Was eigentlich ist digger diving?

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Digger diving ist in Großbritannien in den letzten Jahren zu einer beliebten Aktionsform geworden und heißt frei übersetzt soviel wie "Bagger stoppen". Ein Interview ins Deutsche übersetzt um ein paar Hintergründe zu vermitteln.

Frage: Was ist digger diving und warum machst du das?

Antwort: Die Bezeichnung digger diving wurde in den 90ern geprägt, während Hunderte und Aberhunderte versuchten ein massives Straßenbauprogramm zu stoppen. Es bedeutet, dass du deinen Körper benutzt um schweres Gerät wie Bagger und Bulldozer zu stoppen. Du kannst vor ihnen stehen, auf ihnen sitzen, oder dich an ihnen festketten. Es ist eine wirklich effektive und selbstermächtigende direkte Aktion – während du auf einem Bagger sitzt stoppst du ihn direkt dabei die Erde aufzureißen. Es unterbricht die Arbeit und kann der Firma einiges an Geld kosten, je nachdem wie lange du ihn stoppen kannst. Und das beste ist: Es braucht nur ein paar Leute dafür. Schon mit 3 Leuten kannst du eine große Wirkung erzielen, auch Vorbereitung braucht es nicht viel. Einige Stunden Planung reichen aus - keine endlosen Plenas.

 

Frage: Wie bist du zum digger diving gekommen?

Antwort: Ich wurde wirklich frustriert mit Massenaktionen – sie brauchen soviel Arbeit und funktionieren nicht wirklich, im Sinne von Dinge zu verhindern (shutting things down), weil die Bullen in der Regel zuerst da sind. Dann hat mich ein Freund der viel digger diving betreibt gefragt ob ich bereit wäre für eine solche Aktion. Eine Handvoll von uns, hat sich in der Nacht zuvor getroffen, und haben auch in ein paar Karten geguckt, und einen Plan ausgearbeitet. Am Morgen sind wir in einen Van gesprungen und zu dem Gelände gefahren. Wir mussten nur über einen kleinen Zaun hüpfen und schon waren wir in der Mitte der Mine. Wir gingen geradeaus auf den Bulldozer zu, der uns am nächsten stand. Ein paar von uns liefen auf ihn zu mit einem großen Banner, so dass der Fahrer uns sehen musste, während die anderen zurückblieben bereit um auf die Maschine zu klettern sobald sie stehen sollte. Es gab viel Macho-Gehabe von dem Fahrer in den ersten Minuten. Danach beruhigte sich alles und wir mussten nur noch uns selber und die Arbeiter unterhalten.

 

Frage: Wie hast du dich dabei gefühlt?

Antwort: Das erste Mal war es recht gruselig auf einen massiven Bulldozer zuzulaufen, und darauf vertrauen zu müssen, das der Fahrer schon stoppen wird und dich nicht einfach zu Matsch fahren wird.

Es gab einen Moment als er uns gesehen hatte aber noch nicht stoppte. Ich vermute er wollte abchecken, ob er uns verängstigen kann. Aber dann stoppte er und ich konnte es kaum glauben, wie einfach es am Ende war. Auf dem Dach eines solchen Monsters zu sitzen ist wundervoll. Es ist ein großartiges Gefühl zu wissen, dass der Haufen Metall gestoppt hat den Grund aufzureißen, weil du da sitzt. Viel direkter geht direct action kaum. Ich hab seitdem einige digger diving Aktionen seitdem gemacht, und hatte meistens einen Ich-will-nach-Hause-Moment wenn ich die Maschinen das erste Mal aus der Ferne rumpoltern gehört hatte, aber dann am Ende der Aktion will ich jedesmal wiederkommen am nächsten Tag und dem darauf und dem darauf. Es gibt wenige Dinge die soviel bewegen mit einem so geringen Aufwand.

 

Frage: Das ist sicherlich alles nicht legal und bringt dich in Schwierigkeiten

Antwort: Also in den 90ern wurde eine neue Straftat erfunden um genau gegen solchen Aktionen vorgehen zu können. Es ist der schwere Hausfriedensbruch (aggravated tresspass), was heißt dass du auf dem Land von jemandem anderen bist und du ihn behinderst (oder beabsichtigst ihn dabei zu behindern) eine legale Aktivität auszuführen, in diesem Fall die Umwelt zu zerstören. Es ist aber eine recht geringe Strafe, die darauf steht, Leute bekommen normal eine Geldstrafe von 100 bis 200 Pounds. In Schottland werden die Leute bestraft wegen Landfriedensbruch (breach of peace) mit ähnlichen Folgen. Ich finde, ich habe keine große Wahl – der Staat wird neue Gesetzte schaffen gegen jede Aktion die effektiv ist, und einige Leute müssen diese Gesetzte dann wieder brechen, wenn wir eine Chance haben wollen, die Zerstörung des Planeten zu stoppen.

