Spitzel von Polizeien und Geheimdiensten fürchten sich vor Gesichtserkennungssoftware

Die erst kürzlich, acht Jahre nach ihrem verdeckten Einsatz enttarnte Hamburger LKA-Beamtin Iris Plate. Das könnte demnächst schneller gehen. (Foto: Recherchegruppe)

Vergangene Woche berichtete ZEIT ONLINE Details zur “Strategischen Initiative Technik” des Bundesnachrichtendienstes (BND): Der Auslandsgeheimdienst will seinen Etat um rund 300 Millionen Euro erhöhen, um neue Methoden zur Überwachung der Telekommunikation und sozialer Netzwerke einzuführen. Auch neue Sensortechnik und Biometriemethoden werden beforscht.

 

Der Zeitung liegt offenbar eine komplette Sammlung der anvisierten Maßnahmen vor. Aus dieser “geheimen Projektliste” geht laut einem heute veröffentlichten Artikel von Kai Biermann auch hervor, dass der BND “heimliche Hintertüren in biometrische Fotos” einbauen will. Eines der Vorhaben trägt demnach den Titel “Schutz vor Identitätsaufklärung durch Bildmanipulation/-verfremdung”.

 

Probleme beim Grenzübertritt

 

Geheimdienstler mit falschen Identitäten stehen vor dem Problem, dass Ausweisdokumente heutzutage biometrische Daten enthalten, in der Europäischen Union ist dies mittlerweile allen Mitgliedstaaten vorgeschrieben. Lediglich die Art des biometrischen Identitätsnachweises variiert. Bei einem Grenzübertritt kann es also passieren, dass eine Software der Grenzpolizei die richtige Identität erkennt und einen Alarm ausgibt, weil das vorgezeigte Dokument auf einen anderen Namen lautet.

 

Ärger droht beispielsweise an großen, internationalen Flughäfen. Um das Problem zu umschiffen müssten GrenzbeamtInnen vor jeder Ein- und Ausreise von Spitzeln unterrichtet werden – ein zeitraubender und fehleranfälliger Vorgang.

 

Ähnliches gilt für Profile in Sozialen Netzwerken: Haben sich AgentInnen in ihrer Jugend auf Facebook oder in anderen Sozialen Netzwerken herumgetrieben, sind dort vermutlich auch Fotos von ihnen zu sehen. Eine frei benutzbare Gesichtserkennungssoftware von Google oder Facebook könnte also Ausschau halten, ob Personen dem Internet unter anderem Namen bekannt sind. Geheimdienste versuchen womöglich auf diese Weise, AgentInnen zu enttarnen und hierfür eigene Suchmaschinen programmieren.

 

Stirbt das Berufsbild der Spitzel aus?

 

Vor drei Jahren hatte die australische Polizei eine Studie zum Thema beauftragt. 90% weibliche und 81 % männliche PolizistInnen gaben an, Soziale Netzwerke zu nutzen. 85% erklärten überdies, dass befreundete Personen bereits Bilder von ihnen online gestellt hätten. Das Berufsbild des Polizeispitzels dürfte dadurch außerordentlich unpopulär werden – wenn nicht Lösungen gefunden werden. Ein früherer hoher Mitarbeiter der Polizei Australiens argwöhnt sogar, dass es mit der verdeckten Polizeiarbeit in einigen Jahren vorbei sein könnte.

 

Mehrmals haben sich deshalb bereits internationale Polizeinetzwerke mit dem Phänomen befasst. Eine weltweit aktive Arbeitsgruppe arbeitet seit 25 Jahren an der Erleichterung grenzüberschreitender Spitzeleinsätze. Mehrere Sitzungen dieser “Cooperation Group on Undercover Activities” beschäftigten sich bereits mit einer nicht näher bezeichneten “Entwicklung im Bereich biometrischer Daten”.

 

Letztes Jahr lotete die European Police Chiefs Convention in einer Konferenz “moderne Technologien” für die heutige Polizeiarbeit aus. Eine der Arbeitsgruppen widmete sich “Zeugenschutz und Führung von Informanten”. Dabei ging es unter anderem um die Verbreitung biometrischer Verfahren, wodurch mit auch die mit anderer Identität ausgestatteten ZeugInnen gefährdet werden könnten. Delegierte kamen aus 41 Ländern, darunter Kolumbien, Island, Israel, Australien, Kanada, Mexiko, Russland, USA und Türkei. Auch die internationale Polizeiorganisation Interpol war zugegen.

 

Kleiner Vorsprung gegenüber Fähigkeiten von Gesichtserkennungssoftware

 

Mittlerweile haben die EU-Mitgliedstaaten die Einrichtung einer “Technologie-Beobachtungsstelle” für die Polizeibehörden ihrer Mitgliedstaaten beschlossen. Damit erhält das seit 2008 existierende “Europäische Netz technischer Dienste für die Strafverfolgung” (ENLETS) mehr Kompetenzen. Zu dessen Aufgaben gehört nun die Koordination bei der Einführung neuer Technologien.

 

In Deutschland will nun der BND 100.000 Euro ausgeben, um eine Software zu entwickeln die Passfotos verfremdet. Nächstes Jahr ist eine Machbarkeitsstudie geplant. Möglich dass die Spitzel dadurch einen Vorsprung gegenüber den Fähigkeiten von Gesichtserkennungssoftware erreichen, auf Dauer dürften aber auch solche Manipulationen erkannt werden.

 

Wir können gespannt sein ob ZEIT Online weitere Details zur “Strategischen Initiative Technik” des BND erzählt. Bekannt ist beispielsweise, dass der Dienst auch Sprecherkennungssysteme betreibt und in diesem Bereich eine Zeitlang sogar Marktführer war. Die EU-Kommission fördert ein ähnliches Projekt, um anonyme Telefonie über VoIP anhand von Stimmproben abgehörter Gespräche zu analysieren.