NSU-Ausschuss: Die fragwürdige Rolle des Kriminaloberkommissars B.

Erstveröffentlicht: 
07.03.2015

Den mutmaßlichen Selbstmord des Neonazi-Aussteigers Florian H. untersuchte ausgerechnet ein Polizist, dessen Bruder andere Polizisten in den Ku-Klux-Klan brachte. Am Montag soll der Stuttgarter Kriminaloberkommissar im NSU-U-Ausschuss befragt werden.

 

Von Sven Ullenbruch

 

Stuttgart - Die Abgeordneten werden reichlich Fragen an Jörg B. haben. Am kommenden Montag soll der Stuttgarter Kriminaloberkommissar im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags befragt werden. Dabei könnte es nicht nur um den Tod eines jungen Aussteigers aus der rechtsextremen Szene gehen. Möglicherweise werden auch die Verbindungen baden-württembergischer Polizisten zum Ku-Klux-Klan Thema sein. Jörg B. spielte dabei offenbar eine nicht unwichtige Rolle.

 

Geladen ist der Beamte im Fall Florian H.: Der 21-Jährige starb am 16. September 2013 in einem brennenden Auto am Cannstatter Wasen – wenige Stunden bevor ihn das Landeskriminalamt vernehmen wollte. H. war Zeuge im Verfahren gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Er soll Angaben zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn und zu militanten Neonazigruppen im Südwesten gemacht haben. Seinen Tod ordneten die Behörden schnell als Suizid ein.

 

Am 16. September 2013 traf Jörg B. gegen 9.40 Uhr mit einem Kollegen am Tatort ein. Er inspizierte den ausgebrannten Peugeot, suchte mit einem Detektor nach Spuren von Brandbeschleuniger. Vier Stunden später stand B. im Elternhaus von Florian H. in Eppingen. Vater, Mutter und Schwester bekamen die Nachricht, die ihnen „den Boden unter den Füßen wegriss“. So beschrieb H.s Vater diese Woche im Untersuchungsausschuss den Verlust seines Sohnes. Der sei „der Mittelpunkt der Familie gewesen“, habe sich mühsam von der rechten Szene gelöst.

 

 

Auch in den folgenden Tagen war B. mit den Ermittlungen in dem Todesfall beschäftigt. Er befragte die Angehörigen von Florian H. und einen Kollegen im Ausbildungszentrum in Geradstetten, wo der junge Mann die Schulbank drückte. In Florians kleinem Dachgeschosszimmer im Elternhaus fiel dem Kriminalpolizisten laut Aktenvermerken nichts auf, was dem „rechten Spektrum zuzuordnen wäre“ – abgesehen von einem Zettel mit einem Spruch des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß.

 

Nach Recherchen unserer Zeitung kam Jörg B. zumindest an einem Abend in seinem Leben dem „rechten Spektrum“ näher, als man es von einem Polizisten erwarten könnte. Irgendwann im Sommer 2001 saß er in einer Sportsbar bei Schwäbisch Hall. Mit dabei: Ein befreundeter Polizeibeamter und Mitglieder der European White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK). Der ­Geheimbund warb Anfang der 2000er Jahre damit, die „Rassenvermischung“ abzu­lehnen. Jörg B. machte seinen Kollegen mit den Klan-Männern bekannt. Zu diesen ­gehörte auch auch Steffen B., der Bruder von Jörg B. Steffen besuchte regelmäßig Treffen und Konzerte der rechtsextremen Skinheadszene.

 

Aus der Kneipenrunde wurde mehr: Jörg B.s Kollege schwor wenig später den Kaputzenmänner den Eid. Er führte dem Klan sogar noch einen weiteren Polizisten der Böblinger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) zu. Jahre später wurde der Fall wieder brisant. Denn Timo H., der jüngere der beiden Beamten, war Gruppenführer der Polizeimeisterin Kiesewetter, die mutmaßlich von den Rechtsterroristen des NSU erschossen wurde. Timo H. hatte auch privaten Kontakt zu der Ermordeten. Am Tag ihrer Todes war H. in Zivil in der Nähe des Tatorts in Heilbronn unterwegs.

 

Zudem war ein ehemaliger V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutzes mit dem Decknamen „Corelli“ Aktivist im EWK KKK. Der damalige Klan-Chef, Achim Schmid, spitzelte für den baden-württembergischen Verfassungsschutz. Er behauptet bis heute, außer den beiden Böblinger Bereitschaftspolizisten habe es noch mehr Sympathisanten aus den Reihen der Staatsdiener gegeben. Kriminaloberkommissar Jörg B. selbst soll kein Mitglied des Klans gewesen sein, heißt es in den Vernehmungen seiner Kollegen. Über ihn sei lediglich der Kontakt zu den Kapuzenträgern zustande gekommen. Am Montag haben die Abgeordneten die Chance nachzuhaken.