Beznau beunruhigt die europäischen Experten

Erstveröffentlicht: 
18.08.2015

ATOM Das Land erlebte einige Stunden Ausschaltung aller AKWs, während ein kürzlich erschienener Rapport die schweizerische AKW-Reihe und ihr Kontrollorgan diskreditiert

 

In der Nacht von Sonntag auf Montag funktionierte in der Schweiz kein AKW mehr. Ein sehr provisorischer Atomausstieg, der durch die Abschaltung von Gösgen (SO) zur Reparatur eines Dampflecks in einer nicht nuklearen Turbine zustande kam. Und das, während die vier anderen AKWs in ihrer jährlichen Revision stehen.

 

In diese anscheinende Sorglosigkeit hinein berichtete der Tages Anzeiger von einer beunruhigenden Situation im weltweit ältesten aktiven AKW Beznau I im Kanton Aargau. Gemäss eines Rapports von WENRA (Untergruppe der Europäischen Arbeitsgruppe für nukleare Sicherheit – European Nuclear Safety Regulators Group, ENSREG) ist eine Dokumentation zur Herstellung des Reaktorkessels unauffindbar. Genauer, es geht um die Beschreibung seiner thermischen Behandlung nach dem Schmieden. „Unglaublich“ meint Roger Nordmann (Sozialistische Partei, Kanton Vaud). „Vor allem wenn man weiss, dass in Beznau alles von diesem Kessel abhängt, denn es gibt keine wirklich zweite Betonummantlung. Der kleinste Unfall kann also zur Katastrophe führen“, erklärt der Nationalrat. „Es ist das wichtigste Stück zur nuklearen Sicherheit, in dem das radioaktive Material enthalten ist“, bestätigt Florian Kasser, Nuklearexperte von Greenpeace.

 

WENRA (…) hat allen europäischen Betreibern empfohlen, ihre Reaktion zu überprüfen. Diese Weisung wurde erlassen, nachdem im Stahl der kessel der belgischen Reaktoren Doel III und Tihange II abertausende Risse festgestellt wurden. „Das Problem könnte mit der thermischen Behandlung des Kessels während seiner Herstellung verbunden sein und genau diese Dokumente sind für Beznau verschwunden. Das finde ich seltsam“, kommentiert Florian Kasser und stellt fest, dass diese Beschreibungen in drei Kopien existieren sollten – eine beim Betreiber AXPO, eine bei der Schmiede und eine in der Archiven der Aufsichtsbehörde.

 

Eine unglaubwürdig machende Begebenheit

 

Diese Sachlage stellt erneut die Glaubwürdigkeit des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektoriats (ENSI) in Frage“, fährt Roger Nordmann fort. „Jedenfalls ist es ein Argument mehr, um Beznau endgültig abzuschalten. Mit der Abschaltung aller fünf AKWs sieht man auch, dass dies die Stromversorgung nicht unmittelbar gefährdet.“ Zu seiner Verteidigung erklärt ENSI – und behauptet, seit 2013 von dieser Unauffindbarkeit Kenntnis zu haben -, dass die Sichtung dieser Dokumente bloss ein Aspekt der Prüfungsprozedur sei. „Die im Nachhinein stattgefundenen Ultraschall-Materialprüfungen sind wichtiger. Sind entscheidend“, antwortet sein Sprecher, Sebastian Hüber. Und genau diese Tests haben Defekte aufgezeigt. Darum verlangte ENSI zusätzliche Überprüfungen. „Wir werden Beznau I keine Bewilligung zum erneuten Start geben, wenn wir nicht sicher sind, dass diese Feststellungen keine Verschlechterung der Sicherheit darstellen“, beruhigt Sebastian Hüber.

 

Dieser eventuelle Neustart gefällt Greenpeace nicht und die NGO sagt eine Pressekonferenz am Donnerstag mit der Enthüllung eines grösseren Sicherheitslecks in Beznau an. Dann wird sie auch ein gerichtliches Verfahren zur Ausschaltung des Reaktors lancieren.

 

von Cléa Favre

clea.favre@lemantin.ch

 

Üb. Mc, Knast Menzingen, CH