Antiterroreinsatz in Leipzig: So katastrophal lief die Aktion wirklich

Morgens an vorderster Front im Antiterrorkampf - Revierbeamter mit Uralt-Weste, die im Ernstfall nicht wirklich schützt (li.). Erst sieben Stunden nach dem Terroralarm im Einsatz: Spezialbeamter mit modernster Schutzausrüstung (re.).
Erstveröffentlicht: 
09.09.2016

Leipzig - Der Antiterroreinsatz am Dienstag am Leipziger Hotel Fürstenhof hat gravierende Mängel bei der sächsischen Polizei aufgezeigt.

 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht ihre Beamten dadurch gefährdet.

 

Es war eine wild zusammengewürfelte Truppe aus Revierpolizisten, die nach der Anschlagsdrohung als Erste am Hotel erschien. Die Ausrüstung dieser Beamten glich einem kunterbunten Mix aus mehreren Jahrzehnten Polizeitechnik. Manche hatten bereits die neuen Schutzwesten am Körper, andere längst ausgemustert geglaubte Leibchen.

 

Über Stunden mussten diese bedauernswerten Kräfte die Stellung halten. Von der Polizeiführung in den Glauben versetzt, dass jederzeit ein terroristischer Angriff erfolgen könnte.

 

Erst gegen 10.10 Uhr, mithin mehr als sieben Stunden nach der Alarmierung, marschierten dann hochgerüstete Spezialkräfte der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) auf. Ausgestattet mit Kampfanzügen, modernsten Westen und ballistischen Helmen übernahmen sie für die restlichen vier Stunden bis zur Entwarnung die Sicherung des Hotels.

 

„Das dauert viel zu lange, bis die Leute vor Ort sind, die für Antiterroreinsätze ausgerüstet und ausgebildet sind“, kritisiert Sachsens GdP-Chef Hagen Husgen. Die Beamten aus den Revieren, die immer als Erste vor Ort sind, seien außerdem am schlechtesten ausgerüstet. Husgen: „Das ist für die Kollegen sehr gefährlich.“

 

Für die GdP war der Fürstenhof-Einsatz zudem ein erneuter Beleg dafür, dass Sachsens Polizei personell viel zu ausgedünnt ist. Denn dass die BFE erst so spät anrückte, lag daran, dass sie aus Chemnitz geholt werden musste. Bereitschaftspolizei-Einheiten und Leipziger BFE waren aufgrund ihres Legida-Einsatzes am Vortag nicht einsatzbereit.

 

Husgen: „Um solche Lagen sicher zu beherrschen, braucht Sachsens Bereitschaftspolizei dringend fünf weitere Hundertschaften.“

 

Sieben Stunden!


Ein Kommentar von Alexander Bischoff


So unterschiedlich kann die Sicht auf ein und dasselbe Ereignis sein: Während Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) den Antiterroreinsatz am Leipziger Hotel Fürstenhof als Beleg dafür sah, „... wie gut die sächsische Polizei aufgestellt ist“, betrachtet Sachsens Chef-Polizeigewerkschafter Hagen Husgen denselben Einsatz als Offenbarung gravierender Mängel und personeller Not.

 

Vielleicht hat man dem Minister ja nur die Bilder gezeigt, die nach 10.10 Uhr am Hotel entstanden. Als bestens ausgerüstete Einheiten vor Dutzenden Kameras in martialischer Pose das Hotel sicherten. Und ab 12 Uhr (!) ein Polizeihubschrauber für 50 Minuten kameragerecht über dem Fürstenhof kreiste.

 

Hätte Ulbig hingegen das Einsatzgeschehen vor 10.10 Uhr beobachtet - er hätte sich sicher jedes (Eigen-)Lob verkniffen. Denn erst sieben Stunden nach der Anschlagsdrohung waren die aus Chemnitz herangezogenen Spezialkräfte vor Ort - weil in Leipzig keine adäquaten Einheiten einsatzbereit waren.

 

In diesen sieben Stunden erledigten allenfalls mäßig ausgerüstete Revierpolizisten den Job. Einen verdammt gefährlichen Job, denn die Einsatzleitung war nach einer ersten Sichtung im Hotel davon ausgegangen, dass der angedrohte terroristische Anschlag von außen geführt werden würde.

 

Wir zeigen in unserer heutigen Ausgabe das Foto des Polizisten mit der viel zu kurzen Uralt-Weste. Das machen wir nicht, um diesen Beamten der Lächerlichkeit preiszugeben. Sondern um Minister Ulbig mal zu zeigen, wer alles in Leipzig in vorderster Linie in den Antiterrorkampf geschickt wurde. Möge Sachsens oberster Innenpolitiker vielleicht noch einmal darüber nachdenken, ob seine Polizei wirklich so gut aufgestellt ist ...