Religionskritik oder Rassismus?

Erstveröffentlicht: 
31.08.2015

Der Aufstieg der falschen Antifaschisten

 

Rassismus will sich keiner nachsagen lassen – noch nicht einmal Rechtspopulisten. Er habe nichts gegen Muslime, sondern nur gegen den Islam, weil er den als eine faschistische Ideologie betrachte, beteuert Geert Wilders treuherzig, wann immer er ein Interview gibt. So ähnlich formulieren das auch andere "Islamkritiker" wie Ayaan Hirsi Ali, Alice Schwarzer, Necla Kelek und Hamed Abdel-Samad.

 

Alice Schwarzer hält den Rassismusvorwurf ohnehin nur für einen "Trick gewisser Linker und Liberaler", um sie "einzuschüchtern". Und Necla Kelek findet, der Begriff werde von Muslimen "missbraucht", als Migrantin fühlt sie sich über diesen Vorwurf erhaben.

 

Zur Not verweist man, wie der verstorbene Ralph Giordano es gemacht hat, mit Nachdruck auf die eigene jüdische Herkunft und antifaschistische Vita, um den Vorwurf der rassistischen Hetze gegen Minderheiten voller Empörung weit von sich zu weisen. Selbst die Schweizer Pfarrerin Christine Dietrich, nach ihrer Nebentätigkeit als Mitbegründerin und Autorin von "Politically Incorrect" gefragt, behauptete, "dass wir keine Rassisten sind, sondern islamkritisch sind, dass wir nicht gegen Menschen uns richten, egal welcher Herkunft oder Hautfarbe, sondern gegen politische Systeme und Ideologien". Und Ideologiekritik ist doch etwas Gutes, oder nicht?

 

Dabei bedienen sich diese "Islamkritiker" gerne eines Taschenspielertricks. Indem sie dem Islam absprechen, überhaupt eine Religion zu sein, und ihn stattdessen zu einer totalitären Ideologie erklären, die dem Faschismus gleicht, halten sie sich selbst im Handumdrehen für die einzig wahren Antifaschisten, weil sie die Gefahr erkennen und benennen, während alle anderen Appeasement betreiben. Muslime stellen sie dafür als die eigentlichen Rassisten dar, die, so Alice Schwarzer, zum Beispiel "Geschlechter-Apartheid" betrieben.

 

Auch Marine Le Pen, FPO-Chef Heinz-Christian Strache und andere Rechtsparteien geben heute vor, entschieden gegen Rassismus zu sein – vor allem gegen solchen von muslimischer Seite.[2] Dabei steht außer Frage, dass es islamistische Gruppen wie die IS-Milizen oder Boko Haram gibt, deren Ideologie zweifellos totalitäre oder gar faschistoide Züge tragt. Doch indem eine populistische "Islamkritik" die Unterschiede zwischen dem Islam, dem Islamismus als politischer Ideologie und seinen terroristischen Auswüchsen bewusst verwischt, stempelt sie den Glauben von 1,3 Milliarden Menschen auf der Welt zu einer Art irrationalem Gewaltkult ab. Mit diesem Argument lässt es sich leichter begründen, warum man die Religionsfreiheit für Muslime aushebeln will.

 

Die Gleichsetzung von Islam und Faschismus stammt aus dem Dunstkreis neokonservativer Denkfabriken in den USA und wurde nach dem 11. September benutzt, um den "Krieg gegen den Terror" als einen Kampf zwischen Freiheit und Demokratie und islamistischem Totalitarismus darzustellen. Doch die Rede vom "Islamofaschismus" dient auch innenpolitischen Zwecken. Ayaan Hirsi Ali war eine der ersten, die den Islam einen "neuen Faschismus" nannte und damit die Notwendigkeit von Angriffskriegen und einer drakonischen Integrationspolitik begründete.

 

Auch Alice Schwarzer, Leon de Winter, Ralph Giordano und Necla Kelek haben den Islam mehrfach mit dem Faschismus oder dem Rechtsextremismus gleichgesetzt. Alice Schwarzer vergleicht das Kopftuch gerne mit dem Judenstern im Dritten Reich und übergeht mit diesem geschmacklosen Vergleich die Tatsache, dass es von den meisten Frauen in Deutschland freiwillig getragen wird. Auf dem gleichen Niveau bewegte sich der Schweizer Journalist Heinz Gstrein, der im Vorfeld der Schweizer Anti-Minarett-Initiative im Schweizer Fernsehen und vielen Talkrunden als "Experte" auftrat und dort Minarette allen Ernstes mit Hakenkreuzen verglich.

 

Hamed Abdel-Samad hat sogar ein ganzes Buch geschrieben, in dem er die These ausarbeitet, der Faschismus sei schon in der Frühzeit des Islam angelegt – sozusagen ein Faschismus avant la lettre. Dass das vergleichsweise säkulare Regime des ägyptischen Diktators al-Sisi, das Abdel-Samad als kleineres Übel anpreist, längst selbst faschistoide Züge trägt, darüber verliert er in seinem Buch kein Wort.

 

Noch plakativer geht die Anti-Islam-Aktivistin Pamela Geller vor: Um die angeblich innige Verbindung zwischen Faschismus und Islam aufzuzeigen, lies sie ein Plakat produzieren, das ein Foto eines Treffens von Adolf Hitler mit dem ehemaligen Mufti von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini zeigt, das 1941 stattgefunden hat.[4] Daneben stellte sie den Slogan, der Judenhass gründe schon im Koran, und die Forderung, sämtliche Zahlungen an alle islamischen Länder einzustellen. Mit diesem Motiv ließ sie 2014 die Busse der Washingtoner Verkehrsbetriebe überziehen. Ein anderer Islamfeind, Michael Sturzenberger, hält sich sogar für einen Wiedergänger der Widerstandsgruppe "Weiße Rose", mit der die Geschwister Scholl gegen das Hitler-Regime aufbegehrten

 

Daniel Bax