Rückschau auf erfolgreichen Widerstand gegen Legida und die “Offensive für Deutschland”

Bild: Caruso Pinguin, CC BY-NC 2.0

In den letzten Wochen gab es eine Vielzahl an Naziaufmärschen in Leipzig, die mehr oder weniger mit erfolgreichem antifaschistischem Widerstand konfrontiert wurden. Dieser Text will eine Zusammenfassung bieten, aber auch Lust auf mehr in den nächsten Wochen machen. Die nächste Gelegenheit bietet sich am 18. November gegen die AfD vor dem Bundesverwaltungsgericht, jeden Montag gegen Legida auch im Jahr 2016 und natürlich am 12. Dezember gegen drei Naziaufmärsche in Connewitz.

 

Vorweg, es gab fast keinen Nazi- oder RassistInnenaufmarsch in den letzten Wochen, bei denen es nicht zum direkten Aufeinandertreffen zwischen AntifaschistInnen und Neonazis/RassistInnen gekommen ist. Offizielle Meldungen dazu gibt es oft, jedoch nicht immer.

 

Der Artikel nimmt jedoch Rücksicht auf das immer noch gegen 14 Personen laufende Verfahren nach §129. Jeglicher Text, der mehr erzählt, als über öffentliche Informationen von Polizei und Medien schon bekannt ist, wird sicherlich zum Verfahren beitragen. Des weiteren wurde durch Anfragen aus dem sächsischen Landtag bekannt, dass es in Sachsen zwei weitere Verfahren nach §129 gibt, jedoch verweigert das sächsische Innenministerium jede Information über Hintergründe, Anzahl der Beschuldigten und Beginn des Verfahrens. Gegen wen sich diese weiteren Verfahren richten, bleibt daher Spekulation. Weitere Verfahren gegen linke Strukturen aus Leipzig sind jedoch nicht unwahrscheinlich.

 

Eine Chronik des antifaschistischen Widerstands


14. September. Der Legida-Aufmarsch kann erstmalig komplett gestoppt werden. Eine größere Gruppe von Hooligans und Nazis, die zuvor unbehelligt von der Dessauer Straße zum Richard-Wagner-Platz gezogen war, rastet aus und greift die Polizei an. Nach vielen Jahren wird auch erstmalig wieder ein Wasserwerfer in der Leipziger Innenstadt gegen GegendemonstrantInnen eingesetzt, der jedoch vertrieben werden kann. Vorne bei Legida mit dabei ist auch Reinhard Rade. Die Presse vermeldet 500 bei Legida und 1000 GegendemonstrantInnen.

21. September. Es kommt erneut zu größeren Blockaden, die Route wird winzig, in der Presse wird von 500 Metern berichtet. Der ver.di-Bundeskongress wird unterbrochen, damit sich GewerkschafterInnen am Gegenprotest beteiligen können. Bei Legida sollen es an diesem Montag 700-900 und bei den Gegenprotesten bis zu 1500 Personen sein.

23. September. Legida veranstaltet einen Trauermarsch mit 500 RassistInnen. Die Gegenproteste am Abend sind dezentral und “mobil-dynamisch”, wie es die Polizei ausdrückt. Auf der Strecke gibt es fast ein Dutzend Sitzblockaden, die meisten sind jedoch zu klein, um die komplette Route zu blockieren, daher führt die Polizei den Legida-Aufmarsch nach zähem “Stop and Go” zum Teil im Schlängelkurs um die Blockaden herum. Der Endpunkt von Legida ist zum Teil besetzt, so dass sie ihre Abschlusskundgebung weiter vorne durchführen müssen. Hier ergreift Siegfried Däbritz von Pegida das Wort.

