Nach Angriff auf Afrikaner und seine Partnerin - Merseburger diskutieren Wegzug der Familie

Erstveröffentlicht: 
12.10.2016

In Merseburg wurden Ende vergangener Woche ein Afrikaner und seine deutsche Lebenspartnerin in ihrer Wohnung angegriffen. Zumindest einer der Täter hatte einen rechtsradikalen Hintergrund. Die Familie wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Auch die Täter sind wieder auf freiem Fuß. Das Problem: Sie leben im selben Wohnblock. Nun wird diskutiert, wie der Familie nach der Attacke geholfen werden kann.

von Manuela Lonitz, MDR AKTUELL

 

Donnerstagabend klingelt es bei dem 44-jährigen Mann aus Liberia an der Wohnungstür. Als er öffnet, stehen da zwei Männer, bewaffnet mit einem Schlagstock und einem Schlagring. Sie gehen auf den Afrikaner los. Als seine deutsche Lebensgefährtin ihm helfen will, wird auch sie angegriffen. Auch ihr fünfjähriges Enkelkind wird verletzt. So schildern es die Betroffenen später der Polizei. Die nimmt die Tatverdächtigen fest. Einer der beiden ist als Mitglied der rechten Szene bekannt, sagt Polizeisprecher Ralf Karlstedt. Mittlerweile sind beide wieder auf freiem Fuß.

 

"Um jemanden in Haft zu bekommen, brauchen Sie Haftgründe", erklärt Karlstedt. Haftgründe seien zum Beispiel Verdunkelungsgefahr, Wiederholungsgefahr oder die Schwere der Tat. "Keines dieser drei Kriterien traf zu. Deshalb mussten sie nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen auch wieder entlassen werden." 

 

Wegziehen oder nicht?


Doch das Problem: Die Täter leben im selben Wohnblock wie die Opfer. Deshalb ist nun eine Debatte entbrannt, wie es weitergehen soll. Sollten die Opfer ausziehen, damit ihnen nichts passiert? In der Merseburger Nachbarschaft herrscht keine Einigkeit. Einige wollen sich dazu gar nicht äußern, mancher hat eine radikale Forderung: "Dass die ausziehen, die Ausländer", sagt ein Passant. "Die sollen einen eigenen kompletten Block machen, wo die nur alleine unter sich sind."   

 

"Wenn alle anderen hinter denen stehen, sollten sie bleiben", heißt es dagegen von einem anderen Merseburger. Und: "Wenn alle Familien weggehen würden, dann werden die Täter dadurch ja noch bestärkt. Im Gegenteil, man müsste jetzt Betreuer finden, die die Familie unterstützen." 

 

Asylfeindliche Demonstrationen in Merseburg


Die mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Halle betreut die Familie bereits. In der Vergangenheit haben die Sozialarbeiter schon Betroffenen geraten wegzuziehen. Zum aktuellen Fall aber will man sich auf Wunsch der Familie nicht äußern. Auf der Straße in Merseburg kann ein Syrer die Angst der Überfallenen nachvollziehen. Sie sollten dort weg, meint er und ergänzt:

 

Als wir nach Merseburg gekommen sind, habe ich gehört, dass es viele Leute gibt, die Flüchtlinge nicht wollen. Ich hätte echt Angst.

Passant aus Syrien

 

Nicht ganz zu Unrecht, sagt Mario Bialek vom Netzwerk Weltoffener Saalekreis. Er beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der rechtsradikalen Szene in Sachsen-Anhalt. "Wir können zurückschauen auf das vergangene Jahr, da hatten wir in Merseburg wohl die höchste Anzahl von asylfeindlichen Demonstrationen", so Bialek. "Das waren Veranstaltungen, die sich konkret gegen Geflüchtete gerichtet haben im Stadtteil West." 

 

Täter sollen sich fern halten


Und auch bei gewalttätigen rechten Übergriffen sei der Saalekreis in den Statistiken der mobilen Opferberatung im oberen Mittelfeld zu finden, sagt Bialek. Um die überfallene Familie zu schützen, hat die Polizei mit den Tätern gesprochen. "Gefährderansprache" heißt das im Polizeijargon. Ein übliches Vorgehen, das sich bewährt habe, sagt Polizeisprecher Karlstedt. Sie wurden aufgefordert, sich von der Familie fern zu halten. Das werde auch überprüft.

 

Aktuell sucht die Polizei aber noch Zeugen für die Tat, denn einer der beiden Tatverdächtigen bestreitet, dabei gewesen zu sein. Der andere könne sich an nichts mehr erinnern. Beide waren zur Tatzeit betrunken.