Stadt Freiburg streitet wegen Flüchtlingen mit Land

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Erstveröffentlicht: 
21.04.2010

Roma - Von unserem Redakteur Joachim Röderer

Die Unterkünfte sind voll belegt: Seit Jahresanfang sind 137 Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Freiburg gekommen. Damit leben 850 Roma-Flüchtlinge in Freiburg — im übrigen Baden-Württemberg sind es nur weitere 250. Die Stadt liegt deswegen in Clinch mit dem Land. Die Landesregierung weigert sich, für eine bessere Verteilung zu sorgen. Sie will sich auch nicht an den Kosten beteiligen. In Stuttgart glaubt man, Freiburg werde von den Roma gezielt angesteuert, weil sich der Gemeinderat 2006 per Resolution für ein Bleiberecht ausgesprochen hat.


Die Zahl der Roma, die in Freiburg landen, ist konstant hoch: Es sind etwa zehn Menschen, die jede Woche aus dem ehemaligen Jugoslawien ankommen. Diese neue Fluchtwelle hat offenbar ihren Grund: Denn zum Jahresanfang ist Serbien dem sogenannten Schengen-Raum beigetreten. Das bedeutet konkret: Serbische Staatsbürger können für 90 Tage als Touristen in EU-Länder reisen. Die Stadt vermutet, dass Schleuserbanden Roma, die einen serbischen Pass besitzen, nach Deutschland bringen. Das bevorzugte und offenbar nahezu einzige Ziel in Baden-Württemberg scheint Freiburg zu sein. In Deutschland angekommen, werfen die Flüchtlinge ihren Pass weg. In Freiburg angekommen, beantragen sie weder Asyl noch reklamieren sie den Status als Flüchtlinge. Was wiederum heißt: Sie fallen unter die Kategorie "illegale Ausländer" — und diese werden nicht nach einem festgelegten Verteilerschlüssel von der Landeserfassungsstelle für Flüchtlinge auf ganz Baden-Württemberg verteilt. "Illegale Ausländer" , so das Landesgesetz, bleiben in der Stadt oder dem Landkreis, in dem sie sich gemeldet haben.

Hohe Belastung für Freiburg

Der Zustrom an neuen Migranten führe die Stadt logistisch und finanziell an ihre Grenzen, hat nun OB Dieter Salomon an Ministerpräsident Stefan Mappus geschrieben. Keine andere Stadt in Baden-Württemberg habe eine ähnliche hohe Anzahl an Flüchtlingen aus dem Kosovo aufnehmen müssen, so Salomon in dem Brief, aus dem jetzt die Stuttgarter Nachrichten zitierten. Salomon stellt gegenüber der BZ klar, dass es nur um die neu hinzugekommenen Flüchtlinge gehe und nicht um die Roma, die zum Teil schon seit 1999 in Freiburg lebten.

20 Millionen Euro habe danach die Stadt in den vergangenen fünf Jahren für die Flüchtlinge ausgegeben. Allein für die rund 140 Neuankömmlinge des Jahres 2010 müssten rund eine Million Euro aufgewendet werden, schätzt Finanzbürgermeister Otto Neideck. Die Stadt verlangt eine bessere Verteilung im Land: "Es kann nicht sein, dass wir hier bald Turnhallen belegen müssen und in anderen Städten und Kreisen stehen Flüchtlingsheime leer" , so Neideck. Er verlangt auch eine finanzielle Unterstützung vom Land. Neideck hat auch Gespräche mit dem Regierungspräsidium geführt — dort sieht man durchaus das Freiburger Problem und unterstützt die Stadt durch ein Schreiben an die Landesregierung.

Land will nicht eingreifen

In Stuttgart sieht man jedoch überhaupt keine Veranlassung, Freiburg bei dem Problem entgegen zu kommen. Alice Loyson-Siemering, die Sprecherin von Innenminister Heribert Rech, erklärt klipp und klar: Nach den Bestimmungen des Landes müsse ein illegal eingereister Ausländer in dem Stadt- oder Landkreis bleiben, in dem er sich gemeldet hat. "Deswegen kann es auch keine Verteilung auf andere Städte oder Kreise geben" , sagt die Sprecherin. Auch auf finanzielle Unterstützung könne die Stadt nicht hoffen. Und Loyson-Siemering verweist auf die Resolution für ein Bleiberecht der Roma, die der Freiburger Gemeinderat 2006 einstimmig verabschiedet hat. Im Ministerium sieht man darin offenbar so etwas wie eine Einladung an Flüchtlinge, sich in Freiburg niederzulassen.

Diesen Vorwurf weist man in Freiburg zurück. Es wird eng: Es wurden nahe der Neuen Messe bereits Container aufgestellt, es gibt Kritik und Debatten an der menschenunwürdigen Unterbringungen.
Die Kapazitäten in den Unterkünften sind bis auf 20 Restplätze erschöpft. Das Land dürfe sich nicht zurücklehnen, sagt Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach: Seit zehn Tagen, berichtet er, erhalten die Flüchtlinge von der Stadt kein Geld mehr, sondern nur noch Sachleistungen. Es bleibt die Hoffnung im Rathaus, dass wegen des nun fehlenden Bargelds das Interesse der Schleuser am Ziel Freiburg nachlässt.

McCabe: Abschreckungspolitik

Stadtrat Coinneach McCabe (Grüne Alternative) dagegen sieht keine Beweise, dass Schleuser überhaupt im Einsatz sind: "Das sind alles nur Vermutungen" , erklärt er. McCabe kritisiert auch das Umstellen der Stadt auf Sachleistungen — für ihn Teil einer Abschreckungspolitik: "Die Stadt gibt den Druck einfach nach unten an die Menschen weiter" .