Rechtspopulist Strohm verliert Klage gegen kritischen Film

Artikel in der taz vom 21.1.2016

Verschwörungsgläubige denunzierten Filmemacher als Verfassungsschutzagent, wittern Zensur und eine Verschwörung … und zensieren dann selbst, was ihnen nicht gefällt

So geht vereinfachtes Denken: Mensch wähnt sich im Besitz der Wahrheit und denunziert alle anderen als von bösen Mächten gesteuert. Leider sei mensch jedoch unterdrückt und zensiert. Zweifel an diesen simplen Welterklärungen sind hingegen nicht zulässig. Es sind die Verschwörungsgläubigen selbst, die vor Gericht ziehen, um Kritik an ihnen verbieten zu lassen. Und wer sie kritisiert, wie von ihnen zensiert. Sprich: Sie sind genau diejenigen, die sie in ihren Gegner_innen sehen wollen. Holger Strohms gescheiterter Versuch, einen kritischen Film zu verbieten, zeigt all das in völler Klarheit.

 

Ein kritischer Film über den Rechtspopulisten Holger Strohm – und der gescheiterte Verbotsantrag

 

Holger Strohm war einer der ersten bekannten Autoren der Anti-Atom-Bewegung. Er selbst bezeichnet sich als "linken Anarchisten". Sein Buch "Friedlich in die Katastrophe" bildete einen Meilenstein und zeigte Gefahren, Hintergründe und politische Seilschaften auf. Danach verfasste er etliche Umweltbücher, aber auch zu kinderfreundlichen Schulsystemen oder gegen die Gentechnik. Seine Hoffnungen auf eine Wende erfüllten sich nicht. Mehr und mehr sah er die Welt am Abgrund. Aus Verzweiflung wuchs Empörung - und die ebnete den Weg in rechtes Gedankengut und absurdeste Verschwörungstheorien.


Als 2012 Holger Strohms Anti-Atom-Klassiker "Friedlich in die Katastrophe" verfilmt wurde, streute Filmemacher Marcin El dort einige seltsame Gedanken ein, die mensch sonst aus den Ecken vereinfachter Welterklärer_innen (sog. "Verschwörungstheoretiker_innen") kennt: HAARP-Anlagen, böse US-Aktionen, Mafia überall, künstliche Erdbeben. Erst war es nur ein kleiner Film, um diese rechtspopulistischen und verschwörungsgläubigen Inhalte im Film "Friedlich in die Katastrophe" öffentlich zu machen. Schließlich war zu befürchten, dass der Film von vielen ökologisch interessierten Menschen geschaut würde und die die Untertöne nicht bemerken würden. Zuerst wurde er auf de.indymedia.org und linksunten.indymedia.org präsentiert. Beide Plattformen zensierten den Beitrag - auch im linken Lager herrscht Ausgrenzung pur. Dann erschien er auf Youtube. Doch dem Filmemacher Marcin El und dem Autor Holger Strohm war das schon zu viel. Sie versuchten die Löschung auf Youtube – vergebens. Dann klagte Strohm vor dem Landgericht Hamburg – und verlor mit Beschluss vom 25.2.2016. Der Film und inzwischen auch eine die erweiterte Fassung unter dem Titel "Empörung und Verschwörung" mit Ausschnitten aus Interviews und Vorträgen von Strohm sind damit weiter im Internet zu erreichen.

 

Der Weg nach ganz rechts

 

"Friedlich in die Katastrophe" war aber erst der Anfang auf Holger Strohms Weg nach ganz rechts. Heute gehört er zu den beliebtesten Gästen bei radikalen Rechtspopulisten und Verschwörungsgläubigen. Und er haut alles raus, was dort gefragt ist: Hetze gegen Flüchtlinge, platte Hinweise auf jüdische Weltverschwörungen, alle Formen des Anti-Amerikanismus und Israel-Hass, dazu Hetze gegen sog. Linksfaschisten, CIA-kontrollierte Medien plus den gesammelten Mythen über den Zustand der BRD. In "Empörung und Verschwörung" ist das alles zusammengetragen. Der Film ist mehr als eine Abhandlung über "Holger Strohm und seine vereinfachten Welterklärungen" (Untertitel) - nämlich eine grundlegende Kritik an den sich ausbreitenden vereinfachten Welterklärungen insgesamt, an Gut-Böse-Stigmatisierungen und dem Glauben an eine Machtpyramide mit nur wenigen Strippenziehern an der Spitze. Strohm ist mit den zahlreichen Ausschnitten aus Interviews, Vorträgen und Filmen Hauptfigur der Dokumentation, aber letztlich nur ein Beispiel für viele. Er zeigt, dass auch ein "linker Anarchist" (Selbstbezeichnung Holger Strohm) zum Verkünder wirrer und rechter Welterklärungen werden kann.

 

Der Prozess um das Verbot des ersten Filmes war also nur ein kleines Vorgeplänkel. Heute ist Holger Strohm ein Paradebeispiel für Menschen auf dem Weg nach rechts. Rechte Verwicklungen von ökologischen Gruppen und Aktiven sind nichts Neues (siehe Seite zu rechter Ökologie mit Absatz zu Holger Strohm oder das Buch "Reich oder rechts?"). Doch Holger Strohm stellt einen Extremfall dar, der so nicht alle Tage vorkommt - aber in den Zeitgeist vereinfachter Welterklärungen passt, die um sich greifen und auch in linken und anderen politischen Bewegungen um sich greifen.

