130 Neonazis „trauern“ in Chemnitz

Nazis raus!
Erstveröffentlicht: 
06.03.2016

130 Neonazis „trauern“ einen Tag nach dem Chemnitzer Friedenstag  Am 5. März jährte sich die Bombardierung der Stadt Chemnitz zum 71. Mal. Fast unbemerkt, weil konzentriert auf die Vorbereitungen der jährlichen Gedenkveranstaltungen, meldete die NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten für den 6. März einen sogenannten Trauermarsch an.

 

In den letzten Jahren gestalteten sich die „Trauermärsche“ verschiedener rechtsextremer Anmelder am 5. März in Chemnitz als Umzüge einiger weniger Neonazis am Rande der Stadt. Mitunter konnten die Demonstrationen stark verkürzt oder ganz verhindert werden. Im letzten Jahr lag schließlich keine Anmeldung von Rechtsextremen vor, den Chemnitzer Friedenstag für ihren Geschichtsrevisionismus zu nutzen. Vielleicht wähnte man sich auch deshalb in Sicherheit und konzentrierte sich - ob von städtischer Seite oder von diversen Bündnissen, Parteien und Vereinen aus - fast vollständig auf die Vorbereitungen zum Chemnitzer Friedenstag, dem 5. März.

Und dann doch: In diese Vorbereitung platzte vor gut einer Woche die Meldung, die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN), habe einen sogenannten Trauermarsch auf dem rund vier Kilometer langen Innenstadtring angemeldet - und zwar für den Nachmittag des 6. März. Nach dem ersten Schreck ob der Erkenntnis, dass kein zivilgesellschaftliches Bündnis, keine Gewerkschaft und keine Partei für diesen Tag eine Aktion beim Ordnungsamt angemeldet hat und damit Plätze bereits blockiert hätte, fragten sich die Bündnisse: Was tun? Schnell war klar: Unwidersprochen sollte die JN nicht bleiben.


Kreativer Protest

Unter dem Motto „Chemnitz für Menschlichkeit - Gegen Krieg, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit“ meldete das Bündnis „Chemnitz nazifrei“ kurzerhand für den Nachmittag eine Kundgebung in der Innenstadt an. Schätzungsweise 400 Menschen nahmen daran teil. Eine andere, eher symbolische Aktion fand bereits Sonntagfrüh statt. Gut 50 Personen - darunter Vertreterinnen und Vertreter der Parteien SPD, Die Linke, des DGB sowie von Amnesty International - sprühten die Wörter „Menschenrechte“, „Menschenwürde“, „Leben ohne Gewalt“ oder „Chemnitz ist bunt“ auf die spätere Marschroute der JN. Zum einen signalisierte diese Kunstaktion, wofür die Initiatoren einstehen. Zum anderen entstand am Nachmittag während des „Trauermarsches“ das Bild, dass Neonazis „Menschenrechte mit Füßen treten“.

Kreativer Protest in Chemnitz

Die Gegendemonstration kam an drei Stellen bis auf Sicht- und Hörweite an die JN-Demo heran. Ihren Protest übte sie lautstark aus - während die höchstens 130 Geschichtsklitterer schweigend, lediglich begleitet von klassischer Musik und später noch mit fünf Fackeln, ihre Runde auf dem Innenstadtring zogen.

Nicht die einzige Veranstaltung

Bereits gestern versammelten sich zur zentralen Kundgebung unter dem Motto „Gemeinsam - in fremder Heimat“ auf dem Neumarkt mehrere Hundert Chemnitzerinnen und Chemnitzer. Andere nahmen am Täterspurenrundgang teil, der seit einigen Jahren zum festen Veranstaltungsprogramm an diesem Tag zählt. Die SPD-Landtagsabgeordnete Hanka Kliese sprach auf der Kundgebung des Bündnisses „Chemnitz nazifrei“: Der 5. März erinnere uns daran, „dass wir unseren Wohlstand nicht allein erschaffen haben. Er mahnt uns auch wachsam zu sein, wenn Menschen sich in einem übertriebenen Stolz über andere stellen und meinen, sie wären ihnen überlegen.“