Linksextreme Gewalt ist Nagelprobe für Frank Henkel

Erstveröffentlicht: 
02.07.2016

Von Andreas Abel

Berlin erlebt eine Welle linksextremistisch motivierter Gewalttaten. Vom Innensenator werden Antworten gefordert, meint Andreas Abel.

 

Brennende Autos, eingeworfene Scheiben, beschmierte Hausfassaden – Berlin hat in den vergangenen Tagen eine heftige Welle mutmaßlich linksextremistisch motivierter Gewalttaten erlebt. Die Täter bezeichnen sie als Reaktionen auf Polizeieinsätze in der Rigaer Straße in Friedrichshain. Im Zentrum steht das Haus Nummer 94, Hort eines linken Wohnprojekts und Bastion des Widerstandes gegen den Staat, gegen Law-and-Order-Politik. Straße und Haus gelten seit Jahren als problematisch und gaben immer wieder Anlass zu politischen Debatten über richtige oder falsche Polizeistrategien und innere Sicherheit.

 

Doch in diesem Jahr sind die Debatten nicht nur zahlreicher geworden, auch der Ton, in dem sie geführt werden, nahm an Schärfe zu. Das hat etwas mit Wahlkampf zu tun, aber beileibe nicht nur. Und da es nur noch elf Wochen bis zum Wahltermin sind, kann "R 94", wie die Linken das Gebäude inzwischen nennen, zur Nagelprobe für Innensenator Frank Henkel (CDU) und seine politische Zukunft werden.

 

Es begann im Januar mit der Durchsuchung des Hauses nach einem brutalen Angriff auf einen Polizeibeamten. 500 Polizisten waren an dem Einsatz beteiligt. Oppositionspolitiker und auch Anwohner hielten das für völlig überdimensioniert, Henkel für notwendig. Am 22. Juni wurde das Szeneobjekt dann teilweise geräumt. Wieder waren mehrere Hundert Polizisten im Einsatz, der Hauseigentümer hatte um Unterstützung gebeten. Seitdem gab es Nacht für Nacht Anschläge, überall in der Stadt. Daraufhin richteten Henkel und Polizeipräsident Klaus Kandt die Ermittlungsgruppe "LinX" mit 14 Beamten ein. Immerhin sind beide Seiten kreativ im Erfinden sinnfälliger Namenskürzel.

 

Für diese Sonderkommission erntete der Innensenator mehr Kritik als Lob. Sie sei zwar folgerichtig, komme aber viel zu spät, monierte etwa Tom Schreiber, Innenexperte des Koalitionspartners SPD. Monika Herrmann, grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg , nannte sie "durchsichtig" und "Wahlkampfgewitter". Bislang wurde noch keine der weit mehr als 100 Taten der vergangenen Tage aufgeklärt. Und dann tauchten auch noch Polizeidaten über linke Aktivisten aus der Rigaer Straße auf einer Neonazi-Internetseite auf. Ein Datenleck in den eigenen Reihen schließt die Polizei nicht aus. Erwiesen ist das nicht. Doch prompt folgten die nächsten politischen Angriffe auf den Berliner Innensenator.

 

Schreiber und Herrmann – und nicht nur sie – fordern von Henkel, Lösungsmöglichkeiten zu präsentieren, warnen vor weiterer Eskalation und mahnen Gespräche zwischen allen Beteiligten an. Schreiber schlägt eine Doppelstrategie aus Repression und Deeskalation vor, ähnlich wie am 1. Mai in Kreuzberg. Und der Innensenator? Er weist die Forderung nach Deeskalation zurück. Die Polizei könne ja wohl nicht höflich fragen, was sie denn tun solle, damit ihre Beamten nicht mehr mit Steinen beworfen werden.

 

Das kann sie sicher nicht. Doch eine Diskussion darüber, wie eine Strategie, ein Plan für die Rigaer Straße aussehen könnte, ist notwendig. Der sollte sich auch Frank Henkel nicht verschließen. Dabei geht es weniger um seine Profilierung als Innensenator und Spitzenkandidat der CDU, viel wichtiger ist das Lebens- und Sicherheitsgefühl der Berliner. Spätestens die jüngsten Gewaltakte haben gezeigt, dass sich das Thema längst nicht mehr auf Friedrichshain-Kreuzberg fokussiert. Am Freitag hat sich ein breites Bündnis demokratischer Parteien gegen die Alternative für Deutschland (AfD) formiert. Ohne Rechtspopulismus und Linksextremismus vergleichen zu wollen: Könnte dieser Weg nicht Schule machen?