Leipziger Bürgerrechtler auf Friedensfahrt in Korea

Erstveröffentlicht: 
10.01.2016

Wenn das keine Symbolik hat: Eine Gruppe Leipziger Bürgerrechtler begibt sich auf eine Fahrradtour entlang der Grenze zwischen Nord- und Südkorea. So geschehen Ende vergangenen Jahres. Die Aktion soll Früchte tragen. Wie einst im geteilten Deutschland, gibt es auch in Korea Bestrebungen für eine Wiedervereinigung.

 

Leipzig. Wenn das keine Symbolik hat: Eine Gruppe Leipziger Bürgerrechtler begibt sich auf eine Fahrradtour entlang der Grenze zwischen Nord- und Südkorea. So geschehen Ende vergangenen Jahres. Die Aktion soll Früchte tragen. Wie einst im geteilten Deutschland, gibt es auch in Korea Bestrebungen für eine Wiedervereinigung.

Die Idee ging zurück auf eine internationale Friedenskonferenz in Seoul (Südkorea) im März vergangenen Jahres. Auch eine Delegation aus Sachsen nahm daran teil: unter anderen Christoph Wonneberger (71, Pfarrer, Bürgerrechtler, früherer Koordinator der Friedensgebete in der Nikolaikirche) sowie Gunda Röstel (53, Gründungsmitglied des Neuen Forums, frühere Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen und heutige Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden). Dort entstand die Idee eines Folgeprojektes. Wonneberger hatte schon einmal eine Friedensfahrt von Paris nach Moskau unternommen – nun sollte ein Leipziger Zeichen im nach wie vor gespaltenen Korea gesetzt werden, eine friedensbewegte, wie sportliche Botschaft. An der Radtour nahmen neben Wonneberger auch die Leipziger Bürgerrechtler Agnes Berkemeier, Oliver Kloss, Hans Tschirner und Gisela Kallenbach teil (frühere Europa- und Landtagsabgeordnete) sowie der Umweltaktivist Jürgen Wasmann.

„Wir haben uns auf ein Abenteuer eingelassen, wussten nicht, was uns erwartet“, erzählt Gisela Kallenbach (71). Auf dem Flughafen wurden die Deutschen zu Beginn ihrer Tour wie Staatsgäste empfangen. „Willkommen Pfarrer Christoph Wonneberger und Leipziger Freunde“ stand auf einem riesigen Banner; es gab eine Eröffnungszeremonie im Parlament mit Medaillenverleihungen und Nationalhymnen. „Es war sehr patriotisch, wir waren etwas verwirrt“, berichtet Gisela Kallenbach, die zwei Medaillen mit nach Hause brachte – und nicht weiß wofür.

Mit dem Bus fuhren die Leipziger in den Nordosten Südkoreas ans Japanische Meer. Dann startete die Radtour: 380 Kilometer westwärts, im Grenzbereich. „Es ist eine wundschöne Landschaft mit Mittelgebirgen und Naturschutzparks“, schwärmt Gisela Kallenbach. „Man hat uns auch durch Gebiete geführt, in die sonst keiner darf.“ Überraschung: Die angekündigten Quartiere in typischen koreanischen Gästehäusern entpuppten sich als Kasernen mit großen Gemeinschaftsschlafflächen. „Uns wurde bald klar, dass es in dieser Region keine größeren Städte gab, in denen man uns hätte unterbringen können“, erzählt Kallenbach. Denn: Die Leipziger wurden von rund 60 Südkoreanern begleitet. Die Kommunikation war nicht einfach, nur sechs der begleitenden Gastgeber sprachen Englisch. Es klappte trotzdem; viel wurde hin und her übersetzt. Gisela Kallenbach erinnert sich gerne an einen gemeinsamen Abend mit Reiswein, bei dem ein Südkoreaner „Lili Marleen“ auf der Mundharmonika spielte. Bei den Gesprächen stellte sich aber auch schnell heraus: Die besondere Rolle Leipzigs während der Friedlichen Revolution in Deutschland ist vielen Südkoreanern nicht bekannt.

Nicht alle Teilnehmer bestritten die komplette Strecke, auf der es Steigungen bis zu 14 Prozent gab, mit dem Rad. Manche fuhren etappenweise mit dem Bus. In der Stadt Cheorwon wurden die Deutschen mit dem Radetzky-Marsch empfangen; die Stadt hat eine besondere Historie. Sie ist nur 15 Kilometer von der Grenze entfernt und gehörte vor dem Koreakrieg (1950-1953) zu Nordkorea. Der Krieg ist immer noch zu sehen – viele Ruinen stehen noch, die bedeutendste ist die frühere Zentrale der Arbeiterpartei Nordkoreas. In Panmunjeom, einer militärischen Siedlung zwischen Nord- und Südkorea, in der das Ende des Koreakrieges verhandelt wurde, durchschnitten die Leipziger das Band bei der Grundsteinlegung für ein Denkmal. Sie habe den deutlichen Wunsch nach einer Wiedervereinigung gespürt, aber auch den Anspruch, dass diese Wiedervereinigung nach südkoreanischen, demokratischen Prinzipien erfolgen soll, erzählt Gisela Kallenbach. Sie sieht jedoch viele Unterschiede zur Situation vor der deutschen Wiedervereinigung. In Ostdeutschland habe es einen Willen dazu gegeben, den sie in Nordkorea so nicht erkennen kann.

Eine Botschaft haben die Leipziger auf jeden Fall hinterlassen, glaubt die frühere Bürgerrechtlerin: die einer Revolution. Das sei während der Fahrt und bei verschiedenen Anlässen immer wieder deutlich geworden. Die Radler-Truppe will sich in diesen Tagen wieder treffen. „Wir möchten einen Kontakt zur koreanischen Gemeinde in der Eisenbahnstraße aufbauen“, erklärt Kallenbach. Vielleicht können die Leipziger Bürgerrechtler ja eines Tages noch eine weitere Wiedervereinigung begleiten...

Von Björn Meine