26. September. Erstmals tritt die “Offensive für Deutschland” (OfD) in Leipzig auf den Plan. Anmelder ist Silvio Rösler, der Ex-Anführer von Legida. Es versammeln sich bis zu 350 TeilnehmerInnen, hauptsächlich Neonazis und Hools, in Leipzig. Ihnen gegenüber stehen an dem Tag mehr als 1500 GegendemonstrantInnen. Die größte antifaschistische Demonstration kommt an jenem Tag aus Connewitz mit 1000 Menschen. Der sehr kurze Aufmarsch der OfD wird aufgrund des starken antifaschistischen Widerstandes nochmals verkürzt. So heißt es:

  • Später postierte sich eine große Zahl von Demonstranten rund um den Augustusplatz, darunter auch gewaltbereite linke Gegendemonstranten. “Es gab zunächst massive verbale Attacken von beiden Seiten und den Willen zu Blockaden”, so Polizeisprecher Uwe Voigt. Die Laufroute der “Offensive” sei dann in Absprache von Ordnungsamt und Versammlungsleiter verkürzt worden. Statt bis zum Neuen Rathaus liefen die Teilnehmer bis zum Wilhelm-Leuschner-Platz. Dort eskalierte die Lage. Der rechte Aufmarsch drehte wieder zum Augustusplatz ab. Linke Kräfte griffen Beamte an, “Offensive”-Anhänger drängten über die Absperrungen. Die Polizei trat massiv auf, um die Lager zu trennen. Laut Polizeiangaben kam es zu Stein- und Flaschenwürfen gegen die Aufzugsteilnehmer und die Polizei. In einer vorläufigen Einsatzbilanz war die Rede von 13 verletzten Polizeibeamten, 17 beschädigten Einsatzfahrzeugen und zwölf Personen, die in Gewahrsam genommen wurden.

Abermals in diesem Jahr wird in den Medien und bei den Behörden von einer “neuen Qualität” gesprochen.

 

Aus Frust werfen Nazis am Abend aus einem fahrenden Auto einen Rauchtopf auf den Eingang eines linken Projektes in Connewitz. Jedoch organisiert sich im Stadtteil schnell der antifaschistische Selbstschutz und kann weitere Aktionen von mindestens drei Naziautos durch starke Präsenz auf den Straßen unterbinden. Die Polizei fährt ebenfalls groß auf, beschränkt sich aber auf den Schutz ihres Polizeipostens und des Connewitzer Kreuzes.

28. September. Legida zieht mit 700-800 RassistInnen auf ihrer alten Route über den westlichen Innenstadtring zum Rathaus und zurück. An den Gegenprotesten beteiligen sich wieder 1000 Menschen. Die Polizei gibt sich besondere Mühe, aus ihren Fehlern vom Samstag zu lernen. Bei Legida marschiert auch der gerade frisch aus der Untersuchungshaft entlasse NPD-Stadtrat Enrico Böhm.

5. Oktober. Legida ist wieder mit 700-800 RassistInnen unterwegs. Der Gegenprotest bewegt sich auch zwischen 800-1000 Menschen. Wenige Menschen suchen nach Wegen auf die Route, die Polizei ist jedoch auf diese Strecke mittlerweile gut eingestellt.

12. Oktober. Die Zahl bei Legida steigt vor dem Pegida-Geburtstag auf fast 900, ebenso viele stellen sich gegen den Aufmarsch. Die Polizei ist mit so wenigen Kräften (500) wie noch nie im Einsatz. Die größeren Räume werden jedoch nicht genutzt, es gelingt weder eine Blockade noch andere größere Aktionen. Viele begnügen sich damit, am Rand zu stehen und Lärm zu machen. Es kommt wie so oft zu Attacken auf JournalistInnen durch Legida-AnhängerInnen. Polizei und Legida berichten vom Wurf eines Molotow-Cocktails auf das Bühnenauto von Legida nach dem Aufmarsch.

