Ku-Klux-Klan: Polizei hebt Munitionsversteck bei Plochingen aus

Erstveröffentlicht: 
14.01.2016

Ermittler finden nach einem anonymen Hinweis in einem Erdloch im Osten Stuttgarts scharfe Munition. Der unbekannte Briefschreiber ist sich sicher: Die Patronen gehören dem Ku-Klux-Klan.

 

Salz haben die Menschen hier gehandelt. Dazu Wein und Früchte. Und wer sich in Antwerpen oder Köln auf dem Weg nach Venedig machte, der legte im Stüberschen Wirtshaus gerne eine Pause ein: Plochinger hat von der Antike bis zur Neuzeit vor allem Menschen miteinander verbunden.

 

Bis zum vergangenen September – zumindest die Information stimmt, die ein anonymer Briefschreiber auf einem karierten, beige-grauen Blatt Papier in unsere Redaktion schickte: „Stuttgarter Nachrichten 7. Juli und 23. September – Ku-Klux-Klan“ stand da in geschwungenen Lettern. Darunter eine Zeichnung, die die berühmte Plochinger Bühleiche zeigt, eine Meterangabe und ein Kreuz. „2 kg 9 mm“ hatte der Hinweisgeber dazu geschrieben.

 

„9 mm“ steht für die Munitionssorte des Kalibers 9 x 19 mm. Patronen dieses Typs werden aus Pistolen und Maschinenpistolen verschossen. Eine Munitionsart, die auch von den deutschen Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr verwendet wird.

Eine Patrone 9 x 19 mm wiegt etwa 12,65 Gramm – zwei Kilo. Das würde also bedeuten, dass zwischen den Laubbäumen in der Nähe der Plochinger Bühleiche 158 Schuss vergraben sein müssten. Hinzu kommt der Hinweis auf den Ku-Klux-Klan und die beiden Artikel, die im vergangenen Jahr in unserer Zeitung erschienen waren.

 

Artikel über den Wunsch der Kapuzenmänner, sich zu bewaffnen


In der stand am 7. Juli zu lesen, dass der gegen den früheren Anführer des KKK in Schwäbisch Hall, Achim Schmid, im März 1999 Anzeige erstattet weil der Klanchef und seine Kumpane einen Rechtsextremisten, dessen Lebensgefährtin und deren Kind bedroht hatte. Das Kind der Frau stammte von einem türkisch-stämmigen Mann.

 

Am 23. September berichteten wir über eine Meldung des Verfassungsschutzspitzels Thomas Richter. Der Rechtsextremist mit dem Decknamen „Corelli“ hatte seinem Führungsoffizier im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) berichtet, Schmid sei im Frühjahr 2000 in den Niederlanden festgenommen worden, weil er eine illegal beschaffte Waffe mit sich geführt habe. Wenige Wochen später tauschte sich der Kapuzenmann mit V-Mann Richter zudem darüber aus, wie man sich mit Hilfe eines weiteren Neonazis – ebenfalls ein Informant des Inlandsgeheimdienstes – bewaffnen könne.

 

Diese beiden Artikel nahm der anonyme Briefschreiber zum Anlass, unserer Zeitung das im Norden des 14.000 Einwohner zählenden Städtchens Plochingen gelegene Erdversteck im Schurwald zu offenbaren. Ermittler des Landeskriminalamtes entdeckten später die vergrabene Munition in dem Laubwald.

 

Munition der tschechischen Streitkräfte

 

Dabei handelt es sich um etwa 160 Patronen scharfer Munition, die – so die bisherigen Ermittlungen – aus Beständen der tschechischen Streitkräfte stammen. An der Munition fanden Forensiker des LKA mehrere sogenannte DNA-Mischspuren. Das sind DNA-Profile mehrerer Menschen, die sich gegenseitig überlagern. Dieses Genmaterial kann auch indirekt auf einen Gegenstand übertragen werden: Wer sich beispielsweise in der S-bahn an einem Haltegriff festhält, kann Genspuren des Menschen auf einen Gegenstand übertragen, der sich vor ihm am selben Haltegriff festgehalten wird. Die Interpretation solcher Mischspuren ist schwierig.

 

Die gefundenen Spuren gleichen Experten des LKA jetzt mit Datenbanken ab. Das Justizministerium informierte am vergangenen Montag die Obleute des NSU-Untersuchungsausschusses des baden-württembergischen Landtages über die Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwälte und Polizisten.

 

Seit einem Jahr recherchieren die Parlamentarier zu den Morden, die die mutmaßliche Rechtsterrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) begangenen haben soll. Die Rechtsextremisten Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sollen zwischen 2001 und 2007 zehn Menschen in Deutschland erschossen haben – neun von ihnen mit einer Pistole des tschechischen Typs Ceska. Letztes Mordopfer des Trios, sind sich die Ankläger der Bundesanwaltschaft sicher, soll am 25. April 2007 in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter gewesen sein. Ihr am Mordtag eingesetzter Gruppenführer Timo H. war 2001 und 2002 zusammen mit einem weiteren Kollegen für mehrere Monate Mitglied des rassistischen Ku-Klux-Klans in Schwäbisch Hall.

 

Untersuchungsausschuss informiert


Der Untersuchungsausschuss, sagt dessen Vorsitzender Wolfgang Drexler (SPD) „wartet die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ab“. Dem für die kommende Legislaturperiode vorgesehenen Nachfolgegremium solle der Fall übergeben werden. Die aktuell zum NSU-Komplex recherchierenden Abgeordneten wollen am heutigen Freitag ihren fast 1000 Seiten umfassenden Abschlussbericht beschließen – und damit ihre Arbeit vor den Landtagswahlen am 13. März einstellen.

 

Im Plochinger Schurwald ist die letzte Lebensphase der mächtigen Bühleiche angebrochen. Die sei – so sagte es eine Legende – 1648 als Zeichen des Friedens gepflanzt worden. In diesem Jahr beendete der Westfälische Frieden den 30 Jahre dauernden Krieg, der in Deutschland tobte. Das Morden, Rauben und Brandschatzen traf Plochingen besonders hart: 1635 lebten gerade noch 250 der ursprünglich 1320 in dem Städtchen vor den Toren Stuttgarts.

 

Erst vor kurzem stellten Biologen in einem Baumgutachten fest, dass die Bühleiche zwar Jahrhunderte alt ist, aber nicht zum Friedensvertrag von Münster und Osnabrück gepflanzt worden sein kann. Einen Besuch ist das Baumdenkmal trotzdem wert – zumal die Schatten des Ku-Klux-Klans jetzt aus seinem Umfeld verschwunden sind.