Bombenleger zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt

 Der vor Gericht stehende Mann wurde beschuldigt, einen Brandsatz in der Reitschule platziert zu haben.
Erstveröffentlicht: 
07.04.2016

Der angeklagte 26-Jährige aus dem Berner Seeland wurde in Bellinzona verurteilt. Er soll 2007 in der Reitschule einen Sprengsatz deponiert haben.

 

Im Prozess zum gescheiterten Anschlag auf die Berner Reitschule 2007 hat das Bundesstrafgericht einen 26-Jährigen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es folgte damit vollumfänglich der Forderung der Staatsanwaltschaft. Laut Richterin waren seine potenziellen Opfer «nichtsahnende, wehrlose Menschen».

Knapp neun Jahre nach dem missglückten Anschlag erklärte die Richterin den heute 26-Jährigen am Donnerstag wegen Gefährdung durch Sprengstoffe sowie versuchter Brandstiftung für schuldig.

Es sei erwiesen, dass der Beschuldigte DNA auf dem Sprengsatz hinterliess, sagte die Richterin in Bellinzona. Deshalb sei seine Täterschaft bewiesen. Der junge Mann habe zum Tatzeitpunkt eine rechte Gesinnung gehabt und in dieser Zeit im Internet zu Sprengsätzen Einträge geschrieben. In seiner Wohnung seien Gegenstände gefunden worden, die im Zusammenhang zum Sprengsatz standen und dafür geeignet waren, weitere Bomben zu bauen.

Leib und Leben der Konzertbesucher bedroht

Es habe eine Gefährdung von Leib und Leben für die Konzertbesucher bestanden. Der Sprengsatz hätte eine Feuersbrunst im Konzertsaal auslösen können, der zum Tatzeitpunkt mit 1500 bis 2000 Menschen besetzt war. Zuvor wurde er jedoch vom Sicherheitspersonal entdeckt und ins Freie befördert - der Sprengsatz war in einem Rucksack versteckt und entzündete sich mit einem «grossen Feuerball», wie ein Sicherheitsmitarbeiter im Zeugenstand sagte.

Der mittlerweile 26-Jährige handelte laut Gericht mit Vorsatz. Zudem gebe es keine Beweise für Komplizen.

Der heutige Aussteiger aus der rechten Szene deponierte den Sprengsatz an einem Ort im Konzertsaal der Reitschule, der von vielen Besuchern aufgesucht wurde. Seine potenziellen Opfer seien «nichtsahnende, wehrlose Menschen» gewesen, so die Richterin. Das Alter des Täters und sein Verhalten seitdem wurden strafmildernd bewertet.

Die Verteidigung hatte in dem Indizienprozess einen Freispruch gefordert. Niemand könne eindeutig bezeugen, dass sein Mandant auch wirklich den Rucksack mit der Brandbombe im Konzertsaal deponiert habe, sagte der Verteidiger in der Hauptverhandlung.

Die Verteidigung führte damals ausserdem ins Feld, dass «qualitativ» keine neuen Beweise hinzugekommen seien, seit die Bundesanwaltschaft das Verfahren zum Sprengstoffdelikt 2013 eingestellt hatte. Dies sei damals «mangels klarer Beweise» geschehen.

Gericht folgt Argumentation der Anklage

Das Gericht ist nun aber den von der Staatsanwaltschaft hervorgebrachten Indizien - allen voran DNA-Spuren - vollumfänglich gefolgt. Bei einem Indizienprozess bestehe immer die Gefahr für die Anklage, dass das Gericht die vorgelegten Indizien als nicht ausreichend betrachtet, sagte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft im Anschluss an die Urteilsverkündung auf Anfrage. In seinem Plädoyer hatte der Staatsanwalt des Bundes das «zielgerichtete und skrupellose Verhalten» angeprangert, mit dem der Täter vorgegangen war.

Der Beschuldigte gestand Mitte Februar vor Gericht keine Schuld ein. Der bereits wegen Rassendiskriminierung und Widerhandlung gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz verurteilte Mann wollte ausserdem nicht sagen, wo er am Abend des Bombenanschlags gewesen sei.

Langer Atem der Privatkläger

Es sei zu begrüssen, dass das langwierige Verfahren nun überhaupt abgeschlossen werden konnte, sagte eine Vertreterin der Reitschule am Donnerstag im Anschluss an den Prozess. Dass es nun zu einer Verurteilung kam, sei auch auf ihre Hartnäckigkeit in den letzten neun Jahren zurückzuführen.

Die Behörden hatten ein Verfahren gegen Unbekannt im Februar 2008 zunächst eingestellt, nachdem keine Täterschaft ermittelt werden konnte. Dem heute 26-jährigen Sprengsatz-Bastler kam die Polizei ein Jahr später in einem anderen Zusammenhang auf die Spur. Der Mann stellte nämlich ein Gesuch für einen Waffenerwerbsschein, was die Polizei zu einer Hausdurchsuchung veranlasste, da er in rechtsextremen und gewalttätigen Kreisen verkehrte.

