Marsch gegen Kultur des Wegsehens

Erstveröffentlicht: 
26.09.2016

"Wir zeigen unsere Freude über die Absage der hier in Weil geplanten Nazi-Demonstration ganz offen – dort wo sie hingehört, auf der Straße", heißt es bei der Kundgebung auf dem Schlaufenkreisel. Dass die Weiler Rechten sich zurückgezogen haben, rechnen sich die rund 250 Antifaschisten aus Süddeutschland, Frankreich und der Schweiz als Erfolg an. "Weitgehend störungsfrei", verlief auch aus Sicht der Polizei die Demonstration. Weniger positiv fiel hingegen die Bilanz bei den vielen Autofahrern aus, die teils über eine Dreiviertelstunde im Stau standen.

 

Als sich der Demonstrationszug knapp eine halbe Stunde verspätet – in der von der Polizei bereits der große Kreisel vor dem Rheincenter gesperrt worden war – vom Rheinpark aus in Bewegung setzte, hatten viele Autofahrer in der Colmarerstraße wie auch in der Zollstraße von Schweizer Seite her, längst reißausgenommen. Die Hupkonzerte waren bei den Übriggebliebenen der Resignation gewichen. Und das, was sich in Friedlingen abspielte, wiederholte sich später auf dem Zug nach Weil an jeder größeren Kreuzung.

 

Hilflos waren auch Fremde, die etwa die Tram nach Basel suchten, aber feststellten, dass sich da einfach nicht tut. Die Tram fuhr wegen der Demonstration nur bis nach Kleinhüningen.

 

Als die Kundgebung mitten im Schlaufenkreisel zelebriert wurde, blieben zwar etliche Passanten stehen und verfolgten das Geschehen aus sicherer Entfernung. Aber viel mehr als Kopfschütteln oder Schulterzucken ernteten die Demonstranten mit ihren Parolen nicht. "Für die Freiheit, für das Leben, Nazis von der Straße fegen", "Aufruhr, Widerstand, es gibt kein ruhiges Hinterland" oder "Nazis vertreiben, Bonzen enteignen, Flüchtlingen blieben" erklang es da im Wechsel mit den Hochrufen auf die Internationale und den faschistischen Widerstand.

 

Zuvor hatte der Zug in Friedlingen auf der Höhe des Hüninger Platzes bereits einen längeren Halt eingeschoben – unmittelbar vor dem Wohnhaus des Weiler NPD-Stadtrates Andreas Boltze und dem Elternhaus von Andreas Weigand. Weigand hatte als Vorsitzender des Ortsvereins der Partei "Die Rechte" ursprünglich genau gegenüber, auf dem Hüninger Platz, zu einer rechten Kundgebung, dem "Tag der europäischen Völker", geladen. Nach verschiedenen Aktionen der Antifaschisten hatte er die Veranstaltung aber abgesagt. "Vielleicht sind sie ja gerade da. Sagen wir ihnen Hallo", erschallte es über Lautsprecher, woraufhin die Menge ihren Schlachtruf "Alerta Antifacista!" anstimmte.

 

Immer wieder bezogen sich die verschiedenen Redner, die aus Angst vor Nazi-Nachstellungen anonym und verdeckt aus dem Kundgebungsfahrzeug heraus sprachen, auf die Weiler Bürger und die Aktion des Bündnisses Miteinander. Dass die sich nicht den Nazis direkt entgegenstellten, sondern eine Woche zuvor zu einem friedlichen Sternmarsch geladen hatten, kritisierten sie als Ignoranz und Kultur des Wegsehens, der sie den aktiven Widerstand gegen Rechts entgegen stellen.

 

Um 16.30 Uhr endete der Zug am Bahnhof, nachdem die Demonstranten am Berliner Platz, dem Ort der Abschlusskundgebung, wo die Demo auch offiziell aufgelöst worden war, kurzerhand beschlossen hatten, auch den Rückweg durch die Hauptstraße bis zur Tramhaltestelle noch einmal gemeinsam zu machen.

 

Zwischenfälle oder auch Sachbeschädigungen blieben aus. Die Polizei, die rund einhundert Beamte im Einsatz hatte und von Kollegen der Bereitschaftspolizei Bruchsal verstärkt wurde, ermittelt wegen verschiedener Sachverhalte, unter anderem wegen des Abbrennens eines bengalischen Feuers.