Stadtrat uneins über Reaktion auf Legida

Erstveröffentlicht: 
22.01.2015

Linksfraktion beantragt Abbruch der Ratssitzung, um an Gegendemonstration teilzunehmen / CDU-Fraktion widerspricht

 

Von Mathias Orbeck und Andreas Tappert


Die Legida-Demonstrationen haben einen Riss durch den Leipziger Stadtrat erzeugt. Denn als sich gestern in der Innenstadt turbulente Szenen abspielten, kam es auch im Neuen Rathaus zu einer ungewöhnlichen Situation: In der dort stattfindenden turnusmäßigen Ratsversammlung beantragte kurz vor 18 Uhr der Fraktionschef der Linkspartei Sören Pellmann, die Sitzung zu unterbrechen, um sich den Demonstrationen gegen Legida anzuschließen. "Während draußen Tausende auf und am Ring demonstrieren, sitzen wir hier. Wir sollten uns ihr Anliegen zu eigen machen und zu unseren Wählern gehen und mit ihnen das Gespräch für ein demokratisches Leipzig suchen", erklärte Pellmann.


Doch noch bevor Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) den Antrag zur Abstimmung stellen konnte, meldete sich die CDU-Ratsfraktion zu Wort und widersprach Pellmann. "Wir sind gegen eine Unterbrechung, denn wir haben einen Wählerauftrag zu erfüllen", erklärte Stadträtin Andrea Niermann (CDU). Die Fortsetzung der Sitzung sei nicht undemokratisch, denn der Stadtrat zeige auch Courage, "wenn wir wie geplant unsere Versammlung fortführen". Niermann: "Wir teilen die Auffassung der Pegida in keiner Weise. Aber wir sollten die Schwierigkeiten erst nehmen, die offenbar Teile unserer Bevölkerung zur Teilnahme an den Demonstrationen bewegen." Auch Leipzigs Stadtrat müsse einige der von Pegida artikulierten Sorgen ernst nehmen, zum Beispiel "Zukunftsängste in einer Einwanderungsgesellschaft" und das "Integrationssproblem".


Die neu in den Stadtrat gewählte Niermann forderte auch Oberbürgermeister Jung auf, im Stadtrat wenigstens "eine Kommunikation auf dem kleinsten Nenner" sicherzustellen. Es sei nicht akzeptabel, dass Jung vor der Ratssitzung nicht alle Fraktionsvorsitzenden zum Gespräch einberufen hat. Nach LVZ-Informationen hat Jung den Vorsitzenden der neu im Leipziger Rat vertretenen Fraktion Alternative für Deutschland (AfD) nicht hinzugebeten.


Gegenüber der LVZ bekräftigte CDU-Stadtrat Karsten Albrecht die Kritik. "In der Ratssitzung stehen noch wichtige Themen auf der Tagesordnung - unter anderem der Sanierungsbeschluss für das Asylbewerberheim in der Torgauer Straße", erklärte er. "Wenn wir die Sitzung abbrechen, können dort erst vier Wochen später die Arbeiten beginnen." Im Unterschied zum Programm der Legida gebe es aus seiner Sicht im Programm der Pegida durchaus Punkte, über die nachgedacht werden müsse. "Dass wir über den Umgang mit Asylbewerbern reden müssen, ist doch ein breiter Konsens", so Albrecht. "Wir haben in Leipzig im nächsten Jahr wieder 1000 Asylbewerber unterzubringen und müssen darüber nachdenken, wie wir die Bürgerschaft bei diesem Thema mitnehmen. Wir müssen miteinander sprechen."


Viele Abgeordnete waren ob der Entwicklung besorgt. "Ich kann nicht im Rat sitzen, wenn draußen demokratische Werte verteidigt werden müssen", so Christian Schulze (SPD). Etliche meinten, dass da auch der ohnehin umstrittene Stadtentwicklungsplan Verkehr lieber einen Monat warten kann.


Als das Gremium über den Pellmann-Antrag abstimmte, sprach sich eine große Mehrheit der Stadträte für den Abbruch der Sitzung aus. Während die Linksfraktion und zahlreiche andere Abgeordnete von SPD und Grünen zu den Gegendemonstranten strömten, ging die CDU-Fraktion in die Gegenrichtung. Ihre Stadträte nahmen an der Mahnwache teil, die an der neuen Propsteikirche abgehalten wurde, die gegenüber dem Neuen Rathaus errichtet wird.