Droht Leipzig eine rechtsextreme Anschlagsserie?

Erstveröffentlicht: 
16.01.2016
Nach Hooligan-Angriff in Connewitz prüft die Polizei Parallelen zu jüngsten Brandanschlägen

VON FRANK DÖRING

 

Leipzig. Nach dem Angriff rechtsradikaler Hooligans auf Connewitz prüft die Polizei Zusammenhänge zu weiteren mutmaßlichen Anschlägen gegen die linke Szene in den vergangenen Wochen. Wie berichtet, war erst am Wochenende vor den Neonazi-Krawallen im linksalternativen Kiez ein Kampfsportstudio am Kohlrabizirkus in Flammen aufgegangen. Trotz des zweistündigen Feuerwehreinsatzes waren die Schäden immens, das Objekt musste geschlossen bleiben. Mittlerweile gehen die Ermittler hier von Brandstiftung aus. Weil das Sportstudio dem Vernehmen nach hauptsächlich Leute aus dem linken Spektrum und Migranten aufsuchen sollen, werde neben anderen Ermittlungsansätzen gegenwärtig auch ein rechtsextremer Hintergrund der Tat geprüft, erfuhr die LVZ aus Behördenkreisen.

 

Ähnlich ist die Lage hinsichtlich der Brandanschläge auf Wohnmobile in mehreren Stadtteilen Ende Dezember. Durch eine offenbar koordinierte Aktion waren in Connewitz, Plagwitz und Lindenau insgesamt 13 Wohnmobile abgefackelt worden. Die Besitzer der ausgebrannten Caravans älterer Bauart sind nach Erkenntnissen der Polizei dem linken Spektrum zuzuordnen. Auf dem Szeneportal Indymedia wurde gemutmaßt, dass gezielt Fahrzeuge des linken Milieus angezündet wurden. „Dies legt nahe, dass es sich bei den Brandanschlägen um einen faschistischen Angriff auf linke Strukturen und Menschen in Leipzig handelte“, so die anonymen Verfasser. Bereits zwei Wochen zuvor seien drei bewohnbare Autos in Connewitz und Volkmarsdorf auf gleiche Weise abgebrannt. Einen konkreten Tatverdacht gebe es sowohl bei dem Anschlag auf das Kampfsportstudio als auch hinsichtlich der Brandstiftungen auf die Oldtimer-Wohnmobile bislang nicht, betonte Polizeisprecher Andreas Loepki. Es werde deshalb weiterhin in alle Richtungen ermittelt.

 

Doch nach der offenbar gründlich geplanten Hooligan-Randale in Connewitz werden auch diese früheren Fälle in einem neuen Licht betrachtet und mögliche Parallelen untersucht, hieß es aus der Behörde. Ohnedies hatte die Polizei schon länger davor gewarnt, dass die rechtsextreme Szene nach einer Serie von Übergriffen der Antifa zurückschlagen könnte. „Es war nur eine Frage der Zeit“, so Loepki.

 

Schon seit dem Stadtratswahlkampf 2014 habe es immer wieder Anschläge auf Wohnungen und Geschäftsräume vor allem von NPD-Funktionären gegeben: Körperverletzungen, Brandstiftungen, Attacken mit Bitumenbomben, zerstörte Scheiben und Inventar. Erst im Dezember hatten Linksextremisten die Wohnung von Ex-Legida-Chef Silvio Rösler – er führt inzwischen die rechtsextreme Offensive für Deutschland in Leipzig an – verwüstet und den damaligen NPD-Funktionär Axel Radestock in dessen Laden überfallen.

 

Mit dem Angriff auf Connewitz zielten die rechten Hooligans nach Einschätzung der Ermittler auf den Mythos des Viertels und dessen selbst ernannten Status als „Antifa-Area“. Die Angreifer wollten quasi „ins Wohnzimmer der Linken“ vordringen, so der Polizeisprecher. Dabei nahmen die Täter bewusst in Kauf, dass sie mit der Zerstörungsorgie auch die Existenzen völlig unbeteiligter Ladenbesitzer gefährdeten.

 

Nach Ansicht der Polizei ist zu befürchten, dass sich die Gewaltspirale nun massiv weiterdreht. Denn die linke Szene, so Loepki, werde eine Serie von Anschlägen auf ihre Strukturen kaum zulassen. Künftig soll der antifaschistische Selbstschutz noch besser organisiert werden, heißt es in einem aktuellen Statement auf Indymedia. „Neonazistrukturen und rassistische Organisationen wie Legida müssen in Leipzig noch konsequenter bekämpft werden.“ Folgerichtig erging schon mal der Aufruf, alle Informationen zu dem jüngsten Hooligan-Angriff wie Bilder, Videos, Kennzeichen von Täterfahrzeugen keinesfalls der Polizei, sondern „antifaschistischen Strukturen“ zu übergeben.

 

Die Staatsanwaltschaft reagierte umgehend. „Es ist kontraproduktiv und befremdlich, wenn offen dazu aufgerufen wird, die Ermittlungsbehörden nicht zu unterstützen“, erklärte gestern Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz. „Soweit es offensichtlich darum geht, Informationen zu eigenen, dem Gewaltmonopol des Staates widersprechenden Vorhaben zu sammeln, wird darauf hingewiesen, dass dies dem Ziel nach einer möglichst vollständigen Aufklärung der Krawalle und Bestrafung der verantwortlichen Täter diametral entgegensteht und widerspricht.“

 

Wie angespannt die Lage im linksalternativen Kiez seit dem Neonazi-Angriff ist, zeigte sich gestern Nachmittag: In sozialen Netzwerken kursierten Informationen, wonach erneut Hooligans in Connewitz unterwegs seien, um linke Objekte anzugreifen. Am Nachmittag kam es vor einem Blumenladen in der Bornaischen Straße zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppierungen, bestätigte die Polizei auf Anfrage. An der Schlägerei seien acht Personen beteiligt gewesen. Mindestens ein Mann soll leicht verletzt worden sein. Die Hintergründe der Auseinandersetzung waren zunächst unklar.