 

Reaktionen

 

Andreas Speit bereichtete in der taz am 22.1.2016 und deren Umweltmagazin zeo2 über den Prozess und Strohm Scheitern mit der Klage gegen die kritischen Filme. Dirk Seifert schrieb in seinem Text "Holger Strohm – Angekommen im rechten Sumpf und Klage verloren": "Holger Strohm – Autor des Buches (1973) und Films (2012) "Friedlich in die Katastrophe" – hat die vom ihm angestrengte Urheberrechts-Klage vor dem Landgericht Hamburg verloren. Jörg Bergstedt hatte Strohm in einem Video Verschwörungstheorien vorgeworfen und das anhand ausführlicher Filmsequenzen belegt. Strohm sah darin einen Urheberrechtsverstoß. Dass Holger Strohm inzwischen im Sumpf rechter Verschwörungsfantasien absäuft, zeigt dieses Video-Interview auf Bewusst.TV (hier bei Youtube). Anlass ist demnach eine Broschüre von Strohm zum Thema "Asyl". Was er dort an wirren Dingen von sich gibt, ist nicht nur ekelhaft."
In linken und Antifa-Kreisen wurde das Thema eher verschwiegen – die mögen den auch szeneintern als hierarchiekritisch eingestellten Filmemacher auch nicht (auch eine Art Querfront, wenn auch nicht direkt gewollt).


Christoph Hörstel gehört wie Strohm zu den bekannteren Gesichtern der Menschen, die die Welt in Gut und Böse teilen, die ständig verborgene Mächte wittern, die alles kontrollieren und vor allem USA und Israel bezichtigen, der Welt Schaden zufügen zu wollen. In einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite quittiert Hörstel die richterliche Erlaubnis für einen kritischen Film mit quellenlosen Diffamierungen des Filmemachers – und löschte dann einen Kommentar, der diese Angaben korrigierte. Sein Text: "Ein zumindest zeitweiliger Verfassungsschutzagent, Jörg Bergstedt, klaut knapp 20 Minuten aus Holgers Film "Friedlich in die Katastrophe" - und das Landgericht Hamburg verweigert Holger alle Rechte, weil er ja laut Bergstedt Nazi und Holocaustleugner sei: ungestrafte Verleumdung vor Gericht! Trotz 3 Berufsverboten gegen Holger, weil er zu weit links ist! Vorsitzender Richter Hartmann, dazu Haders und Richterin Dr. Frantzen. Sogar Robert Jungk wurde im Gerichtssaal posthum zum Nazi! Das zeigt besonders schockierend, wo wir gelandet sind. Holger Strohm hat das Skandal-Urteil von Hamburg einem ehemaligen Verfassungsrichter vorgelegt, der das Urteil mit der Rechtsprechung in der DDR und im III. Reich verglich: Gerade junge Richter machen nur Karriere, wenn sie gehorchen." Die Formulierungen zeigen wunderbar: Verschwörungsgläubige wittern bei anderen, was sie selbst am liebsten machen:

  • Quellenfreie Dramatisierungen oder Lügen (Verfassungsschutzagent? Ist zwar lustig, dass diese von linken Apparaten zur Abwehr von Hierarchiekritik erfundene Denunziation jetzt auch von rechts benutzt wird - aber auch hier ersetzt das Dreckwerfen die Argumente)
  • Die genannten Vorwürfe gegen Strohm hat es im Gerichtssaal nie gegeben. Allerdings zeigen aktuelle Interviews von Strohm, dass er sehr weit rechts steht und tatsächlich auch den Holocaust (zumindest in seiner Dimension) in Frage stellt.
  • Die armen Verschwörungsgläubigen um Strohm, Hörstel & Co. inszenieren sich als Verfolgte und vergleichen ihre Unterdrückung mit Verhältnissen in DDR und 3. Reich. Dabei geht im Text ganz verloren, dass Strohm einen kritischen Film verbieten lassen wollte - nicht umgekehrt.

Das Schönste aber: Als eine Richtigstellung in die Kommentarspalte der Facebook-Seite eingestellt wurde, verschwand diese binnen kürzester Zeit wieder. Das aber heißt: Die Propagandisten der Lügenpresse und der Zensur gegen Andersdenkende sind die, die zensieren und Kritik nicht ertragen können. Dabei war der Text - anders als Hörstels Facebook-Beitrag, auf den sich der Kommentar bezog - nicht mit wirren und unbelegten Beschimpfungen bespickt (siehe Abbildung der Seite mit Kommentar und dann nach dessen Löschung).

Rund um den Prozess gab es weitere Reaktionen, Interviews usw.

Hinweis: Der Film "Empörung und Verschwörung - Porträt einer Person auf dem Weg in rechte Ideologien" kann öffentlich gezeigt werden (Creative Commons). Am Sa, 19.3. ab 19.45 Uhr ist er in Köln (Kolbhalle, Helmholtzstraße 8-32) im Rahmen des Membran-Festivals zu sehen.