Der Abgleich seines DNA-Profils ergab eine Übereinstimmung mit den Spuren am Sprengsatz der Reitschule. Zudem wurden 2010 am Wohnort des Verdächtigen alle nötigen Komponenten zur Herstellung eines Sprengsatzes gefunden. Dies führte zu einer Wiedereröffnung der Strafuntersuchung, und der Fall wurde in der Folge der Bundesanwaltschaft übergeben.

Diese hatte das Verfahren zum Sprengstoffdelikt 2013 allerdings eingestellt. Dies sei «mangels klarer Beweise» geschehen, teilte die Bundesanwaltschaft damals mit. Der Verdächtige sollte einzig für Waffen- und Drogenvergehen verurteilt werden.

Dagegen wehrte sich der Verein Musik und Kultur, welcher das «Antifa-Festival» im August 2007 organisiert hatte, als Privatkläger mit einer Beschwerde beim Bundesstrafgericht. Dieses gab dem Verein im August 2014 recht, worauf das Verfahren weitergeführt wurde. Es gelte der Grundsatz, wonach im Zweifel für eine Anklageerhebung entschieden werden müsse, teilte das Bundesstrafgericht damals mit.

(hjo/sda)

 


 

Festivalveranstalter kritisieren Behörden

Nach Bekanntgabe des Urteils haben sich am Donnerstag die Veranstalter des «antifaschistischen Festivals» zu Wort gemeldet. «Ohne Genugtuung oder Freude nehmen wir das Urteil zur Kenntnis», so das Communiqué. Zu lange habe das Verfahren gedauert, zu desinteressiert hätten die Behörden agiert.

«Nur auf unseren Druck hin sind jeweils weitere Verfahrensschritte eingeleitet worden», lässt sich Festival-Sprecherin Lisa Meier zitieren. «Die ganze Aufarbeitung ist für uns skandalös und hinterlässt ein grosses Misstrauen in die Rechtstaatlichkeit.»

(gbl)

 


 

Chronologie der Ereignisse

4. August 2007:
Besucher eines Anlasses in der Grossen Halle der Reitschule finden einen Brandsatz.

5. August 2007:
«Das versüsst einem den Sonntagmorgen», soll der Beschuldigte am Tag nach dem Fund in einem einschlägigen Forum geschrieben haben.

März 2008:
Das Berner Untersuchungsrichteramt stellt die Ermittlungen mangels Ergebnis ein.

Dezember 2009:
Der Beschuldigte beantragt einen Waffenerwerbsschein - und bringt die Ermittlungen damit selbst wieder ins Rollen.

Dezember 2009:
Die Berner Kantonspolizei durchsucht die Wohnung des Beschuldigten und findet diverse Gewehre, Pistolen, weitere Waffen und Material, um Brandsätze zu bauen. Eine DNA-Probe weist die Verbindung zum Brandanschlag auf die Reitschule nach.

Februar 2012:
Die Berner Strafverfolger übergeben den Fall an die Bundesanwaltschaft.

Januar 2013:
Die Bundesanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Dem Mann könne keine Beteiligung am Anschlag nachgewiesen werden.

Januar 2013:
Der Rechtsbeistand der Festivalveranstalter reicht gegen die Einstellung Beschwerde ein - und bekommt vom Bundesstrafgericht Recht.

17. Februar 2016:
Beginn des Prozesses vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona.

7. April 2016:
Urteilsverkündung.

 


 

Wie es zum Prozess kam

Vom 2. bis 5. August 2007 hatte in der Reitschule Bern das zweite «Antifaschistische Festival» stattgefunden. Über 1000 Besucherinnen und Besucher hatten an jenem Abend den Weg in die Grosse Halle gefunden. Während dieses Anlasses kam es zur Entzündung des eines Brandsatzes, der in einem Rucksack deponiert worden war.

Einem Besucher war der nach Benzin stinkende Rucksack beim Mischpult aufgefallen, worauf ein Security-Mitarbeiter diesen durch einen Seitenausgang nach draussen trug. Als dieser den Rucksack öffnete, entdeckte er Drähte und drei zusammengeklebte 1,5-Liter-PET-Flaschen. Daraufhin entfernte er sich vom Rucksack. Kurze Zeit später entzündete sich der Rucksack.

«Die Flamme schoss etwa 4-5 Meter in die Höhe und der sich dabei gebildete Feuerball hatte einen Durchmesser von ca. 9 Metern», schrieb die Autonome Antifa Freiburg in einem Communiqué am 6. August 2007. Es sei ein Wunder, dass nicht Schlimmeres geschehen sei.

Der rechtsextreme Seeländer hatte am Morgen nach dem Anschlag im Forum des internationalen Neonazi-Netzwerks «Blood and Honour» folgenden Eintrag veröffentlicht: «Das versüsst einem den Sonntagmorgen.»

Der Beschuldigte kam mit Teilen der selbstgebauten Bombe in Berührung: Die Polizei hatte seine DNA-Spuren an den Überresten des Brandsatzes gefunden. Zeugen, die den mutmasslichen Täter vor Ort gesehen hätten, gab es aber keine.

(lin/hjo)