Mit Lattenzaun und Hund auf der Terrasse [Bericht über die Wagenburg im Rieselfeld, 2006]

Erstveröffentlicht: 
06.04.2006

Ein Zeitungsartikel, der 2006 angesichts der Situation der Wagenburg Schattenparker erschien. Relevant für die Freiburger Wagenchronik. Inhaltlich ist zu korrigieren: a) Beim erwähnten „Gemeinderatsbeschluss von 1996“ handelt es sich um eine Falschaussage der Stadtverwaltung. b) Das Biohum-Gelände wurde nicht 1990 sondern bereits 1989 bezogen.

 

Mit Lattenzaun und Hund auf der Terrasse

 

Die Wagenburg “Biohum” gilt als sozialpädagogische Einrichtung, die 18 Bewohner wehren sich jedoch dagegen, als alkohol- und drogenabhängig bezeichnet zu werden

 

Von unserer Mitarbeiterin Beate Beule

 

Ist die Wagenburg “Biohum” am Rande des Rieselfelds eine Wagenburg oder eine sozialpädagogische Einrichtung? Nach Darstellung des Rathauses leben dort Menschen mit “erheblichen psychischen und sozialen Problemen” , Drogen- und Alkoholabhängige. Die Bewohner benötigten und erhielten kontinuierlich sozialpädagogische Betreuung. Davon haben die 18 Männer und Frauen allerdings noch nichts mitbekommen. Und sie wollen auch nichts davon wissen. Denn: “Niemand hier ist drogen- und alkoholabhängig” , sagt Wagenburgler Uli Herrmann.

 

Das Bau- und Wohnwagendorf ist offiziell ein Projekt der städtischen Wohnungslosenhilfe, inklusive Betreuung der Bewohner. Deshalb handle es sich auch nicht um eine Wagenburg, teilt seit Monaten die Pressestelle des Rathauses mit. Ein wichtiges Argument in der aktuellen Diskussion um einen Standort für die Wagenburggruppe “Schattenparker” , die Anfang März provisorisch auf einem privaten Platz im Gewerbegebiet Haid untergekommen ist (die BZ berichtete gestern). Denn Stadt und Gemeinderat wollen aufgrund eines Beschlusses aus dem Jahr 1996 nur einen städtischen Stellplatz für Menschen vorhalten, die in Bauwagen oder umgebauten Lastern leben möchten: Das ist der “Eselwinkel” am Flugplatz. Und mit dem sei die Biohum-Wagenburg nicht vergleichbar, heißt es aus dem Rathaus.

 

“Es gibt keinen Unterschied zwischen uns und den Bewohnern des Eselwinkel” , sagt indes Uli Herrmann. Der Mitarbeiter und ehemalige Chefredakteur der Obdachlosenzeitung Freiebürger gehört seit 16 Jahren zur Biohum-Gruppe. Der frühere Sozialbürgermeister Hansjörg Seeh hat die Bewohner 1996 in die Wohnungslosenhilfe eingegliedert, “damit die Menschen nicht verelenden” (siehe Info-Box).

 

“Dieses Bild von uns hat die Verwaltung nicht mehr geändert” , glaubt Werner Macht, 34. Knapp zehn Männer sitzen an diesem Morgen um ein Lagerfeuer, das neben der Gemeinschaftshütte brennt. Sie sind sauer, dass das Rathaus nach außen ein derartig schlechtes Bild von ihnen verbreite. “Wenn ich mich um eine Arbeit bewerbe und in der Zeitung steht, dass auf dem Biohum nur drogen- und alkoholabhängige Menschen leben, stellt mich doch niemand ein” , sagt ein junger Mann. Im Hintergrund stehen einige leere Bierkästen. “Natürlich trinken wir gern mal ein Bier und schlagen auch schon mal über die Stränge” , sagt Werner Macht: “Aber das macht der Otto Normalbürger ja wohl auch.” Etliche der 16 Männer und zwei Frauen gehen nach Aussage der Bewohner einer geregelten Arbeit nach, andere der ehemaligen Obdachlosen leben von Hartz IV.

