"Eindeutig nationalsozialistische Elemente"

Erstveröffentlicht: 
26.01.2015

Leipziger Wissenschaftler analysieren Ursachen der Pegida/Legida-Bewegung

Von Andreas Debski


Leipzig. Sachsen ist keineswegs so weltoffen und tolerant, wie es sich darstellt - das sagen Wissenschaftler, die für das unter anderem von der Stadt Leipzig unterstützte Dokumentationsprojekt Chronik.LE die Ursachen der derzeitigen Pegida-/Legida-Bewegung analysiert haben. Der Fokus liege dabei zwar auf Leipzig, doch die Arbeit gehe weit darüber hinaus, macht Frank Schubert bei der Präsentation der neuen Broschüre "Leipziger Zustände" klar, was auch die vielen Anfragen von Schulen aus der Region zeigen würden.


In der Betrachtung der ersten beiden Legida-Kundgebungen sowie der verbreiteten Positionen sind sich die Wissenschaftler - überwiegend Politologen und Soziologen - einig: "Die Strategie der NPD geht auf: Hier wird der Schulterschluss von Rechtsextremen mit Normalbürgern vollzogen, ohne das die Partei vorwegmarschieren muss. Es wird nicht selten das gleiche Vokabular verwendet, als Ziel wird eine weiße völkische Gesellschaft ausgegeben", stellt der Politikwissenschaftler Paul Förster fest. Sein Fazit lautet: "Legida beinhaltet eindeutig nationalsozialistische Elemente." Das bedeute nicht, dass jeder der Sympathisanten ein Neonazi sei - "doch allein durch die Anwesenheit werden diese Rechtsextremisten unterstützt".


Zudem hätten die Analysen gezeigt, so Förster, dass vor allem die "untere Mittelschicht" für die Legida-Programmatik, wie auch für die Pegida-Positionen, offen sei. "Es sind nicht selten Menschen, die Angst vor einem sozialen Abstieg haben; davor, dass sie möglicherweise ein Stück ihres Kuchens abgeben sollen", erklärt der Politikwissenschaftler, "diese Angst summiert sich schließlich in einem Feindbild." Dabei werde kaum hinterfragt, wer die inhaltlichen Kriterien vorgibt - "denn wer sich ernsthaft damit auseinandersetzt, würde schnell feststellen, dass die Verantwortlichen nicht unbedingt seriös sind". Das sieht Steven Hummel, der für die Broschüre den Artikel "Leipzigs (neue) Wutbürger" verfasst hat, ebenso: "Würden Legida-Anhänger genauer hinschauen, müsste sich jeder von ihnen fragen: Was mache ich eigentlich hier?" Und Marina Blum von ChronikLE findet es "bedenklich und gleichzeitig interessant, dass sich atheistische Menschen plötzlich auf ihre christlich-jüdischen Wurzeln besinnen, um den Islam als Bedrohung darzustellen".


Der Verein Engagierte Wissenschaft dokumentiert mit Chronik.LE seit 2008 faschistische, rassistische und diskriminierende Ereignisse in Leipzig und Umgebung. Schwerpunkt der neuen 60-seitigen Broschüre "Leipziger Zustände" sind Analysen zu den Protesten gegen Asylunterkünfte und den Leipziger Moscheebau sowie zum alltäglichen Rassismus. "Wir werfen ein Licht auf die Mobilisierungen und Einstellungen, auf denen auch die derzeitige Pegida-/Legida-Bewegung basiert", erklärt Schubert.


Daneben beschreiben die Wissenschaftler diverse Entwicklungen am rechten Rand: Es wird ausführlich auf die Alternative für Deutschland (AfD) eingegangen, daneben werden die jüngsten Entwicklungen innerhalb der NPD wie auch die Wahlkämpfe des vergangenen Jahres thematisiert. Johannes Kiess, Extremismusexperte von der Universität Leipzig, untersucht beispielsweise die Wählerwanderung und zeigt, dass fast die Hälfte der AfD-Positionen auf rechtsextremen Einstellungen basiert. Außer diesen politischen Analysen werden Asylsuchende porträtiert und deren jeweilige Situation beschrieben. Die Broschüre ist kostenlos erhältlich .


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