Auf Umwegen zu einem besseren Bild der Migration

Erstveröffentlicht: 
20.04.2010

Missbrauchsbekämpfung hat auch für den neuen Amtschef Alard du Bois-Reymond Priorität

Alard du Bois-Reymond, neuer Direktor des Bundesamts für Migration, möchte die positiven Aspekte der Einwanderung besser hervortreten lassen. Als Voraussetzung dafür sieht er die Verringerung der Missbräuche.

 

Christoph Wehrli

 

Alard du Bois-Reymond hat die Leitung des Bundesamts für Migration (BfM) Anfang Jahr in einer Zeit übernommen, in der einiges im Gang war und ist: eine Änderung des Asylgesetzes, die Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes, die Beratung der Ausschaffungsinitiative, Diskussionen über die Personenfreizügigkeit – und eine tiefgreifende Reorganisation des Amtes selbst. Früher als Delegierter des IKRK tätig, dann Leiter von Pro Infirmis und zuletzt im Bundesamt für Sozialversicherungen für die IV zuständig, wusste er wenig vom neuen «Geschäft», wie er im Gespräch freimütig sagt. Diese Offenheit zeugt auch von einer gewissen Selbstsicherheit, wie sie in diesem exponierten Amt wohl nötig ist.

Sorgen mit Nigerianern

Welche Prioritäten hat er sich inzwischen gesetzt? Er sei frappiert, sagt er, dass die positiven Seiten der Migration aus der öffentlichen Diskussion fast verschwunden seien. Asylsuchende würden nicht mit der humanitären Tradition, sondern mit Missbrauch oder Kriminalität in Verbindung gebracht, und andere Ausländer sehe man mehr als Konkurrenten um Arbeitsplätze denn als gesellschaftliche Bereicherung an.

Du Bois-Reymond möchte, dass sein Amt dazu beiträgt, dies zu ändern – allerdings nicht naiv, mit einem Lob auf «Multikulti», sondern indem es die tatsächlichen Probleme angeht. Dabei stehen gegenwärtig die Migranten aus Nigeria im Vordergrund, 11 Prozent der Asylbewerber. Sie haben kaum je politische Fluchtgründe, sondern kommen, wie der BfM-Direktor unterstreicht, in der Absicht, Geld zu verdienen, und dies auch im Drogenhandel.

Um die Schweiz als solches Zielland unattraktiv zu machen, soll der ein bis zwei Jahre dauernde Aufenthalt bis zur unfreiwilligen Wiederausreise verkürzt werden. Eine Task-Force hat bald Vorschläge zu unterbreiten, was dafür zu tun sei. Wichtig ist neben Massnahmen der Kantone auch eine intensivere Mitwirkung der Behörden von Nigeria bei der Identifikation und der Rückführung der Weggewiesenen. Diese Zusammenarbeit funktioniere an sich gut, sagt du Bois-Reymond, doch sei sie nun zu erweitern und zu vertiefen. So könnte daraus eine Migrationspartnerschaft entwickelt werden, in der die Schweiz auch mehr Gegenleistungen erbringt.

Beispiel Invalide

Wird nun nicht doch wieder – wie schon bei all den Asylgesetzrevisionen seit den 1980er Jahren – in erster Linie von Missbrauch geredet? Du Bois-Reymond entgegnet, die Behörden seien verpflichtet, gegen Missbrauch vorzugehen – im Wissen, dass es ihn immer geben werde. Und er verweist auf die Erfahrung mit der Invalidenversicherung. Nachdem die Behörden auf die Vorwürfe («Scheininvalide») reagiert hätten, sei Handlungsspielraum entstanden, um mehrere hundert Millionen Franken für die Wiedereingliederung zur Verfügung zu stellen.

Bei der zweitgrössten Gruppe der Asylsuchenden, den Eritreern, seien die Verhältnisse anders als bei den Nigerianern, nämlich «vertrackt». Die Gewährung von Asyl an Dienstverweigerer – Folge eines Rekursentscheids – soll allerdings durch einen Zusatz im Flüchtlingsbegriff eingeschränkt werden. Konkret, sagt der BfM-Direktor, sei kein grundsätzlicher Wechsel zu erwarten.

Die ganze Gesetzesrevision soll der Bundesrat vor der Sommerpause verabschieden. Separat möchte du Bois-Reymond für Asylsuchende, die nach dem Dublin-Abkommen in einen anderen Staat zurückgeschickt werden, die Rekursfristen stark verkürzen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die faktische Verunmöglichung einer Einsprache in der Schweiz beanstandet hat.

Symbole und Initiativen

Eine gewisse Härte zeigt der Amtsdirektor im Weiteren in der Haltung gegenüber straffälligenAusländern. Die Verwaltung hat am Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative mitgewirkt. Damit wird den Stimmberechtigten – wenn auch der Nationalrat zustimmt – eine rechtlich korrekte Alternative vorgelegt. Nach einer Schätzung hätte der Gegenvorschlag zur Folge, dass sich die Zahl von ein paar hundert Wegweisungen pro Jahr verdoppeln würde.

Nur als präventive Missbrauchsbekämpfung versteht du Bois-Reymond die Bundesratsbeschlüsse zum etwas strikteren Vollzug des Freizügigkeitsabkommens. Ob er die seitens derWirtschaft geforderte Wiederaufstockung der Kontingente für Personen aus Nicht-EU-Staaten befürworten würde, verrät er nicht. Zur Halbierung der Zahl der Bewilligungen in der Krise meint er: «Signale sind wichtig in der Politik.»

Als reine Vollzugsbehörde betrachtet er das Migrationsamt selber nicht. Es habe auch Impulse zu geben. So wird nun ein Direktionsbereich «Migrationspolitik» geschaffen. Leiter wird Gottfried Zürcher, der schon Vizedirektor des damaligen Flüchtlingsamts gewesen war und mit der Erfahrung aus einem internationalen Zentrum in Wien zurückgekehrt ist. Die Reorganisation bringt im Übrigen Neuerungen wie die Orientierung an Prozessen statt an spezialisierten Tätigkeiten sowie eine Unruhe – ein ernannter Vizedirektor schied fünf Wochen später aus dem Amt –, von der man noch nicht weiss, wann und wie sie sich legen wird.