Migranten als erfolgreiche Firmengründer im Ruhrgebiet

Erstveröffentlicht: 
12.08.2016

Berlin/Essen.  1,3 Millionen Jobs in Deutschland wurden seit 2005 von Unternehmern mit Zuwanderungsgeschichte geschaffen – 300 000 allein in NRW.

 

Canan Karadags Unternehmen schreibt eine Erfolgsgeschichte. In den 1980er-Jahren kommen er und seine Familie ins Ruhrgebiet. Geld haben sie nicht viel, dafür eine Idee: 1995 eröffnen sie in Köln einen türkischen Supermarkt. „Die Anfangszeit hat uns viel Schmerzen bereitet“, sagt Karadag. Die Familie arbeitet hart, verzichtet auf vieles. Heute gehören der Familie zehn Geschäfte mit 78 Angestellten. „Das war unser Ziel von Anfang an“, sagt Karadag. Das größte Problem: gute Mitarbeiter zu finden. „Wir brauchen qualifiziertes Personal, das die türkische und deutsche Sprache beherrscht“, sagt der 38-Jährige.

 

50 Prozent mehr ausländische Unternehmen im Ruhrgebiet

 

Karadags Weg ist ein Beleg für die Ergebnisse der aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung. Menschen mit Migrationshintergrund beleben Deutschlands Wirtschaft und schaffen als Arbeitgeber Jobs. Bundesweit entstanden seit 2005 rund 1,3 Millionen Arbeitsplätze durch Migranten, 300.000 allein in NRW. Das Klischee vom Dönerimbiss, vom Kiosk an der Ecke, vom Schrotthändler mit kleiner Kundschaft ist längst überholt. 2014 war fast die Hälfte der Selbstständigen mit ausländischen Wurzeln im Dienstleistungsbereich außerhalb von Handel und Gastronomie beschäftigt. Jeder Fünfte arbeitet in der Baubranche oder im verarbeitenden Gewerbe. Insgesamt stieg der Anteil der selbstständigen Unternehmer mit Migrationshintergrund um rund ein Viertel, von etwa 567.000 auf 709.000.

 

Laut Studie verdienen die Unternehmenschefs mit ausländischen Wurzeln im Durchschnitt rund 2167 Euro pro Monat. Das sind 40 Prozent mehr als abhängig beschäftigte Migranten. Wer mehrere Angestellte hat, dessen Verdienst liegt laut Erhebung sogar bei etwa 2994 Euro. Allerdings ist das immer noch rund ein Drittel weniger Geld, als Selbstständige ohne Mi­grationsgeschichte bekommen.

 

Der unternehmerische Erfolg der Zuwanderer unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. In NRW gibt es dank der Migrantenunternehmen die meisten Jobs. Erst kürzlich haben die Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet die Zahl und Branchen ausländischer Firmen im Handel, für Dienstleistungen und Industrie untersucht. Ergebnis: Im Ruhrgebiet ist der Anteil ausländischer Unternehmen seit 2008 um rund 50 Prozent auf fast 26.000 gestiegen. „Mehr als jede zehnte Firma in der Region ist in ausländischem Mehrheitsbesitz oder wurde von einem ausländischen Mitbürger gegründet“, sagt Marc Meckle von der IHK Essen. Rund 190.000 Menschen arbeiten für die Firmen.

 

Man sollte auch Hilfe von Experten annehmen

 

Bei den Kleingewerbetreibenden bilden Türken, Polen, Italiener und Rumänen die größten Gruppen im Ruhrgebiet. „Es wagen immer mehr den Schritt in die Selbstständigkeit und hier immer häufiger in den Dienstleistungsbereichen“, sagt Meckle. Dieser Trend werde anhalten, vermutet der Experte. „Die Bereitschaft, das Risiko einzugehen, ist bei vielen eher gegeben.“

 

Was für Handel, Industrie und Dienstleistungen gilt, zählt auch für das Handwerk. „Das Handwerk hat sich stets für Migranten und Flüchtlinge geöffnet“, heißt es beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. Vor allem viele Deutschrussen seien als Meister in verschiedenen Berufen tätig. In den 1990er-Jahren habe es etliche nach Deutschland verschlagen, die sich mit dem Gesellen- und Meisterbrief weiterqualifizierten. Menschen mit türkischen Wurzeln, aus Polen, dem ehemaligen Jugoslawien und aus Südeuropa arbeiten in allen Bereichen des Handwerks, vom Bau bis zur Augenoptik.

 

Unternehmer Karadag wünscht sich mehr Firmenchefs mit Migrationshintergrund. Fleißig sollte man sein – und auch Hilfe von Experten annehmen, sagt er. Unterstützung beim Businessplan, bei der Finanzierung der Geschäftsidee und wenn erste Probleme im Alltag auftauchen, hätten er und seine Familie oft gebrauchen können. Auch dieser Aspekt taucht in der Studie auf: Kammer und Verbände müssen ihr Beratungsangebot stärker für Migranten öffnen.