Es ist auch möglich, ohne Ingewahrsamnahme davonzukommen, wenn du eine Schmiere hast die dir Bescheid sagt wenn die Bullen kommen – irgendwann zwischen 30 Minuten und ein paar Stunden. Oft wollen Leute aber natürlich die Arbeiten so lange wie möglich stoppen und sind bereit, dafür einen Prozess zu riskieren. Manchmal haben Leute D-Locks dabei (Bügelschlösser um sich mit dem Hals festzuketten) um sich an die Maschine festzuketten, was bedeutet, dass die Bullen Spezialisten holen müssen, um dich da wegzuholen, was Jahre dauern kann. Digger divin teams entscheiden in der Regel davor, wie lange sie auf dem Gelände bleiben wollen.

 

Frage: Was sind deine Erfahrungen mit den ArbeiterInnen?

Antwort: Wirklich gemischt. Das erste Mal wenn ihnen so etwas geschieht sind sie wirklich angepisst. Was hilft sie zu beruhigen ist ihnen Gesundheits- und Sicherheitsregeln zu erklären, welche besagen, dass, sobald jemand die „riskante Zone“ um eine Maschine betritt, muss sie aufhören sich zu bewegen und muss abgeschaltet werden. Wenn sie die Maschine nicht abschalten und jemand verletzt wird, ist es rechtlich ihr Fehler. Ich glaube sie fühlen sich weniger bedroht, wenn sie abschätzen können was auf sie zukommt. Ich nehme Tee und Kekse mit und biete sie ihnen an und versuche mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Es hängt auch davon ab, ob sie nach Stunde oder nach verrichteter Arbeit bezahlt werden. Ich hatte schon ArbeiterInnen die mir den besten Platz zum festketten zeigten, um ihre bezahlte Teepause zu verlängern. Das letzte Mal als ich auf einen Bagger zulief war der Fahrer wirklich froh uns seine Lebensgeschichte erzählen zu können – er schaltete den Motor schon aus, als wir noch weit weg von der Maschine waren und erzählte uns von dem Land das seine Schwester an eine Kohlemine verloren hatte, und seinem Onkel der in einer Kohlemine umgekommen war und wie er sich wirklich totschuftet um auf einen kleinen Bauernhof zu sparen – es ist eine beschissene Welt. Und manchmal hast du ArbeiterInnen die verrückte Sachen machen, wie auf einmal losfahren, während du auf den Rädern stehst.

 

Frage: Das klingt, als ob es viel gibt was schief gehen könnte.

Antwort: Es gibt einige Sachen die ich in den letzten Jahren gelernt habe. Die Arbeit fängt normal so früh an, dass sie einfach zum Mittagessen unterbrechen wenn du viel später als 10 Uhr anfängst. Oder einige Male hab ich bei starkem Regen losgelegt um dann festzustellen, dass sie gar nicht arbeiten, weil die Erde zu matschig war. Eine andere Sache ist, dass die Fahrer dich oft nicht sehen oder hören können, ihre Fahrzeuge haben viele tote Winkel und machen viel Lärm. Es hilft Warnwesten zu tragen und große Stoppschilder. Und ich versuche immer aus der Richtung zu kommen, in die der Fahrer/die Fahrerin sowieso guckt. Ich suche mir immer sehr genau aus wo ich mich festkette. Sicherlich nicht am Auspuff, der mir den Hals verbrennen würde. Am liebsten gehe ich ganz nach oben auf die Kabine oder auf den Arm vom Bagger, weil ich dann außer Reichweite bin wenn die Bullen eintreffen. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten für Menschen mit Höhenangst. Eine Kamera um gefährliche Aktionen der ArbeiterInnen aufzunehmen ist gut, aber ich habe auch gesehen, wie ArbeiterInnen die Kamera einfach zerstörten.

 

Frage: Was tragen all die Kids auf den Maschinen diese Saison? Was ist der letzte Schrei der Digger Diving Mode?

Antwort: Hohe Stiefel und eine dicke Filz-Weste sind ein Muss. Du wirst wirklich eingematscht werden, deine Sonntagsklamotten zu tragen ist also keine gute Idee. Hoch auf einem Bagger zu sitzen kann wirklich kalt sein, also trage definitiv thermische Unterwäsche. Wollschals und Bobbelmützen erleben ein Revival.