 

Das Gelände ist in Parzellen aufgeteilt, die zum Teil an einen Dauercampingplatz erinnern. Werner Macht hat vor seinem Wagen einen Holzzaun, sein Hund schläft auf der Terrasse. “Wir achten sehr darauf, dass das Gelände in Ordnung ist” , erzählt er: “Wir bestellen regelmäßig den Sperrmüll, die Toiletten und Duschen putzen wir abwechselnd, der Platz hat einen Zaun, damit die Hunde nicht herumlaufen.” Probleme mit den Nachbarn gebe es keine. Das bestätigt Torsten Riedling, Leiter des Rieselfelder Hochseilgartens, der sich in unmittelbarer Nähe befindet: “Von unseren Kunden hat sich noch niemand beschwert, und auch ich habe noch keine schlechten Erfahrungen mit den Wagenburglern gemacht.”

 

Einmal im Monat komme ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung, um bei den Bewohnern die Miete von je 50 Euro zu kassieren und um den Stromverbrauch abzulesen, erklärt Uli Herrmann die Modalitäten der Platznutzung. Diesen Mann nennen die Bewohner “Hausmeister” . Die Wagenburg ist ihr Zuhause. In einer Wohnung zu leben, können sich die Menschen hier nicht mehr vorstellen. “Unser Hausmeister kümmert sich auch ansonsten um den Platz, zum Beispiel, wenn etwas kaputt ist” , sagt Herrmann.

 

Die Stadtverwaltung bestätigt das, allerdings besuche zusätzlich durchschnittlich einmal pro Woche ein Sozialarbeiter die Wagenburg, “um sich um einzelne Bewohner zu kümmern” , erklärt Rathaussprecherin Edith Lamersdorf. Darüber können sich die Wagenburgler nur wundern: “Es gibt beim Sozial- und Jugendamt einen Sozialarbeiter, der offiziell für uns verantwortlich ist und an den wir uns wenden können, wenn wir Probleme haben” , sagt Werner Macht: “Aber das machen wir im Grunde nie. Wir wollen eigenständig leben.” Einer Bitte der BZ, direkt mit dem Sozialarbeiter über dessen Arbeit vor Ort zu sprechen, wollte die Stadtverwaltung nicht nachkommen.

 


Chronologie

1990: Die ersten Bauwagen kommen auf dem Gelände der ehemaligen Firma Biohum an der Opfinger Straße an.

1992: Das Amt für öffentliche Ordnung verfügt eine Räumung des Geländes, die jedoch von der Verwaltungsspitze wieder zurückgenommen wird.

1996: Eine erneute Räumung wird angekündigt. Damals leben 46 Männer und Frauen auf dem Biohum-Gelände. Die Wagenburgler sollen nach Wunsch vieler Politiker spätestens verschwunden sein, wenn die ersten Familien in das mittlerweile bebaute Rieselfeld ziehen. Der Sozialbürgermeister will die Wagenburgler jedoch nicht aus ihrem Lebensumfeld reißen. Für die Wohnungslosenhilfe sei ein solcher Platz unabdingbar. Deshalb wird ein alternativer Standort gesucht.

1997: Die Suche gestaltet sich schwierig. Einige Bewohner siedeln auf den städtischen Wagenburgplatz Eselwinkel um.

2001: Der Bauausschuss gibt sein Einverständnis für den Umzug auf das jetzige Gelände. Die Vorgaben des dortigen Bebauungsplans müssen nicht eingehalten werden, da die Nutzung auf zehn Jahre beschränkt ist.

2002: 25 Bewohner ziehen auf den 3000 Quadratmeter großen Platz im Gewann Vormoos, in den die Stadt 216000 Euro investiert.

2005: Der Gemeinderat beschließt, dass bis Ende 2009 weitere Obdachlose zur Biohum-Gruppe ziehen dürfen. Die Vergabe der Plätze erfolgt in Absprache mit den Bewohnern durch das Sozial- und Jugendamt. Zurzeit gibt es drei freie Plätze.

 

bbe