Nazis in Friedberg - Rechte Szene macht mobil

Erstveröffentlicht: 
26.09.2016

Die Neonazi-Szene in der Wetterau tritt wieder offensiver auf – mit ihrem alten Anführer, der gerade eine Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verbüßt.

 

Auf den ersten Blick klingt es nach einem Theken-Streit, wie er jedes Wochenende irgendwo vorkommt. In einer Kneipe filmt ein Gast einen anderen, der will das nicht, die Situation eskaliert. Genauso bestätigt es eine Sprecherin der Polizei in Friedberg der Frankfurter Rundschau: In einer Gaststätte sei es in der Nacht zum vergangenen Sonntag zu einem Streit gekommen, weil ein Mann einen anderen gefilmt habe. Dieser sei sein Gegenüber daraufhin angegangen, jetzt ermittele man wegen Bedrohung. Die Hintergründe seien unklar, sagte die Sprecherin. Man suche dringend Augenzeugen.

 

Es spricht allerdings einiges dafür, dass der Kneipenstreit in der Friedberger Altstadt nicht so harmlos war, wie es den Anschein hat. Laut Andreas Balser von der „Antifaschistischen Bildungsinitiative“ (Antifabi) war es eine Gruppe Neonazis, die sich in dem Lokal versammelt hatte. Den Mann, der sie gefilmt habe, um ihr offensives Auftreten zu dokumentieren, hätten die Rechten zu sechst angegriffen, sie hätten ihn geschlagen und bedroht.

 

Überhaupt trete die rechte Szene in Friedberg und Umgebung seit einiger Zeit wieder sehr offensiv auf, sagte Balser der FR. „Die versuchen, ein dominantes Verhalten zu zeigen.“ Dazu passt, dass die Polizei ebenfalls am Sonntagmorgen fünf junge Leute in Friedberg festgehalten hat, die rechte Aufkleber an Schaufenster und Verkehrsschilder pappten.

 

Hintergrund der momentanen Dynamik in der Neonazi-Szene der Wetterau dürfte die Rückkehr einer alten Führungsfigur sein: Patrick W., besser bekannt unter seinem Spitznamen „Schlitzer“, ist laut FR-Informationen schon seit April im offenen Strafvollzug, er darf das Gefängnis in Gießen tagsüber verlassen. Dort verbüßt der 30-Jährige derzeit eine Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. 

 

Rückkehr eines Kaders


Ende 2012 war W. unter anderem wegen Drogenhandels, Waffenbesitz und Volksverhetzung verurteilt worden. Unter anderem hatte er auf seiner Hofreite in Echzell „Gaskammer-Partys“ veranstaltet, bei denen Kunstnebel aus an der Decke befestigten Duschköpfen strömte.

 

Seinen Freigang scheint W. zu nutzen, um an sein altes Leben anzuknüpfen: Im Netzwerk Instagram lädt er seit Wochen Fotos hoch, auf denen er demonstrativ mit alten Neonazi-Kameraden posiert, dabei trägt er T-Shirts der Szenemarke „Thor Steinar“ oder seiner früheren Kameradschaft „Old Brothers“. „Die Old Brothers sind zurück“ schrieb W. kürzlich zu einem dieser Fotos. Und zum Streit vom Sonntag äußerte W. sich auf Facebook. Die Antifabi stelle Menschen an den Pranger und sei „der kriminellste eingetragene Verein im Wetteraukreis“, schrieb er. Wenn man gegen seinen Willen fotografiert werde, müsse man eben „die Löschung der Bilder fordern“.