17. Oktober. Die “Offensive für Deutschland” versucht es erneut in Leipzig. Im Stadtteil Grünau kann sie keine 100 Nazis und RassistInnen auf die Straße bringen. Mehr als 500 AntifaschistInnen beteiligen sich an dem Tag an Aktionen gegen den Naziaufmarsch. Vor Beginn der Nazi-Demo wird mit Bränden in Kabelschächten versucht, den S-Bahn-Verkehr zu stören. Es kommt zu Sitzblockaden, dem Bau von Barrikaden, brennenden Mülltonnen und militanter Gegenwehr gegenüber der Polizei. Die Route der Nazis muss stark gekürzt werden. Merkwürdigerweise wird medial nicht von “neuen Qualitäten” berichtet. Wann jedoch in Grünau schon mal so viel gegen einen Naziaufmarsch ging, werden nicht mal “ältere” AntifaschistInnen sagen können.

19. Oktober. Legida marschiert nicht, sondern feiert in Dresden den Geburtstag von Pegida. Es fahren Busse aus Leipzig nach Dresden, um sich dort den antifaschistischen Gegenprotesten anzuschließen. Den frei gewordenen Demonstrationstermin nimmt dafür die “Offensive für Deutschland” ein. Auch hier können keine 100 RassistInnen versammelt werden. Knapp 500 Menschen protestieren in Leipzig gegen die “OfD”. Versuche von Blockaden werden von der Polizei gewaltsam unterbunden. Am Abend kommt es vor und in dem Leipziger Bahnhof zu Auseinandersetzungen zwischen AntifaschistInnen und Nazis, die aus Dresden zurück kehrten. Ein Nazi zieht dabei ein Messer.

24. Oktober. Die “Offensive für Deutschland” versucht es nun in Markkleeberg. Vor dem Naziaufmarsch erinnern mehr als 900 Menschen an den Mord an Kamal K. und allen weiteren Opfern rechter Gewalt in Leipzig. In Markkleeberg kommen nur noch 50 RassistInnen zusammen. Es kommt zu zwei Blockaden auf der Route, sie muss wieder massiv gekürzt werden. Letztendlich bricht die OfD ihren Aufmarsch ab. Nach einen Angriff der Polizei auf AntifaschistInnen kommt es zur Gegenwehr. Fünf Polizeiautos werden beschädigt, eines sei nicht mehr “fahrbereit”. Zwei leere Baracken in der Nähe der Route brennen, ob es mit der Demo zu tun hat ist unklar. Die Polizei kesselt aus Frust mehr als 100 AntifaschistInnen und nimmt die Personalien auf.

26. Oktober. Legida läuft wieder mit 850 RassistInnen durch Leipzig. 1000 Menschen protestieren dagegen. In der Presse wird von vier angegriffenen RassistInnen bei Legida berichtet sowie von geworfenen Böllern und Flaschen auf Legida. Es werden auch zwei Autos beschädigt, laut eigenen Angaben gehörten sie dem Orgakreis von “No Legida”. Auf der Legida-Bühne darf Jürgen Elsässer wieder seine “Wahrheiten” verbreiten.

30. Oktober. Die “Offensive für Deutschland” kommt in Leipzig-Gohlis nur noch auf 20 RassistInnen. 200 Menschen protestieren dagegen, die OfD packt sehr schnell wieder ein.

2. November. 800 bei Legida und nur noch 600 AntifaschistInnen auf der Straße. Erstmalig ist Legida eindeutig “größer” als der Gegenprotest. Dennoch versuchen AntifaschistInnen Absperrungen zu überwinden und die Route zu blockieren. Die Polizei unterbindet dies jedoch.

 

9. November. Legida darf nur eine stationäre Kundgebung abhalten. Mehr als 2500 AntifaschistInnen demonstrieren gegen 450 RassistInnen von Legida. Es kommt zu Blockaden um die Legida-Kundgebung mit dem Ziel, die RassistInnen sich nicht sammeln zu lassen. Die Polizei greift wie so oft in den letzten Monaten AntifaschistInnen an. Der Nazi Kevin Dehn, der am 19. Oktober GegendemonstrantInnen mit einem Messer anging, greift nach der Legida-Versammlung unter den Augen der Polizei Protestierende mit Pfefferspray an.

16. November. Legida läuft auf ihrer bekannten Route mit 450-600 RassistInnen. Ihnen stellen sich bei beschissenem Wetter 900 AntifaschistInnen entgegen.