Neuer Digitalfunk für Sachsens Rettungskräfte bereitet Ärger

Erstveröffentlicht: 
07.11.2016

Die flächendeckende Umstellung auf den abhörsicheren Digitalfunk bei Polizei und Rettungskräften in Sachsen verzögert sich und wird teurer. Viele Kommunen warteten wegen Personalmangel in der Landesdirektion vergeblich auf ihren Fördermittelbescheid.

 

Leipzig/Wurzen. Matthias Berger verzieht das Gesicht. Das Funkgerät in seinen Händen erinnere ihn an sein erstes Nokia-Handy. „Genau so groß, genau so unhandlich“, sagt der Oberbürgermeister (parteilos) von Grimma (Landkreis Leipzig). „Technik von vorgestern.“ Seit Kurzem hat die Grimmaer Feuerwehr auf den Digitalfunk umgerüstet. „Eine echte Umstellung vor allem für unsere Kameraden“, sagt Grimmas stellvertretender Kreisbrandmeister, Steffen Kunze. Die Menüführung sei „gewöhnungsbedürftig“. Zu Demonstrationszwecken klickt er mehrfach auf den Tasten herum, bis das Display endlich den gewünschten Teilnehmer anzeigt.

 

Die neue Technik habe einige Vor-, aber auch Nachteile. Wichtig für Kunze ist vor allem, dass er jetzt Polizei, Rettungsdienst, Katastrophenschutz und bei Bedarf alle auf einmal schnell erreichen kann. „Für das System spricht ferner die bessere Sprachqualität.“ Allerdings, sagt Kunze weiter: „Die Netzabdeckung ist äußerst schwach.“ 

 

Teilweise herrscht Funkstille


Nicht nur in einigen Gegenden – insbesondere in Tälern – gebe es Probleme mit dem Empfang, auch in größeren Gebäuden herrscht im Sinne des Wortes Funkstille. Ob im Krankenhaus, in Schulen oder bei privaten Unternehmen – bei mehreren Übungen gab es keinen Funkkontakt. Ein Unding, sagt Kunze. Zurzeit würden die Feuerwehrleute deshalb noch zusätzlich die alten analogen Geräte mit sich führen. Doch die Doppelausrüstung ist keine Dauerlösung. Für einige Firmen, das Krankenhaus und natürlich die Kommune heißt das: Sie müssen in eine Gebäudefunkanlage investieren, damit die Retter im Notfall überall zu erreichen sind.

 

Auf die Kommunen kommen weitere Kosten zu. Zwar finanzieren der Freistaat (75 Prozent) und der Landkreis (25 Prozent) komplett die Umstellung auf den Digitalfunk. Um das System am Laufen zu halten, muss aber die Software der Geräte regelmäßig aktualisiert werden. „Ein- bis zweimal im Jahr ist ein Update fällig“, sagt Berger. Die genauen Kosten kenne er noch nicht. Die Kommune werde sie aber tragen müssen.

 

Die Umstellung auf den Digitalfunk hat sich im Freistaat immer wieder verzögert. Laut dem Innenministerium sind landesweit insgesamt 75 Prozent der Fahrzeuge im Bereich Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz auf das neue System umgerüstet. 

 

Langes Warten auf Förderung


Aus Sicht der sächsischen Grünen könnte die Umstellung allerdings schon viel weiter sein. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion im Landtag, spricht von einer erheblichen Verzögerung allein in diesem Jahr, weil Fördermittelbescheide nur schleppend bearbeitet worden seien. „Der Grund dafür ist die personelle Situation in der zuständigen Landesdirektion Sachsen.“ Zahlreiche Fördermittelanträge der Gemeinden seien von Januar bis Juli dieses Jahres liegen geblieben, weil Personal fehlte. Das gehe aus einer Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf Anfrage von Lippmann hervor. So sei in der Zeit etwa in den Landkreisen Mittelsachsen und Nordsachsen kein einziger Euro an Fördermitteln für den Digitalfunk geflossen, obwohl die Kommunen die Anträge in einigen Fällen bereits 2014 gestellt hatten. Auch im Vogtlandkreis und in der Stadt Dresden gebe es diesbezüglich Probleme. Laut Ulbig hat der Freistaat reagiert und im August zusätzliches Personal eingesetzt.

 

Weil die Kommunen die Kosten für die Umrüstung vorschießen müssen, kommt der Prozess nicht völlig zum Erliegen. Allerdings setzt das die Kommunen gehörig unter Druck. Im Landkreis Nordsachsen beispielsweise zögerten einige Kommunen wegen fehlender Planungssicherheit die Bestellung der Geräte hinaus, berichtet Ordnungsamtschef Frank Breitfeld. Aktuell seien 16 von 30 Gemeindefeuerwehren noch nicht umgerüstet.

 

Eine Erfolgsgeschichte wird der abhörsichere Funk nicht mehr. Ursprünglich sollte die Umrüstung in Deutschland zur Fußball-WM 2006 abgeschlossen sein. Doch Probleme bei der technischen Umsetzung und bei der Auftragsvergabe verzögerten die Einführung in allen Bundesländern immer wieder und machte sie teurer. Sachsen rechnete anfangs noch mit 141 Millionen Euro, musste die Ausgaben in den Folgejahren aber immer wieder nach oben korrigieren –  auf aktuell 344 Millionen bis 2021. Nicht in der Schätzung enthalten seien Maßnahmen wie die Errichtung einer Notstromversorgung für den Fall eines großflächigen Stromausfalls sowie Gelder für den Bau weiterer Basisstationen, heißt es aus Dresden. Bislang seien landesweit 257 Basisstationen errichtet worden, die mehr als 99 Prozent des Freistaates versorgen. Wegen topografischer Besonderheiten wie tiefe und enge Täler sei eine hundertprozentige Versorgung zurzeit allerdings nicht möglich. Hier müsse nachgebessert werden, so eine Ministeriumssprecherin.

 

Von Andreas Dunte