Legida will 60 000 Menschen auf die Straße bringen

Erstveröffentlicht: 
20.01.2015

Die Leipziger Polizei bereitet sich auf einen der größten Einsätze seit der Friedlichen Revolution vor: Die Legida will in der Messestadt so viele Anhänger mobilisieren wie noch nie. Die Marschroute über den ´89-Ring wird von Bürgerechtlern kritisiert.

 

Leipzig. Am Montag vergangener Woche haben sie „Wir sind das Volk“ gerufen beim Leipziger Pegida-Ableger. Schon das stieß vielen sauer auf in der Stadt, die für sich quasi das Copyright in Anspruch nimmt für diesen Schlachtruf des Wendeherbstes. Nun, Mittwochabend, wollen die Legida-Leute bei ihrem zweiten Marsch auch noch über den Innenstadtring laufen - auf exakt der Route, die im Herbst 1989 Montag für Montag zehntausende Demonstranten gegen das SED-Regime nutzten.

 

Für viele in Leipzig ist damit das Maß voll. Sie sehen ihre Ideale und Symbole von damals durch die Legida-Bewegung vereinnahmt. Ein Streit ist entbrannt: Wem gehört der Ring? Und wem die Erinnerung an die friedliche Revolution? Die Legida-Organisatoren tönen auf ihrer Homepage, sie wollten am heutigen Abend „mindestens 60 000 Bürger“ versammeln auf dem Innenstadtring, „der schon einmal in die Geschichte einging“. „Wie am 9. Oktober 1989 werden wir damit eindrucksvoll zeigen, dass es an der Zeit ist, viele Dinge in unserem Land und in Europa zu ändern!“ Als ob es, wie damals, gegen eine Diktatur ginge. 

 

Bürgerrechtler sind empört


Ehemalige Bürgerrechtler wie Uwe Schwabe sind empört. Natürlich gelte für jeden das Demonstrationsrecht. Der Bezug auf den 9. Oktober aber sei „eine Provokation“, zürnt der Mann, der im vergangenen Sommer gemeinsam mit anderen Akteuren für sein Engagement während des Herbstes 1989 den Deutschen Nationalpreis erhalten hatte.

 

Am 9. Oktober waren seinerzeit 70 000 Menschen den Innenstadtring entlang gezogen, hatten offene Grenzen, Meinungsfreiheit, Demokratie gefordert. Allen Drohungen zum Trotz: Am Ende ließ die Staatsmacht sie gewähren. Alles blieb friedlich. Heute gilt jener Montag im Oktober als Tag der Entscheidung, der das Ende der DDR beschleunigte.

 

Die Menschen seien damals „für ein offenes Land mit freien Menschen“ auf die Straße gegangen, erinnert Schwabe. Die Losung stand genau so auf einem Transparent. „Wir wollten frei leben in einem freien Europa“, blickt Schwabe zurück auf die Motive der einstigen Montagsdemonstranten. „Das stellen die Legida-Leute heute in Frage, das ist der wunde Punkt.“ Gemeinsam mit anderen Akteuren von 1989 hat Schwabe deshalb einen Aufruf verfasst. Darin heißt es: „Wir brauchen nicht ein Europa der Abschottung, sondern ein Europa der Bürger, die solidarisch mit Menschen in anderen Teilen der Welt sind, die um ihr Leben bangen.“ 

 

19 Gegendemonstrationen angemeldet


Den Innenstadtring, Schauplatz der historischen Montagsdemonstrationen, nennt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar „ein Symbol, das wir Legida nicht geben wollen“. Ob das klappt, wird sich Mittwochabend zeigen. Unter dem Motto „Legida läuft nicht“ haben Gruppen aus dem linken Spektrum zu gewaltfreiem Widerstand und Blockaden der Legida-Demo aufgerufen. Insgesamt sind laut Polizei 19 Gegenveranstaltungen geplant, Demonstrationen und Mahnwachen.

 

Wie viele Leipziger sich daran beteiligen werden, ist offen. Am Montag vergangener Woche hatte ein Bündnis aus Kommunalpolitik, Kirchen, Gewerkschaften und Vereinen 30 000 Menschen gegen Legida auf die Straße gebracht, am vorigen Montag waren es 5 000. Das hat auch mit dem Selbstverständnis der Stadt zu tun. Leipzig sieht sich seit jeher als weltoffene Heimstatt des aufgeklärten Bürgertums. Bereits mehrfach machte in den vergangenen Jahren ein breites Bürgerbündnis erfolgreich mobil gegen rechte Aufmärsche. (mz)