Neo­na­zi-Ro­cker griff or­tho­do­xen Ju­den an

Neo­na­zi-Ro­cker griff or­tho­do­xen Ju­den an
Erstveröffentlicht: 
26.07.2015

«Amok»-Sän­ger Ke­vin G. will am 1. Au­gust auf­tre­ten – die Schweiz steht am Sams­tag im Fo­kus der rech­ten Sze­ne Eu­ro­pas

 

Von Fa­bi­an Eber­hard

 

Zü­rich Die jun­gen Ker­le joh­len. So­eben ha­ben sie ei­nen or­tho­do­xen Ju­den er­blickt. Der Mann Mit­te 40 ist auf dem Heim­weg von der Syn­ago­ge, als sie sich ihm an ei­ner Stras­sen­kreu­zung in Zü­rich-Wie­di­kon in den Weg stel­len. Es ist der 4. Ju­li, kurz vor 18 Uhr. Der Gläu­bi­ge fragt, wo das Pro­blem lie­ge. Da spuckt der tä­to­wier­te An­füh­rer der rund 20-köp­fi­gen Grup­pe ihm ins Ge­sicht und schreit «Scheiss­ju­de» und «Heil Hit­ler». Sei­ne Ka­me­ra­den feu­ern ihn an, stre­cken den Arm zum Hit­ler­gruss aus. Jetzt schubst er den Ju­den, sagt ihm, dass er nach Ausch­witz ge­hen soll. Erst als die von Pas­san­ten alar­mier­te Po­li­zei ein­greift, las­sen die Män­ner ihr Op­fer in Ru­he.

 

Die Stadt­po­li­zei Zü­rich in­for­mier­te bis heu­te nicht über den an­ti­se­mi­ti­schen Über­griff. Spre­che­rin Ju­dith Hödl be­stä­tigt auf An­fra­ge zwar, dass es an die­sem Abend zu Tät­lich­kei­ten ei­ner Grup­pe Män­ner kam. So­lan­ge die Ab­klä­run­gen lau­fen, kön­ne man al­ler­dings nicht mehr da­zu sa­gen.

 

Re­cher­chen zei­gen: Der An­grei­fer, der den Ju­den ge­mäss meh­re­ren Zeu­gen be­schimpft, ge­schubst und an­ge­spuckt hat, ist Ke­vin G., 27. Er ist Sän­ger der Schwei­zer Neo­na­zi-Band «Amok». Ihn hat die Po­li­zei nach dem Über­griff kon­trol­liert und re­gis­triert, in ei­ner pro­vi­so­ri­schen Straf­an­zei­ge ist er als Haupt­tä­ter auf­ge­führt. Der Rechts­ex­tre­mist aus Hom­brech­ti­kon ZH war der Po­li­zei be­reits be­kannt: G. ist un­ter an­de­rem we­gen Dro­hung, Ras­sen­dis­kri­mi­nie­rung und Waf­fen­be­sitz vor­be­straft.

 

In­ter­na­tio­na­ler An­lass im Gross­raum Zü­rich

 

Mit der Rechts­rock­band «Amok» trat G. wie­der­holt an ex­tre­mis­ti­schen Ver­an­stal­tun­gen auf. Sein nächs­tes Kon­zert soll just kom­men­de Wo­che statt­fin­den. Un­ter dem Mot­to «Rock fürs Va­ter­land» mo­bi­li­siert das in Deutsch­land ver­bo­te­ne Neo­na­zi-Netz­werk «Blood & Ho­no­ur» zu ei­nem in­ter­na­tio­na­len An­lass im Gross­raum Zü­rich. Ne­ben Amok ste­hen pro­mi­nen­te Bands aus Deutsch­land und Eng­land auf dem Pro­gramm.

 

Auch an­de­re rechts­ex­tre­me Grup­pie­run­gen wol­len den Na­tio­nal­fei­er­tag für sich nut­zen. In der Ro­man­die plant der Schwei­zer Ab­le­ger der mi­li­tan­ten Ham­mer­s­kins ei­nen Gross-Event mit Bands aus Por­tu­gal, Po­len und Frank­reich. Der ge­naue Ort wird bis zu­letzt ge­heim ge­hal­ten. Be­reits am Mor­gen des 1. Au­gust lädt die Par­tei Na­tio­nal Ori­en­tier­ter Schwei­zer (Pnos) zu ei­nem «Buu­rez­mor­ge» im Obera­ar­gau. Al­les deu­tet dar­auf hin, dass die Schweiz am Sams­tag zum Zen­trum der eu­ro­päi­schen Neo­na­zi-Sze­ne wird. Die Kon­zer­te dürf­ten meh­re­re Hun­dert Teil­neh­mer an­lo­cken – auch aus dem Aus­land.

 

Der Schwei­ze­ri­sche Is­rae­li­ti­sche Ge­mein­de­bund (SIG) for­dert die Be­hör­den zu er­höh­ter Wach­sam­keit auf, ins­be­son­de­re nach dem Vor­fall in Wie­di­kon: «Wir er­war­ten, dass die rechts­ex­tre­men An­läs­se ge­nau be­ob­ach­tet wer­den und so­fort ein­ge­grif­fen wird, falls ras­sis­ti­sches oder an­ti­se­mi­ti­sches Ge­dan­ken­gut ver­brei­tet wird», sagt Ge­ne­ral­se­kre­tär Jo­na­than Kreut­ner. Was am 4. Ju­li pas­sier­te, ma­che den SIG «sehr be­trof­fen».

 

Ke­vin G.s Op­fer hat noch im­mer Angst. Der or­tho­do­xe Ju­de will an­onym blei­ben, fürch­tet wei­te­re At­ta­cken. Nach dem Zwi­schen­fall in Wie­di­kon gab er zu Pro­to­koll, dass er wäh­rend der Pö­be­lei­en an die Ge­schwis­ter sei­ner Mut­ter den­ken muss­te. Sie wur­den im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz von den Na­zis ver­gast.