Rechtsrock-Konzert im Toggenburg: Wie Neonazis von Thüringen ins Toggenburg kamen

Erstveröffentlicht: 
19.10.2016

Im Gegensatz zu Deutschland geht von Rechtsextremen in der Schweiz wenig Gefahr aus. «Weiterhin ruhige Lage», betitelt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) in seinem aktuellen Lagebericht den kurzen Abschnitt zum Thema. 28 gewalttätige Ereignisse wurden im Jahr 2015 dem Rechtsextremismus zugeschrieben – dazu gehören auch Prügeleien untereinander.

 

Schweizer Verbindungen

 

Ähnlich tönt es in einem Bericht des Bundesrats zur «Sicherheitspolitik der Schweiz» von Ende August. Weil sowohl Rechts- wie Linksextremismus gesellschaftlich und politisch weitgehend isoliert seien, gebe es keine Hinweise darauf, dass sich die Szenen zu schweren Gewalttaten oder gar Terrorismus entwickelten. Allerdings könnten neue Impulse «vornehmlich von unseren Nachbarländern ausgehen», heisst es im Bericht des Bundesrats.

 

Tatsächlich stammten die Neonazis, die am vergangenen Wochenende zu Tausenden ins Toggenburg strömten, mehrheitlich aus Deutschland. Viele von ihnen fanden in der 3000 Personen fassenden Halle keinen Platz, um die Auftritte von Stahlgewitter, Confident of Victory, Frontalkraft, Amok, Makks Damage und Ekzess zu verfolgen. Dabei handelt es sich durchwegs um rechtsextreme Bands, die in ihrem Repertoire Lieder haben, deren Texte gegen die Schweizer Rassismusstrafnorm verstossen. Offenbar wurden diese Inhalte auch tatsächlich gesungen.

 

Ein wichtiger Verbindungsmann gegenüber den deutschen Veranstaltern dürfte der Sänger der Schweizer Rechtsrockband Amok gewesen sein. Der 28-Jährige gilt als Hauptverdächtiger bei der Attacke Anfang Juli vergangenen Jahres in Zürich Wiedikon gegen einen orthodoxen Juden. Nur wenig später, am 1. August 2015, trat er mit seiner Band an einem Skinhead-Konzert im zürcherischen Schönenberg auf. Der Sänger von Amok wird nicht nur der Zürcher Sektion des Netzwerks «Blood & Honour» zugerechnet, er soll auch enge Kontakte zu einer Wohngemeinschaft von Neonazis im deutschen Bundesland Thüringen pflegen.

 

Einiges weist darauf hin, dass das Skinhead-Konzert in Unterwasser auch von Thüringen aus organisiert worden ist. So wurde dort der Ticketverkauf über das Bankkonto eines einschlägig bekannten Neonazis abgewickelt. Offenbar war das Konzert bereits Ende August ausverkauft. Das schreibt das gut informierte Online-Portal «thueringenrechtsaussen». Die Bewilligung für das Konzert eingeholt hat laut Angaben der lokalen Behörde ein im Zürcher Oberland wohnhafter Deutscher. Auch er wird der Skinhead-Szene zugerechnet. Er soll an einem Tattoo-Studio in Rapperswil (SG) beteiligt sein, das insbesondere bei Neonazis, auch deutschen, beliebt ist.

 

Um den Austragungsort des Konzerts möglichst lange geheim zu halten, wurden die Besucher zunächst in den Raum Ulm gewiesen. Über eine Telefonnummer, die kurzfristig gewechselt wurde, konnten die Interessierten schliesslich Unterwasser als Ziel erfahren. Das Ganze verwirrte nicht nur die Polizeistellen und Nachrichtendienste, auch Besitzer von Tickets beschwerten sich beim Veranstalter namens «Reichsmusikkammer». Nach stundenlanger Anfahrt hätten sie mangels Information wieder umkehren müssen, heisst es in einem Facebook-Eintrag.

 

Weiteres Konzert angekündigt

 

Dass deutsche Neonazis für ihre Veranstaltungen ins nahe Ausland ausweichen, ist nicht neu. Ein Konzert anlässlich des 125. Geburtstags von Adolf Hitler fand im April 2014 im Elsass statt, ein andermal traf es Vorarlberg. Es kommt auch vor, dass gleichzeitig mehrere Konzertlokale gebucht werden für den Fall, dass eines vorzeitig auffliegt.

 

Für kommenden Samstag hat die rechtsextreme Pnos (Partei national orientierter Schweizer) ein weiteres Konzert mit einer einschlägigen Band angekündigt. Laut dem Portal Antifa Bern, das bereits das Neonazi-Konzert in Unterwasser publik gemacht hat, soll die Pnos-Veranstaltung in Rapperswil stattfinden.