Nationalismus in Japan

Nanjing Massacre Museum: The Japanese massacred 300 000 civilians in 6 weeks (from Dec 13, 1937 to Jan, 1938). They still honour the heroes who did it, calling it an "incident".

Im heutigen Japan gibt es starke Anzeichen für einen ethnischen Nationalismus, welcher in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Der japanische Premierminister sprach 1986 davon, dass Japaner grundsätzlich intelligenter als Amerikaner seien, da der Grad der völkischen Reinheit in Japan weitaus höher wäre als in den USA. Im Jahr 2000 erklärte ein Mitglied der japanischen Liberaldemokratischen Partei (LDP), welcher auch der derzeitige Premierminister Shinzo Abe angehört, dass jedes Volk seine eigene DNA habe und deshalb auch eine eigene Verfassung benötige.

 

Jene Verfassung, die dem japanischen Volk von den Besatzungsmächten oktroyiert wurde, sei nicht mit der DNA Japans verträglich. Ferner diskreditierte der Gouverneur von Tokyo asiatische Minderheiten in Japan mit dem Begriff des sangokujin. Dieser Begriff hat eine negative Konnotation, da er kriminelle Aktivitäten mit den asiatischen Minderheiten in Japan in Verbindung bringt. Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass in der japanischen Politik teilweise eine Rhetorik verwendet wird, die in anderen Ländern nur von rechtsradikalen Parteien zu erwarten ist.

 

Da der ethnische Nationalismus auf internationaler Ebene zunehmend kritisiert wird, hat sich in Japan derweil ein kultureller Nationalismus, der sog. Nihonjinron, etabliert. Der Nihonjinron tritt vor allem als Unterhaltungslektüre in Erscheinung, welche die Vorzüge, Besonderheiten sowie die Überlegenheit der Japaner thematisiert. Japan ist mittlerweile der einzige G8-Staat, der keine doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt. Die japanische Regierung vertritt die Ansicht, dass dadurch der innere Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet wäre. Zudem möchte sie das Bild eines ethnisch homogenen Japans aufrechterhalten. Infolgedessen haben eine Vielzahl von Koreanern, die seit Generationen in Japan leben, ihre koreanische Staatsbürgerschaft behalten. Da sowohl Süd- als auch Nordkorea die Haltung der japanischen Regierung zur doppelten Staatsbürgerschaft teilen, stehen koreanische Migranten unter dem Druck sich für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden.

 

Beim sog. Yasukuni-Schrein handelt es sich um ein Relikt aus der Kaiserzeit, welches den Eindruck erwecken soll, dass es ehrenvoll sei für sein Vaterland zu sterben. Die Aufnahme der gefallenen Seelen in den Schrein ist ein elementarer Bestandteil dieser Heldenverehrung. Der nationalistische Charakter des Yasukuni-Schreines ergibt sich aus der Tatsache, dass patriotisches Verhalten, wie der Tod im Krieg, als ehrbares Verhalten erachtet wird. Für die Angehörigen ist es deshalb oft schmerzhaft, wenn politische Führer der Gegenwart den Schrein besuchen, da der Besuch nicht im Rahmen eines Trauerprozesses, sondern zur Verehrung im Sinne einer Gutheißung des Todes stattfindet. Die Intention des Schreines und somit auch die des Besuches ist der Knackpunkt, welcher neben den Angehörigen vor allem die chinesische Regierung und Bevölkerung regelmäßig erzürnt. Neben vielen wirklichen Opfern werden dort auch einige der schlimmsten Kriegsverbrecher Japans verehrt. Auch das Verhalten der japanischen Öffentlichkeit gegenüber den sog. Trostfrauen und deren Angehörigen kann als feindselig beschrieben werden. Bei den Trostfrauen handelt es sich um überwiegend koreanische und chinesische Frauen, die in den beiden Sino-Japanischen Kriegen Opfer von Zwangsprostitution und Massenvergewaltigungen durch japanische Soldaten wurden.

 

Anhand dieser beiden aktuellen Beispiele wird deutlich, dass die japanische Bevölkerung immer noch ein gestörtes Verhältnis zur eigenen Vergangenheit zwischen Täter- und Opferrolle besitzt. Die japanische Übersetzung des deutschen Begriffes „Vergangenheitsbewältigung“ lautet kako no kokufuku. In der Rückübersetzung bedeutet dies „Vergangenheitsüberwindung“, was mitunter die japanische Vorstellung widerspiegelt, dass Vergangenheit durch das Verstreichen von Zeit überwunden werden könne und aktive Bewältigung nicht nötig sei. In der japanischen Gesellschaft herrscht Einigkeit darüber, dass man stolz auf sein Land sein könne. In der Nachkriegszeit seien lediglich die negativen Aspekte der japanischen Geschichte in der Öffentlichkeit thematisiert worden. Ferner habe sich Japan bereits ausreichend für seine Taten entschuldigt, sodass zukünftig nicht mehr um Vergebung gebeten werden müsse.

 

Momentan scheint die Regierung in Tokyo alle Hebel in Gang zu setzen, um patriotische Erziehung der jungen Bevölkerung Japans zu ermöglichen.  Der kulturelle Nationalismus trägt entscheidend dazu bei, dass auch außerhalb der schulischen Ausbildung nationalistische und geschichtsrevisionistische Inhalte innerhalb der Gesellschaft zementiert werden. Der besondere Stellenwert von Mangas und der Kultstatus des ultranationalistischen Mangazeichners Yoshinori Kobayashi sind nur weitere Indizien für diese Entwicklung. Mit einer Intensivierung des japanischen Nationalismus unter Shinzo Abe ist angesichts dieser Entwicklungen zu rechnen.

 

Im Januar 2014 gelang es seiner Regierung sogar ein Gesetz zur Bereinigung der japanischen Geschichtsbücher zu verabschieden. Zudem strebt er eine Loslösung vom sog. Nachkriegs-Regime an. Nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichtete sich Japan seine militärischen Kapazitäten vollständig aufzugeben und erhielt im Gegenzug militärischen Schutz durch die USA, welche seit jeher ein ständiges Repertoire an Streitkräften auf japanischem Territorium stationiert haben. Sukzessive konnte Japan zwar sog. Selbstverteidigungskräfte aufbauen, welche dem Schutze Japans dienen, unterliegt dabei jedoch weiterhin starken verfassungsrechtlichen Beschränkungen. Shinzo Abe strebt deshalb kurzfristig eine Verfassungsänderung an, die Japan den Einsatz einer „regulären Armee“ ermöglicht, und langfristig eine vollständige Regeneration der japanischen Souveränität und territorialen Integrität, welche mit einem Abzug der US-Streitkräfte verbunden ist. Im Ergebnis besitzt Abe die Vision einer „Normalisierung Japans“, welche durch eine stark nationalistische Politik realisiert werden soll.