Die Mackenroth-Medaille

Geert Mackenroth Bildquelle: Steffen Prößdorf

Im an Skurrilitäten nicht gerade armen Bundesland Sachsen gibt es nun endlich einen Preis für schräge Zusammenhänge und misslungene Argumentationen: die Mackenroth-Medaille. Eingeführt wurde sie von Geert Mackenroth, seineszeichens Ausländerbeauftragter in Sachsen, Mitglied der CDU Sachsen, ehemaliger Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Meißen, direkt gewählt im Wahlkreis Meißen I.

 

Nachdem in Bautzen 80 Nazis 20 Geflüchtete durch die Stadt gejagt hatten, Nazis tagelang den Kornmarkt in Bautzen ausländerfrei hielten, sah sich auch der Interessenvertreter der Geflüchteten bei der Sächsischen Regierung, der Ausländerbeauftragte Geert Mackenroht, befähigt, sich zum Thema zu äußern.

 

Wir fassen zusammen: Der Interessenvertreter der Geflüchteten begrüßt ausdrücklich Maßnahmen, die gegen die jugendlichen Geflüchteten gerichtet sind (die unabhängig von der Frage, wie sehr sie die Nazis provoziert haben, vor allem eines sind: die Hauptbetroffenen der Bautzner Eskalation). Auf der anderen Seite fordert er einen sozialarbeiterischen Ansatz im Umgang mit Neonazis. Als ob dieser – gerade in Sachsen – nicht schon vor 25 Jahren grandios gescheitert ist. Aber das reicht natürlich noch nicht: Mackenroth behauptet auch noch, Nazis und Geflüchtete seien „zwei Seiten einer Medaille“, die man „zusammenbringen“ müsse. Mackenroth fordert, Nazis kontrolliert auf Geflüchtete loszulassen.

 

Dieser gefährliche Unsinn läßt gewaltig an Mackenroths Zurechnungsfähigkeit zweifeln, die Eignung für das Amt kann man ihm aber schon jetzt getrost absprechen.

 

Wir nehmen uns Mackenroths Pressemitteilung trotzdem nochmal genauer vor.

 

„Bei uns darf jeder seine Meinung sagen und dafür auch demonstrieren, auch gegen oder für die Flüchtlingspolitik. Gewalt, Verletzungen, Straftaten, Hass und Rassismus wird unsere Gesellschaft aber nicht tolerieren. Der wehrhafte Rechtsstaat wird darauf zu antworten wissen.“

Eine direkte Antwort auf die Naziaufläufe in Bautzen hat der wehrhafte, sächsische Rechtsstaat allerdings noch nicht ganz gefunden: Der Bautzener Kornmarkt wird seit Tagen von rassistischen, hasserfüllten, gewaltbereiten Neonazis dominiert, die sich sogar in der Lage wähnen, den Bautzener OBM zu erpressen.

 

„Nach Mackenroths Einschätzung ist in Bautzen eine beängstigende Gemengelage entstanden.“

 

Die Dinge ja nicht beim Namen nennen! Nicht, dass sich daraus noch fast schon logische Handlungsempfehlungen ergeben.

 

„Unabhängig von der notwendigen weiteren Aufklärung des Sachverhalts und der Feststellung und Ahndung von Straftaten hätten beteiligte Gruppen und die hinter ihnen Stehenden Bautzen möglicherweise als strategisches Ziel für eine Art Stellvertreterkrieg ausgewählt.“

 

Meint Mackenroth jetzt die Nazis? Aber wer steht hinter den Nazis? Oder gehören auch die Geflüchteten zu Mackenroths „beteiligten Gruppen“, die ja insofern beteiligt sind, als sie von den Nazis gejagt werden? Und wenn ja: Haben sich dann die Hintermänner der Nazis und der Geflüchteten abgesprochen und Bautzen „ausgewählt“? Oder haben doch nur Nazis Bautzen als „strategisches Ziel“ (sic!) gewählt für einen „Stellvertreterkrieg“? Wer aber vertritt hier wen? Warum agieren die Hintermänner nicht offen? Diese Verschwörungstheorie der Marke Mackenroth ist in ihrer Gänze nicht zu begreifen. Es bleibt völlig unklar, was Mackenroth eigentlich sagen will. Wie kommt Mackenroth auf solchen Unfug? Wer sind Mackenroths Hintermänner?

 

„Mackenroth begrüßte die in Abstimmung zwischen Stadt, Landkreis und Polizei angeordneten kurzfristigen Maßnahmen wie die erhöhte Polizeipräsenz, das Alkohol- und Ausgehverbot, die Feststellung von Rädelsführern und deren räumliche Trennung. Zudem könne die Abschaltung des öffentlichen W-LANs in den Abend- und Nachtstunden möglicherweise helfen.“

 

Geert Mackenroth hat vier Kinder. Deshalb weiß er, dass man Jugendliche, die sich ungehörig benehmen und dann von Nazis durch die Stadt gejagt werden, abends einsperren und sie mit allerhand Verboten belegen sollte. Im Hintergrund sollte immer jemand mit einem Schlagstock bereit stehen. Wenn man ihnen dann noch Gameboy, Fernseher und Internet wegnimmt und sie ins Internat (jedes Kind in ein anderes) steckt, dann werden das gute Menschen.

