Merkel soll ihren Kurs bis März ändern

Erstveröffentlicht: 
19.01.2016
Nach Horst Seehofer stellt nun auch Edmund Stoiber der Kanzlerin ein Ultimatum

Von Dieter Wonka

 

Berlin. Der Ton wird schärfer in der Bundespolitik, Kanzlerin Angela Merkel bekommt immer mehr Gegenwind für ihre Flüchtlingspolitik. Aus der CSU verlautet die Drohung, entweder Merkel ändere ihre Haltung – oder man denke über eine Politik ohne Merkel nach. Auch Teile der CDU und der SPD denken offenbar so.

 

Die CSU begegnet der Regierungschefin mit einer Reihe von Ultimaten. Den Anfang machte Ministerpräsident Horst Seehofer, gestern kam der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber dazu. „Angela Merkel muss ihre Position jetzt ändern, weil das sonst für Deutschland und Europa verhängnisvolle Folgen hat. Ich hoffe, dass sie das macht“, sagte Stoiber der „Süddeutschen Zeitung“. Auf die Frage, was andernfalls passiere, antwortete er: „Dann wird sich nach den Wahlen im März eine Auseinandersetzung nicht vermeiden lassen.“

 

Scharfe Töne kommen auch aus der SPD: „Wir haben die Nase voll von der Bundeskanzlerin, weil sie nicht einmal mehr moderiert angesichts der Chaostage in der Union“, ätzt SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. Die Union verlasse die Gemeinsamkeiten der Koalitionspositionen, ergänzt SPD-Chef Sigmar Gabriel nach der Vorstandsklausur seiner Partei. Die Union denke bei ihrer Flüchtlingspolitik nur noch daran, wie man über die nächsten Landtagswahlen komme. Am 13. März wird in Sachsen-Anhalt, in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz gewählt. In Stuttgart und Mainz hofft die Funktionärsbasis der CDU, dass die Union dort so stark werden kann, dass sie wieder den Ministerpräsidenten stellen kann. Wegen der erwarteten Stärke der AfD kann dies aber schwierig werden.

 

Von „Regierungsunfähigkeit“ spricht Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Fraktionschefin im Bundestag. Merkels Politik drohe Deutschland „zu zerreißen“, warnt Sahra Wagenknecht, Linken-Fraktionschefin im Bundestag. Wolfgang Schäuble, stabile konservative Kraft in der Union, heizt die aufgeregte Debatte in der Koalition weiter an mit dem Vorschlag, einen europäischen Steuerzuschlag auf das Benzin zu erheben – um mit den Einnahmen später die Flüchtlingskosten zu finanzieren. Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert spricht besänftigend von einem „Weckruf für Europa“ und antwortet vorsorglich mit „Nein“ auf die Frage, ob die Kanzlerin derzeit Angst habe, ihren Job zu verlieren. Ultimaten nehme sie „zur Kenntnis“, mehr nicht.

 

Zusammen mit der Kanzlerin wird Seibert morgen zur CSU-Landtagsfraktion nach Kreuth reisen. Neben ihr wird dort auch Schäuble vortragen. Der Besuch steht unter dem Eindruck der Drohung von Stoiber – verbunden mit der Angst, die CSU könne sich nach den Landtagswahlen im März von der CDU und von Merkel abwenden. In der engsten Umgebung von Merkel sieht man die knallharte Abgrenzungspolitik der Schwesterpartei CSU mit großer Sorge. „Dass die CSU den Kurs der Kanzlerin offen infrage stellt, wiegt in einer auf Zusammenhalt orientierten Union besonders schwer“, heißt es an der Spitze des Kanzleramtes. Damit wirke die Union so „abschreckend“ wie die SPD auf die Bürger.

 


 

Ultimaten sind sinnlos


Saarlands Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ärgert sich über die CSU-Ultimaten. „Als Verantwortung tragende Politiker ist es unsere Aufgabe, das Flüchtlingsproblem dauerhaft zu lösen. Dabei gilt es, schrittweise und systematisch vorzugehen, was die Bundesregierung unter Angela Merkel seit Wochen mit Hochdruck tut“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. „Ultimaten an die Kanzlerin helfen dabei nicht weiter. Sie schwächen eher ihre Verhandlungsposition.“ Es solle „der Familiennachzug besser begrenzt“ werden. Marokko, Tunesien und Algerien sollten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden.

 


 

Für Obergrenzen


Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), betont: „Kein Staat kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen, wenn man eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft gewährleisten will.“ Jedes Land habe eine „Integrations-Obergrenze“. Deshalb benötige Deutschland eine rasche Reduzierung der Zahl der Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge. „Dazu muss es in den nächsten Wochen Entscheidungen geben.“ Verträge wie Schengen oder Dublin könnten nicht dauerhaft außer Kraft gesetzt sein. „Das muss sich wieder ändern. Wir haben hier momentan einen Kontrollverlust, der nicht länger hinnehmbar ist.“