Thomas Wagner: Was geschah in Venedig?

Erstveröffentlicht: 
28.07.2016
Kurz vor seinem Tod ging Unister-Chef Thomas Wagner einen dubiosen Deal ein. Er wurde betrogen. Die Frage ist: von wem?

 

Die letzte Reise von Unister-Chef Thomas Wagner wäre Stoff für einen Thriller, nein, für gleich mehrere. Es geht um einen Millionendeal in Venedig, um Betrug und den Absturz eines Charterflugzeugs, das am 14. Juli, eine halbe Stunde nach dem Start in Italien, in einem slowenischen Wald zerschellte. Neben Wagner starben sein Mitgesellschafter Oliver Schilling, ein Banker und der 73-jährige Pilot des Privatjets. An der Unglücksstelle fand die slowenische Polizei die verbrannten Leichen und 10.000 Schweizer Franken. Die Überreste eines dubiosen Geschäfts, bei dem alles schiefgegangen ist.

 

Seither versuchen Ermittler und Menschen, die Wagner nahestanden, die Details der Reise zu rekonstruieren. Dabei ist es nicht immer leicht, Fakten und Fantasie zu trennen: Vieles, was sich als wahr erweist, klingt einfach zu abenteuerlich.

 

Die Vorgeschichte reicht einige Monate zurück. Wagner suchte nach Geld für seine Firma, wohl verzweifelt, denn er wählte unübliche Wege. Bekannte von ihm aus Leipzig, meist aus der Immobilienbranche, empfahlen ihm ein spezielles Kreditgeschäft. Es sah vor, dass Wagner eine gewisse Summe in bar als Sicherheit mitbringen sollte, um im Gegenzug einen Kredit zu erhalten – die Rede ist von zwölf Millionen Euro. Die Vermittlung des Kredits, den angeblich ein israelischer Diamantenhändler in Venedig gewähren würde, übernahm laut manager magazin ein Kreis ehemaliger Banker. Demnach besprachen vier ältere Herren Ende Juni in einem Hotel in Hannover die Details. Wiedersehen wird sich das Quartett nicht. Finanzvermittler Heinz B. saß mit in dem abgestürzten Flugzeug. Die drei anderen Männer reden nach dem tödlichen Ausgang des Geschäfts nicht öffentlich. Besonders interessant ist dabei die Rolle des früheren Bankers K. – der in Venedig mit dabei war. Dorthin reiste er im Auto. Anscheinend hat ihm seine Flugangst das Leben gerettet.

 

In Venedig traf Thomas Wagner tatsächlich einen Herrn, der sich als Diamantenhändler namens Levy Vass ausgab – was erfunden war. Dem übergab Wagner 1,5 Millionen Euro, die er aus Leipzig mitgebracht hatte. Im Gegenzug sollte er umgerechnet zwölf Millionen Euro in Schweizer Franken bekommen. Die Geldübergabe fand statt, aber kurz danach erkannte Wagner, dass man ihn betrogen hatte: Nur die oberste Geldschicht in dem erhaltenen Koffer war echt, darunter lagen Blüten. Wagner erstattete Anzeige bei der italienischen Polizei. Am nächsten Morgen traten er und seine Begleiter die Rückreise nach Leipzig an. Wieso ihr Flugzeug dabei abstürzte, ist noch unklar. Es soll stark vereist gewesen sein.

 

Schon kurz nach dem Crash kursierten in Leipzig ziemlich wilde Theorien über die Hintergründe des Unglücks und des Betrugs. Nicht wenige aus Wagners engstem Zirkel glauben, jemand habe ihn in eine Falle gelockt, ihn zu dem Kreditgeschäft verleitet, um ihm und seinem Unternehmen zu schaden. Aber was daran ist haltloses Gerede, was könnte stimmen?

 

Fakt ist: Rund um Thomas Wagner gab es schon länger Konflikte, die Unister-Welt hatte sich in Lager aufgeteilt, in das von Wagner und das seiner früheren Nummer zwei, Daniel Kirchhof. Sie trennten sich im Streit, aber Kirchhof ist noch Teilhaber.

 

Fragen wirft nun zum Beispiel die Rolle einer anderen Person auf: Reinhard Rade, der aus der Leipziger Immobilienbranche kommt und eine Zeit lang im Umfeld von Unister tätig war.

 

"Herrn Rade kenne ich seit Ende 2012", sagt Unister-Mitgründer Kirchhof. "Er hat mir gegenüber etwa eine Woche vor der Venedig-Reise vage Andeutungen gemacht, dass ein Kreditgeschäft im Gange wäre. Das klang für mich alles sehr unglaubwürdig und war auch für den sehr misstrauischen Thomas Wagner ein untypisches Verhalten. Ich habe mich deshalb nicht weiter damit befasst. Mir fehlte es ohnehin an jeglicher Einflussmöglichkeit."

 

Rade habe auch einen Plan erwähnt, so Kirchhof. "Rade hat mir gesagt, dass er Thomas Wagner gegebenenfalls mit einer Anzeige stoppen will", erklärt Kirchhof. "Ich hatte zu den handelnden Personen noch nie Kontakt, ich kenne diese Leute alle nicht. Was Rade letztendlich unternommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis."

 

Im Gespräch mit der ZEIT bestätigt Rade, dass er von dem Kreditgeschäft schon früh gewusst und dieses für einen Fall für die Polizei gehalten habe. Später ist er für weitere Nachfragen nicht erreichbar.

 

Vor einigen Tagen hat Daniel Kirchhof Strafanzeige erstattet, um den Venedig-Trip aufklären zu lassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugsverdachts. Es sind in diesem Fall noch sehr viele Fragen offen.