Insgesamt sind die Entwicklungen und Ereignisse in der Türkei der letzten Tage und Wochen sehr beunruhigend und alarmierend. In diesem Sinne gilt, die Solidarität mit der fortschrittlichen und kurdischen Bewegung auf die Straße zu tragen.