Tortenwerfer muss Schmerzensgeld bezahlen

Erstveröffentlicht: 
11.05.2016

Infolge der Tortenattacke gegen den damaligen Innenminister Reinhold Gall im Jahr 2014 erhält dessen Personenschützer 1300 Euro Schmerzensgeld, wie das Ludwigsburger Amtsgericht entschied. Der Bodyguard wurde verletzt, als er und seine Kollegen den damals 19 Jahre alten Tortenwerfer überwältigt haben.

 

Ob sich Thomas Strobl (CDU) seinen Entschluss, Innenminister des Landes zu werden, gut überlegt hat? Sein Vorgänger im Amt, Reinhold Gall (SPD), hätte ihm dabei helfen können. Indem er ihm zum Beispiel von jenen politischen Gegnern erzählt, die sich ganz besondere Strategien ausdenken, um einen Innenminister zu treffen.

 

Einer hat vor gut zwei Jahren in Ludwigsburg eine Torte in Richtung Gall geschleudert, um so gegen die angeblich mangelhafte Aufklärung der Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zu protestieren. Die juristische Aufarbeitung der Tortenattacke fand jetzt ihr vorläufiges Ende. Aber nicht Gall, sondern einem seiner Personenschützer hat das Amtsgericht Ludwigsburg am Mittwoch 1300 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Der Mann hatte sich beim Versuch, seinen Dienstherren vor dem damals 19-jährigen Werfer zu beschützen, verletzt.

 

Kein Ersatz für die zerrissene Hose

 

Punkt 12 Uhr am Mittwoch verkündet die Richterin die Entscheidung im Zivilverfahren mit dem Aktenzeichen 9C 2088/14: Zwei Menschen waren demnach aneinander geraten, einer hat sich dabei verletzt. Der Geschädigte erhält deshalb 1300 Euro Schmerzensgeld nebst Zinsen, dazu muss der Übeltäter gut 200 Euro der Anwaltskosten des Klägers übernehmen. Des Weiteren weist das Gericht die Klage jedoch ab. Der Kläger wollte eigentlich 2000 Euro Schmerzensgeld plus Schadenersatz für eine zerrissene Hose, eine Forderung, die das Gericht als ungerechtfertigt ansah.

 

Nur drei Minuten dauert die Ansprache der Richterin im fast leeren Saal F. Weder die beiden Widersacher noch deren Anwälte sind da. Ihnen wird die Entscheidung so oder so schriftlich zugestellt. „Ein ganz normale Zivilsache, wie sie täglich vorkommt“, sagt die Richterin.

 

Gall verzichtete auf eine Anzeige

 

Wäre da nicht der Vorgang selbst. Er hat vor mehr als zwei Jahren einiges Aufsehen erregt. Reinhold Gall, damals Landesinnenminister, will am 7. Februar 2014 in der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg an einer Podiumsdiskussion zum Thema Gewalt von rechts teilnehmen. Unter die 120 Besucher haben sich einige junge Männer gemischt. Einer von ihnen, ein 19-Jähriger mit jungenhaften Gesichtszügen, wartet eine günstige Gelegenheit ab und trifft Gall mit einer Torte aus Himbeersahnecreme unter anderem am Ohr. Einer von Galls Personenschützern, ein heute 39 Jahre alter, in Göppingen stationierter Polizeibeamter, verletzt sich dabei, als er und seine Kollegen den jungen Mann überwältigen.

 

Ein Gericht wertet Monate später den Tortenwurf selbst als Beleidigung, die Rangelei mit dem Bodyguard als fahrlässige Körperverletzung – und verurteilt den aus Heilbronn stammenden 19-Jährigen wegen Letzterem zu 1000 Euro Geldstrafe. Die Beleidigung bleibt ungeahndet, weil Gall keine Strafanzeige erstattet, stattdessen aber mit einem Augenzwinkern vom Täter gerne erfahren würde, „wer die Torte gebacken hat“. Der Personenschützer versteht nicht so viel Spaß – er musste am Bein genäht werden – und verklagt den jungen Aktivisten, bis dahin strafrechtlich ein unbeschriebenes Blatt, auf Schmerzensgeld und Schadenersatz.

 

Anwälte warten schriftliche Begründung ab

 

Beide Parteien hätten auf schriftlichem Weg lange, aber vergeblich um eine gütliche Einigung gerungen, so die Richterin. Das Gericht habe deshalb entscheiden müssen – weitgehend zu Gunsten des Polizeibeamten. Noch ist offen, ob die Parteien den Richterspruch akzeptieren. Beide Anwälte ließen am Mittwoch mitteilen, dass sie damit warten wollen, bis ihnen die Unterlagen des Amtsgerichts vorliegen.