Geheimdienste verweigern Aussage

Neonazis von FAP, NPD und Nationaler Liste beim »Rudolf-Hess-Marsch« in Fulda am 14. August 1993 – mit dabei Frank Steffen (Bildmitte mit Bürstenhaarschnitt) Foto: Christian-Ditsch.de
Erstveröffentlicht: 
23.10.2015

Nach dem Mordversuch in Köln: Antifaschisten veröffentlichen Details über Neonaziaktivitäten des Attentäters Frank Steffen. Verfassungsschutz mauert weiter.

 

Henriette Reker ist als neue Kölner Oberbürgermeisterin im Amt. Die bei einem Attentat am vergangenen Samstag schwer verletzte Politikerin nahm die Wahl an, wie die Stadt erklärte. Am Donnerstag unterschrieb sie eine entsprechende Erklärung. Die parteilose Politikerin liegt allerdings nach der Messerattacke auf sie wie vor im Krankenhaus. Derweil werfen die politischen Hintergründe des Attentäters Frank Steffen weiterhin Fragen auf. Aufgrund verschiedener Ungereimtheiten wird spekuliert, ob Steffen als sogenannter V-Mann für einen der Inlandsgeheimdienste arbeitete. Nachdem jW bereits am Mittwoch beim Bundesamt für Verfassungsschutz angefragt hatte, ob Steffen jemals für die Behörde tätig gewesen sei, teilte eine Sprecherin des Geheimdienstes am Donnerstag auf wiederholte Bitten um Informationen mit, dass man »keine Auskunft« zu Frank Steffen erteilen werde. Dabei wäre es ein Leichtes, einen etwaige Verdacht auszuräumen. Antwort erhielt jW auch nicht auf die Frage, ob Erkenntnisse über Kontakte des Attentäters zur nordrhein-westfälischen Neofaschistin Melanie Dittmer vorlägen. Dittmer, die derzeit – so auch am heutigen Freitag – Aufmärsche des rassistischen Netzwerkes »Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes« (»Dügida«) organisiert, hatte in der Vergangenheit an Wehrsportübungen teilgenommen, in deren Rahmen auch Angriffe mit Stichwaffen, darunter auch – wie von Steffen verübt – gezielt in den Hals trainiert worden waren (jW berichtete). Ebenfalls keinerlei Angaben wollte der Verfassungsschutz zu Norbert Weidner machen, der in den 1990er Jahren wie Steffen in der Bonner Neonaziszene aktiv war und zugleich als V-Mann tätig gewesen sein soll. Zuvor hatte sich bereits das nordrhein-westfälische Landesamt für Verfassungsschutz geweigert, die Fragen von junge Welt zu beantworten.

 

Die antifaschistische Zeitschrift Lotta veröffentlichte am Donnerstag auf ihrer Internetseite hingegen weitere Informationen zu dem Kölner Attentäter. Gegen Steffen ist demnach bereits 1993 ein Verfahren am Amtsgericht Bonn wegen einer Messerattacke gelaufen. »Dazu passt auch, dass er schon früh den Spitznamen ›Messerstecher‹ trug« und Antifaschisten mehrfach mit dem Messer bedroht habe, berichtete das Blatt. In dem Neonazi-Fanzine Schwarze Fahne, welches von der NPD-Organisation »Junge Nationaldemokraten« (JN) herausgegeben wurde, finden sich in der Ausgabe 3/1998 Grüße an »inhaftierte Kameraden«, darunter auch an Frank Steffen. »Dügida«-Organisatorin Melanie Dittmer wird in eben diesem Heft als Redaktionsmitglied geführt, berichtete Lotta weiter.

 

Um Licht ins Dunkel der Melange aus Neonazis, Rassisten und Geheimdienstmitarbeitern zu bringen, richtete die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen am Mittwoch eine kleine Anfrage an die Bundesregierung. Sie fordert, alle Geheimdienstinformationen über den Attentäter offenzulegen.

 

Spekulationen über eine mögliche Zusammenarbeit Steffens mit Inlandsgeheimdiensten wurden in den vergangenen Tagen dadurch genährt, dass seine Akte beim Arbeitsamt als geheim eingestuft worden und somit nur für einen ausgewählten Personenkreis zugänglich ist. Zudem soll der ALG-II-Bezieher nie selbst bei der Behörde vorgesprochen haben. Hinzu kommt, dass die 1995 verbotene »Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei« (FAP), zu deren Anhängerschaft sowohl der Attentäter gegen Henriette Reker als auch Norbert Weidner zählten, nicht nur ein Sammelbecken gewaltbereiter und gewalttätiger Neofaschisten war, sondern auch von V-Leuten durchsetzt war.

Auffallend ist außerdem, dass Steffen den von ihm verübten Mordanschlag offenbar bis ins letzte Detail geplant hatte. So soll die Polizei in seiner Kölner Wohnung kein Material gefunden haben, was auf das Attentat hindeutete: Die Festplatten seiner Computer sollen herausgenommen worden und nicht auffindbar sein.