Was übrigens auch helfen könnte: statt nur das WLAN, könnte man auch einfach sämtliche öffentliche Infrastruktur abschalten. Oder den Kornmarkt sprengen. Dann geht da bestimmt auch niemand mehr hin.

 

„Mittel- und langfristig müssen wir Strategien entwickeln, wie wir beide Seiten zusammenbringen: Auf der rechtsextremen Seite haben wir es oft auch mit toleranz- und demokratiefernen Schichten zu tun, die wir wieder zurückgewinnen müssen“, so Mackenroth. „Wichtig ist mir, dass die unbegleiteten minderjährigen Ausländer nicht unbeschäftigt bleiben und so auf dumme Gedanken kommen.“

 

Knute, Strafen, Zwangsarbeit: Mackenroths Ideen für die Betroffenen, jugendliche Geflüchtete. Die Nazis bekommen ein lustiges Zurück‑Gewinnspiel. Und sie haben einen neuen Namen: „toleranz- und demokratieferne Schichten“. Mal was Neues für die ewig „besorgten Bürger“.

 

„Es seien zwei Seiten einer Medaille, wenn einerseits Flüchtlinge zu integrieren seien und andererseits Rechtsradikale von den Vorteilen von Toleranz und Demokratie überzeugt werden sollen. Deutschland sei im Vergleich mit vielen Ländern ein demokratisches Paradies, von dem alle profitieren und für das alle aktiv eintreten müssen.“

 

„Beide Seiten zusammenbringen“, „zwei Seiten einer Medaille“. Nazis. Geflüchtete. Die Mackenroth-Medaille.

 

Wenn ich jetzt Nazis durch die Stadt jage, kriegen die dann auch Ausgangssperre und Alkoholverbot?! #bautzen #AnneWill

— jan tölva (@jntlv) 18. September 2016

Wenn ich @geertmackenroth morgen durch #Bautzen jage: will er sich dann auch mit mir zusammenbringen?

— Bernd Schneider (@panzerfee) 18. September 2016

 

Btw. und wirklich nur ganz am Rande. Sachsen ist kein Paradies, vor allem kein demokratisches. Dafür trägt die seit 25 Jahren durchregierende CDU auch ein wenig Verantwortung.

 

Wie Mackenroth Ausländerbeauftragter wurde, oder besser gefragt: aufgrund welcher Qualifikation, ist ein wohlgehütetes Geheimnis – weder Mackenroths Lebenslauf noch sein Wikipedia-Eintrag geben irgendwelche Hinweise. Vermuten ließe sich hier ein Zusammenhang zum Wahlkreis Meißen: Immerhin sind die dort direkt gewählten Abgeordneten der CDU sowas wie die Saxomat-Spitzenfunktionäre.

 

Erinnert sei an den weinpolitischen Sprecher der CDU Sebastian Fischer, der sich während des „Weinskandales“ in Sachsen eher bedeckt hielt und sonst mit allerhand fragwürdigen Patriotismen begeistert, oder an die – dem Feminismus eher kritisch zugewandte – „frauenpolitische“ Sprecherin Daniela Kuge, die sich im letzten Jahr vor allem gegen „zu viele“ AsylbewerberInnen im Kreis Meissen engagierte.

 

Positiv heraus sticht allerdings Olaf-Schubert-Double und Parlamentspräsident Dr. Mathias Rösler. Die anderen Meissner CDU-Abgeordneten sind nicht nur mit eigenartigen Ämtern gesegnete Hinterbänkler, sondern eben auch selbst für sächsische CDU-Verhältnisse außergewöhnlich unglücklich agierende Politiker. Über Geert Mackenroths politische Positionen weiß Wikipedia nur folgendes:

 

Vielleicht haben sich die hinter den merkfernen Schichten der Meißner CDU-Gruppe Stehenden Meißen als strategisches Ziel ihrer Stellvertreterüberlegungen für völlig irrelevant gehaltene Posten ausgesucht. Dann kamen Weinskandal und Rassismuskrise. Dummerweise fallen die deswegen jetzt in der Öffentlichkeit auf. YOLO.

 


HIDDENTRACK:

 

Lieber Geert Mackenroth,

bitte gehen Sie nach Hause. Sie haben offensichtlich keinerlei sinnvolle Ideen oder Vorschläge, sie vertreten offensichtlich in keinster Weise die Interessen der „Ausländer“ respektive Geflüchteten in Sachsen. Ihre Pressemitteilung ist eine Offenbarung. Nichtmal in Ihrer eigenen Partei werden sie so irgendetwas – ob nun zum Besseren oder Schlechteren der von Ihnen vertretenen „Gruppe“ – verändern können. Das muss doch auch für Sie frustrierend sein!

Lieber Geert Mackenroth: Bitte gehen Sie nach Hause, malträtieren Sie die eigenen Kinder. Wir informieren schonmal das Jugendamt.

Hoffnungsarm:

Ihre Saxomat-Redaktion.