Kein Freibrief für einen illegalen Protest

Erstveröffentlicht: 
26.02.2010

Kein Freibrief für einen illegalen Protest

Protest ohne Fahrschein in den Straßenbahnen: Der "Runde Tisch " kämpft für die schnelle Einführung eines Sozialtickets.

 

Der "Runde Tisch zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg" und seine Mitstreiter und Sympathisanten wollen am Samstag schwarzfahren. Mit der Aktion wollen sie auf die Dringlichkeit eines Sozialtickets, einer stark verbilligten Regiokarte für bedürftige Freiburgerinnen und Freiburger, aufmerksam machen. Die Idee: Die 30 Teilnehmer wollen am Samstag ab 12.15 Uhr etwa zwei Stunden lang in Gruppen von acht bis zehn Personen an der Haltestelle Bertoldsbrunnen in Straßenbahnen einsteigen, während der Fahrt über das Sozialticket informieren und dazu Flyer verteilen. Die Krux aus Sicht der Freiburger Verkehrs AG (VAG): Der Protest in den Bahnen soll ohne gültigen Fahrschein vonstatten gehen.

Die VAG will kein Auge zu drücken. "Wir werden keine Schwarzfahrer dulden. Es gelten die Beförderungsbedingungen des Regio-Verkehrsverbundes", sagt VAG-Sprecher Andreas Hildebrandt. Das Verteilen von Flyern sei in den Bahnen grundsätzlich nicht erlaubt. Die VAG hat sich für einen Kompromiss entschieden: Sie will am Samstag zwar keine zusätzlichen Kontrolleure einsetzen, versichert Hildebrandt. Wer allerdings im Rahmen der normalen Kontrollen ohne gültigen Fahrschein erwischt werde, müsse 40 Euro erhöhtes Beförderungsentgelt bezahlen. Die Stadtverwaltung teilt die Haltung der VAG, wie Oberbürgermeister Dieter Salomon im Gemeinderat bekräftigte.

Derzeit wird geprüft, ob ein Sozialticket für die Stadt finanzierbar ist

Die Fraktionen von Grünen/Junges Freiburg, CDU, SPD und FDP lehnen die Aktion ab. Stadtrat Eckart Friebis (Die Grünen/Junges Freiburg) hält den Protest für "bloßen Aktionismus", der der Sache eher schade. CDU-Stadtrat Berthold Bock sagt: "Für ein Sozialticket zu demonstrieren ist in Ordnung. Wer aber mit der Straßenbahn fahren will, muss ein Ticket kaufen. Gleiches Recht für alle." "Druck kann man gerne machen, aber nicht so", findet SPD-Fraktionschefin Renate Buchen.

Nach Paragraf 265 a des Strafgesetzbuches handelt es sich beim Schwarzfahren um eine erschlichene Leistung; sie wird mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. Allerdings werde die Staatsanwaltschaft erst im Wiederholungsfall aktiv, bei Ersttätern wird das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt, erklärt Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier. "Das", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, "soll aber nicht heißen, dass wir pauschal einen Freibrief ausstellen." In Hannover ist unlängst ein wiederholt aus Protest schwarzfahrender Hartz-IV-Empfänger zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt worden. Die Polizei wird sich die Aktion am Samstag laut Sprecher Ulrich Brecht "aus der Distanz" anschauen. "Nur wenn wir gerufen werden, ist das für uns ein Thema."

Martin Klauss vom "Runden Tisch" stört sich nicht an der Haltung der VAG. "Wenn sie meinen, sie müssen das machen, dann sollen sie es machen. Uns ist diese Sache zu wichtig, um sie sein zu lassen." Im Übrigen handle es sich nicht um einen Aufruf zum, sondern eine Aktion gegen das Schwarzfahren. Schließlich würde ein Sozialticket bedürftige Menschen davon abhalten, schwarz zu fahren. Es soll nicht übertragbar sein, 14 Euro kosten (eine nicht übertragbare Regiokarte kostet 45 Euro) und im Bereich des Regionalverkehrsverbunds gelten, in dem 17 Verkehrsbetriebe aus Freiburg und Umgebung vereint sind. Momentan hätten in Freiburg 21 211 Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz einen Anspruch auf ein Sozialticket. Mit der Aktion will der "Runde Tisch" seine Verärgerung über die Verzögerungen bei der Einführung des Sozialtickets zum Ausdruck bringen. Ursprünglich hätten die Ergebnisse eines Gutachtens, in dem die Finanzierbarkeit geprüft wird, schon Ende 2009 vorliegen sollen, sagt Klauss. "Das ist alles so langsam gegangen." Nun soll das Gutachten laut VAG im Mai fertig sein und als Basis für eine Entscheidung im Gemeinderat dienen.