3. Oktober in Dresden Merkel fordert mehr Respekt

Erstveröffentlicht: 
04.10.2016

Die offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden sind von Pöbeleien gegen Politiker und geladene Gäste überschattet worden. Die Störgeräusche kamen nicht unerwartet, immerhin waren elf Demonstrationen angemeldet - darunter von der islamkritischen Pegida-Bewegung, von rechtskonservativen Gruppierungen und auch aus dem linken Spektrum. Die Feier gestört haben aber vor allem Pegida-Anhänger. Abermals blieben auch Pressevertreter von den Anfeindungen nicht verschont. Das dreitägige Bürgerfest ging reibungslos über die Bühne. Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen mit massiven Betonabsperrungen und Scharfschützen auf den Dächern der barocken Altstadt trübten aber die Stimmung.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Rande der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden zu gegenseitigem Respekt und Dialogbereitschaft aufgerufen. 26 Jahre nach der Wiedervereinigung sei der Tag der Einheit für die allermeisten Deutschen nach wie vor ein Tag der Freude und Dankbarkeit, sagte die CDU-Chefin. Es gebe aber auch neue Probleme, räumte sie ein.

 

Und ich persönlich wünsche mir, dass wir diese Probleme gemeinsam, in gegenseitigem Respekt, in der Akzeptanz sehr unterschiedlicher politischer Meinungen lösen, und dass wir auch gute Lösungen finden. 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

Bundestagspräsident Norbert Lammert plädierte in seiner Ansprache für mehr Optimismus im Land. Deutschlands Demokratie sei "in besserer Verfassung als jemals zuvor". Das Land stehe vor Herausforderungen, "die wir bewältigen müssen und können", betonte Lammert vor den rund 1.000 geladenen Gästen in der Semperoper. Dabei forderte der Bundestagspräsident dazu auf, in der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung "Mindestansprüchen der Zivilisation" zu genügen. Dazu zählten Respekt, Toleranz und die Achtung vor dem Rechtsstaat, vor der Meinungs- und vor der Religionsfreiheit. Die Deutschen hätten allen Grund zum Feiern, so Lammert. "Wir leben in Verhältnissen, um die uns fast die ganze Welt beneidet." 
Tillich beschämt wegen der Pöbler

Der sächsischen Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagte, mit Worten dürfe man gewisse Grenzen nicht überschreiten. "Beschämt erleben wir, dass Worte die Lunte legen können für Hass und Gewalt", sagte der amtierende Bundesratspräsident beim Festakt in der Semperoper. "Das ist menschenverachtend und zutiefst unpatriotisch. Dem stellen wir uns alle entgegen." Vor dem Festakt waren die Kanzlerin, Bundespräsident Joachim Gauck und andere Gäste vor allem von Pegida-Anhängern beschimpft worden. Tillich sagte in seiner Rede: "Wir alle müssen dafür sorgen, dass die gefährliche Saat, auch die des Populismus, nicht aufgeht."
Demonstranten versuchen zu stören

 

Vor der Frauenkirche hatten sich bereits am Morgen etliche Menschen versammelt und mit Plakaten und Trillerpfeifen gegen die Politiker und Gäste des Staatsaktes protestiert. Ein dunkelhäutiger Mann wurde angepöbelt. Am Rande des Sicherheitsbereiches am Neumarkt riefen Demonstranten "Merkel muss weg", "Volksverräter" oder "Haut ab". Unter den Rufern waren unter anderen Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann und augenscheinlich viele Anhänger des Bündnisses. Auch die Übertragung des Festaktes auf den Theaterplatz wurde gestört.

 

Die Veranstaltung in der Semperoper ist beendet #TdDE16 pic.twitter.com/U42wgSDjAM

— MDR SACHSEN Reporter (@MDR_SNlive) 3. Oktober 2016

 

Die Staatskanzlei Sachsen zeigte sich bestürzt über die Störer.

 

Wir sind traurig und beschämt über die Respektlosigkeit und den Hass der Pöbler bei den bisher friedlichen Feierlichkeiten zum #TdDE16

— Sachsen (@SachsenDe) 3. Oktober 2016

 

Ein Polizeisprecher erklärte auf Anfrage des MDR, die Versammlung auf dem Neumarkt sei nicht angemeldet gewesen. Da keine Gefahr für die geladenen Gäste bestand, habe man die Menschenansammlung jedoch geduldet. "Die verbalen Äußerungen beziehungsweise die Trillerpfeifen werten wir als Form der Meinungsäußerung. Vor diesem Hintergrund hat sich die Polizei gemeinsam mit der Stadt dazu entschieden, nicht einzugreifen." Abermals wurden auch Journalisten bedrängt und beschimpft.

 

2.600 Beamte waren im Einsatz. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden am Montag nochmals verstärkt, auch Scharfschützen waren positioniert worden. Seit Sonnabend feierten die Bürger in Dresden, die Innenstadt war mit Betonklötzen gesichert. Überschattet wurden die Feierlichkeiten bereits im Vorfeld von zwei Sprengstoffanschlägen in der vergangenen Woche, die glimpflich verliefen, sowie von Brandanschlägen auf drei Polizeifahrzeuge in der Nacht zum Sonntag. 

 

Elf Demos parallel zu Bürgerfest und Staatsakt angemeldet

 

Für den Sonntag waren elf Demonstrationen angemeldet, darunter eine Mahnwache für den Frieden und eine Kundgebung für Weltoffenheit und Toleranz. Mehrere asyl- und fremdenfeindliche Gruppen haben ebenfalls demonstriert, darunter das Pegida-Bündnis. Frontmann Lutz Bachmann waren nach Angaben der Forschungsgruppe "Durchgezählt" zwischen 4.000 und 4.800 Anhänger gefolgt, darunter auch erkennbar Neonazis. Unter anderem wurde der Rücktritt von Kanzlerin Merkel gefordert. Die Polizei musste im Nachgang viel Kritik einstecken, nachdem ein Polizist den Pegida-Anhängern einen "erfolgreichen Tag" gewünscht hatte. Polizeisprecher Thomas Geithner bezeichnete den Vorfall im Gespräch mit MDR SACHSEN als "ziemlich bitter". Die Äußerung stelle das Neutralitätsgebot der Polizei in Frage. Man werde den Vorfall mit dem entsprechenden Kollegen nachbereiten. Der Beamte hatte die Versammlungsauflagen verlesen - eigentlich Aufgabe des Veranstalters. Das Einschreiten der Polizei sei aufgrund eines Defekts an der Lautsprecheranlage von Pegida notwendig gewesen, hieß es.

 

Zeitgleich zur Pegida-Kundgebung beteiligten sich - allerdings Kilometer weit entfernt - unter der Brücke "Blaues Wunder" etwa 250 bis 300 Menschen an einer Demonstration des rechten Bündnisses "Festung Europa" der früheren Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling, die sich inzwischen von Bachmann distanziert. Auf der Elbbrücke versammelten sich etwa genauso viele Gegendemonstranten, die für ein offenes und buntes Dresden warben. Alle Demonstrationen fanden außerhalb des Festgeländes statt. Das Bürgerfest verlief ohne Störungen. An den drei Tagen kamen nach Angaben der Staatskanzlei rund 450.000 Menschen zu den Feierlichkeiten, ursprünglich war mit 750.000 Besuchern gerechnet worden.