Asylpolitik in Sachsen: Zahl der Asylsuchenden in Sachsen ging seit Januar deutlich zurück, dafür wurden die Abschiebungen verdoppelt

Erstveröffentlicht: 
22.07.2016

Die Zahlen sprechen für sich: 9.001 Asylbewerber hat Sachsen bis zum 30. Juli aufgenommen. Das waren schon sichtlich weniger als zum selben Zeitpunkt im Vorjahr, als bis zu diesem Zeitpunkt schon 10.498 Asylbewerber gezählt wurden. Die großen Zahlen entstanden ja auch in Sachsen erst im zweiten Halbjahr. Am Jahresende waren dann 69.900 Asylbewerber gezählt worden.

 

Seit Jahresbeginn aber ist ja bekanntlich die wichtigste Fluchtroute über Griechenland dicht. Ein fadenscheiniger Deal der EU mit der Türkei hat die Flüchtlingszahlen deutlich sinken lassen. Wenn es bei dieser Situation bleibt, der die Flüchtlinge wieder über die deutlich gefährlichere Italienroute zwingt, dann werden bis Jahresende gerade einmal 20.000 Menschen in Sachsen Asyl gesucht haben.

 

Die Zahl der Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen hat der Freistaat deshalb schon jetzt wieder deutlich reduziert, nachdem sie im Herbst 2015 in panischer Eile in Turnhallen und ehemaligen Baumärkten aus dem Boden gestampft worden waren. Aus einer Kapazität von 3.320 Plätzen hatte man binnen sechs Monaten eine Aufnahmekapazität von 19.421 gemacht. Selbst eine Halle der Leipziger Messe wurde ja kurzzeitig zur Erstaufnahmeeinrichtung gemacht. Aber mit dem Grenzschluss bei Idomeni und dem Deal mit der Türkei sind die Zahlen sofort deutlich zurückgegangen.

 

Ab Mai 2016 hat der Freistaat deshalb die Zahl der Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen halbiert – 9.858 Plätze stehen noch zur Verfügung, die aber selbst bei Weitem nicht mehr ausgelastet sind. Nur noch 2.508 Asylbewerber befanden sich am 20. Juli in den Erstaufnahmeeinrichtungen.

 

Die Hauptlast der Unterbringung tragen seit Herbst sowieso die Kommunen, die von den derzeit untergebrachten 36.249 Asylbewerbern in Sachsen 33.428 in ihrer Betreuung haben.

 

Spitzenmonat bei den Zugängen neuer Asylsuchender war übrigens der November 2015, als allein 16.862 Menschen Asyl in Sachsen suchten. Das war der Moment, als der Freistaat selbst mit allem Druck versuchte, diese Menschen möglichst schnell in die Kommunen weiterzuvermitteln. „Zuteilung“ heißt das im Amtsdeutsch, denn Asylsuchende werden ja in Deutschland nach Schlüssel verteilt – innerhalb der Bundesländer gilt der Königssteiner Schlüssel, nach dem rund 5 Prozent der Asylsuchenden nach Sachsen gelenkt werden. Innerhalb Sachsens geht es dann – auf Kreisebene – nach Einwohnerzahlen, so dass die Großstädte Dresden und Leipzig auch jeweils die größten Zuweisungszahlen haben.

 

Spitze in diesen Zuweisungen war übrigens der Dezember, als der Freistaat 7.444 Asylbewerber in die Kommunen verteilte, fast soviel, wie im gleichen Monat nach Sachsen kamen: 8.080.

 

Ab Januar haben sich die Zahlen mehr als halbiert und sind mit Zunahme der drakonischen Maßnahmen in Griechenland immer weiter gesunken. Im Juni kamen nur noch 1.253 Asylbewerber nach Sachsen.

 

Was dem sächsischen Innenministerium neue Freiräume eröffnet. Denn das Jahr 2016 hat das Ministerium genutzt, um die Abschiebezahlen deutlich zu erhöhen. Gab es im ganzen Jahr 2014 nur 1.043 Abschiebungen, so wurde schon allein im ersten Halbjahr die Zahl von 2.245 Abschiebungen erreicht. Abschiebungen: Das sind immer Menschen, die meist mit großen Strapazen und viel Hoffnung nach Deutschland gekommen sind – und nun, oft mit polizeilicher Gewalt, zurückgeschickt werden. Und das sind nur die Menschen, bei denen die deutsche Asylbürokratie von leidlich sicheren Herkunftsländern ausgehen konnte. Oder zumindest jenen sicheren Transitländern, denen man die betroffenen Menschen zuordnen konnte.

 

Aber auch in Sachsen sitzen noch tausende Menschen quasi auf dem Schleudersitz, weil die deutsche Asylbürokratie sie zwar zu Abschiebekandidaten erklärt hat, aber nicht wirklich geklärt ist, ob eine Abschiebung auch mit den Menschenrechten vereinbar ist. Insgesamt betrifft das aktuell 6.428 Personen. Darunter viele aus den sogenannten Maghreb-Staaten (Libyen, Algerien, Tunesien, Marokko, Mauretanien, Westsahara), die seit der Kölner Silvesternacht wieder im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Die politischen Verhältnisse sind dort zwar genauso miserabel wie im Nahen und Mittleren Osten, aber gerade konservative deutsche Politiker werden nicht müde, diese instabilen Staatengebilde unbedingt zu sicheren Herkunftsländern erklären zu wollen.

 

Stillschweigend hat auch die Sächsische Landesdirektion die Zahlen zu den Maghreb-Staaten extra ausgewiesen. Demnach kamen im Jahr 2016 immerhin 402 Menschen aus Algerien, die hier Zuflucht suchten, 23 aus Algerien, 90 aus Tunesien und 251 aus Marokko. Das ist eine deutliche Minderheit. Nach wie vor kommen die meisten Zufluchtsuchenden aus den von Krieg verheerten Ländern Syrien (2.141), Afghanistan (1.502) und Irak (1.125).

 

Die kompletten Grafiken und Zahlen als Handout des SMI.