Interview mit Polizeipräsident Merbitz: "Es muss jetzt gehandelt werden"

Erstveröffentlicht: 
09.06.2015

Leipzigs Polizeichef Bernd Merbitz hat mehr Beamte für den Kampf gegen linksextreme Gewalt in der Stadt gefordert. Merbitz sagte bei MDR INFO: "Dass sich hier in Leipzig etwas tun muss, was die Erhöhung der Präsenz betrifft, vor allem an den Schwerpunkten, wie Connewitz oder Plagwitz. Dort will ich Polizei sehen, um im Vorfeld schon so etwas zu verhindern." Merbitz reagiert damit auf gewalttätige Ausschreitungen am Wochenende, bei denen 100 vermummte Linksextreme nahe der Innenstadt schweren Sachschaden angerichtet und Polizeibeamte angegriffen haben.

 

Was wissen Sie mit Stand heute Morgen (8. Juni/Anm. der Redaktion) über die Krawallmacher?


Vielleicht noch mal der Ausgangspunkt: Am Freitag, am späten Abend, etwa so 22:15 Uhr, kam es zu einer schweren Auseinandersetzung zwischen ca. hundert – ich bezeichne sie jetzt schon als Linksextremisten – weil zwischenzeitlich auch verschiedene Plakate vorliegen - wo der politische Charakter zum Ausdruck kommt - die mit einer brutalen Gewalt gegen Polizei vorgegangen sind, gegen Sachen, gegen das Bundesverwaltungsgericht, Farbbeutel, Teerbeutel, Molotow-Cocktails, über 200 Pflastersteine sind in Richtung der Polizei geflogen. Einer der schlimmsten Exzesse, wie mir auch andere Polizeibeamte bestätigt haben, die sie im Laufe ihrer Dienstzeit überhaupt so noch nicht erlebt haben. Wir sind momentan als Polizei dran, untersuchen das, wir haben viele Spuren gesichert. Wir haben das ganze Wochenende gearbeitet, sodass wir Spuren aufbereitet haben. Wir sind in den Ermittlungen drin und ich hoffe auch, dass wir dann am Ende erfolgreich sein werden.

 

Es heißt, es habe eine Festnahme gegeben. Können Sie das bestätigen?


Es hat eine Festnahme gegeben. Der Festgenommene war auch in diesem Pulk mit, bei den Randalierern. Er ist ED (Anm. ED = erkennungsdienstlich) behandelt worden. Er hat natürlich keine Aussagen dazu gemacht und wurde dann nach kurzer Zeit wieder entlassen von der Polizei.

 

Warum nur eine Festnahme?


Ja, Sie müssen sich vorstellen - da gilt auch mein besonderer Dank an meine Beamten - wenn ca. 100 gewaltbereite und gewaltausübende Chaoten Richtung Innenstadt stürmen, und ich zu dem Zeitpunkt einen Teil meines Einsatzzuges der (nachfolgendes Wort unverständlich) mit 20 Leuten, die sich denen entgegengestellt haben - sie haben zu verhindern, dass sie sich weiter in die Innenstadt (wo wir glaubten, dass sie dorthin wollten) - diese aufzuhalten, und ich glaube, das war auch das Anliegen. Es waren in dieser Situation auch nicht mehr Festnahmen durchzuführen, was wir uns natürlich gern gewünscht hätten.

 

Herr Merbitz, diese Art von Gewalt häuft sich in Leipzig. Wenn ich richtig mitgezählt habe sind es mindestens vier ähnliche Angriffe in diesem Jahr schon gewesen: Die Polizeiwache Connewitz, die Polizei-Außenstelle Weißenfelser Straße - was ist in all diesen Fällen bei den polizeilichen Ermittlungen überhaupt herausgekommen?


Ja wissen Sie, die Ermittlungen gestalten sich natürlich auch äußerst schwierig. Die Angriffe, die erfolgen, die sind in relativ kurzer Zeit, mit einer kurzen Zeitspanne geführt worden, vermummt. Es ist nicht so, dass es auf der Hand liegt, dass die Täter sagen „Wir waren es“. Wir wissen, dass sie aus dem linksextremistischen gewaltbereiten Bereich kommen. Diese Ermittlungen, die wir führen, sind natürlich auch langwierig und unterscheiden sich im Wesentlichen von allen anderen Fragen in politischer Motivation von Straftaten. Die gestalten sich äußerst kompliziert, obwohl wir sehr intensiv auch daran arbeiten.

 

Die politische Motivation - es heißt auch die extremistische Szene der linken Seite sei ganz gut vernetzt bis hinein in die Politik. Solche Andeutungen hat zum Beispiel Albrecht Pallas gemacht, der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Das hat er gesagt:

Zitat Albrecht Pallas:

Man muss sich die Frage stellen, inwieweit möglicherweise solche Gruppierungen einen gewissen Rückhalt in Teilen der Gesellschaft, aber vielleicht auch in Teilen der Politik haben - also inwieweit auch eigenes Handeln von aktiven Politikern der unterschiedlichen Parteien - ich will nicht sagen begünstigend; aber zumindest moralisch unterstützend wirkt. 

 

Herr Merbitz, haben Sie auch solche Erkenntnisse oder gehen Sie solchen Spuren nach?


Ich weiß, dass es solche Äußerungen gibt. Natürlich beschäftigen wir uns intensiv damit, wie werden denn überhaupt diese ganzen Gewalttaten auch wahrgenommen? Wissen Sie, mir reicht es am Ende nicht nur aus, wenn wir sagen "wir verdammen das, das ist schlimm, das gehört nicht nach Leipzig", sondern ich will auch Taten folgen sehen und ich glaube auch, dass ich heute noch ein Gespräch mit dem Bürgermeister, mit dem Ordnungsbürgermeister und dem Oberbürgermeister dort führen werde. Es muss jetzt gehandelt werden! Alles andere - dazu werde ich mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht äußern.

 

Was heißt "Es muss jetzt gehandelt werden"?


Na ganz einfach: Ich habe auch am Wochenende mehrere Gespräche geführt, unter anderem auch mit den Vertretern des Landtags und auch mit dem Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium des Innern und habe die Probleme nochmal eindringlich geschildert, dass allein das mit den Kräften - das hat ja auch das Wochenende gezeigt – wenn sich 20 Beamte hundert Chaoten gegenüberstellen und noch Schlimmeres verhindert haben - dass sich jetzt in Leipzig auch was tun muss, was die Erhöhung der Präsenz betrifft, an den Schwerpunkten, ob das Connewitz, ob das Plagwitz ist. Dort wo wir auch viele dieser Strukturen dieser Art noch haben. Dort will ich Polizei sehen, um das schon im Vorfeld zu verhindern. Und mir wurde auch vom Innenminister zugesagt, dass er mich in jeder Weise unterstützen wird. Aber auf der anderen Seite sage ich: Wir müssen auch ins Gespräch kommen, wir müssen einen gesellschaftlichen Konsens finden. Auch gegen linksextremistische Gewalt – und das wünsche ich mir von der Politik, dass wir nicht nur interpretieren; sondern auch ganz konkret jetzt Handlungen vornehmen.