Anarchisten und Unibesetzer bedrängen Tsipras

Erstveröffentlicht: 
07.04.2015

Die jüngste Serie von Demonstrationen und Besetzungen bringt die Regierung in Verlegenheit. In einer von Grillwürsten rauchgeschwängerten Wahlnacht, an einem Sonntag Ende Jänner, hat Alexis Tsipras hier seinen Sieg vor Tausenden von Anhängern verkündet. Jetzt steht nur eine Lautsprecherbox allein auf der Marmortreppe und beschallt den weiten Platz vor der Nationalen Universität von Athen vom Morgen bis in die Nacht mit Rockmusik. Zum Lesen gibt es für die Passanten auch etwas: "Sozialer klassenbedingter Gegenangriff. Gegen Staat und Kapital", gibt ein großes schwarzes Banner Auskunft, das quer über den Aufgang zu dem klassizistischen Bau gespannt ist.

 

Einige Dutzend Anarchisten halten das Hauptgebäude der Universität von Athen seit nun einer Woche besetzt. Ähnliche Aktionen gibt es auch in Patras, Thessaloniki und Xanthi, im Norden Griechenlands. Für die weit links stehende Regierungspartei Syriza und ihren Premier ist das alles unangenehm, wenn auch nicht ganz überraschend. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Syriza, das Parteienbündnis von Reformkommunisten und marxistischen Splittergruppen, von links überholt wird. "Anti-Establishment-Proteste" nennt dies Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis, als ob seine Partei vor rund zwei Monaten nicht selbst den historischen Sieg über das Establishment in Griechenland erklärt hätte.

 

Erinnerung für Syriza

Eine kleine Demonstration gibt es an diesem Montag vor der Universität auch, auf halbem Weg zwischen Syntagma- und Omonia-Platz im Zentrum von Athen. "Wir wollen unsere Jobs zurück, wie Syriza es versprochen hat", sagt ein früherer Angestellter des Kulturministeriums: "Ich glaube immer noch, dass sie es tun werden. Aber bis dahin müssen wir immer wieder auf der Straße sein." Sicher ist sicher.

 

Die Musikdarbietung vor der Eingangshalle zur Universität wird regelmäßig zum Verlesen der Forderungen an die Regierung Tsipras unterbrochen. Den Anarchisten geht es um die "politischen Gefangenen", die in Griechenlands Hochsicherheitsgefängnissen einsitzen: den zu fünf Mal lebenslänglich verurteilten Terroristen Savvas Xiros von der Gruppe 17. November oder die jungen Mitglieder der Revolutionären Feuerzellen, die Paketbomben versandten und Banküberfälle verübten.

"Provozierend und unerklärlich"

 

Vergangene Woche stürmten Sympathisanten gar in den an sich gesicherten Vorhof des Parlaments, skandierten Parolen und zogen nach wenigen Minuten wieder ab. Die Parlamentspräsidentin fand es nicht weiter schlimm; für ihren Parteifreund, den Regierungssprecher, war es dagegen "provozierend und unerklärlich". Syriza hofft, die Proteste legen sich, sobald ein Gesetz zur Abschaffung der Hochsicherheitsgefängnisse angenommen ist. Die Polizei losschicken will sie keinesfalls, auch wenn der Staatssekretär für Bürgerschutz schon rebelliert. Sein Ressort soll ohnehin im Justizministerium aufgehen.

 

Finanzminister Yiannis Varoufakis kämpft derweil an anderer Front: Athen werde am Donnerstag fristgerecht weitere 450 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen, versicherte er in Washington IWF-Chefin Christine Lagarde. Wo seine Regierung das Geld dafür finden will, sagte er nicht. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 7.4.2015)