AfD-Vize Henkel: Experte für den Euro - und die Opferrolle

Erstveröffentlicht: 
20.05.2014

Der Europakandidat der AfD kam mit Polizeischutz nach Heidelberg in die Stadthalle. Sein Credo: Schuld seien die anderen

 

Von Kevin Hagen

Heidelberg. Hans-Olaf Henkel hat noch keine fünf Minuten geredet, da geht es rund. Fünf Antifa-Aktivisten rufen dazwischen, lachen hämisch. Das lässt sich die Menge nicht bieten. Hunderte erheben sich in der Heidelberger Stadthalle. "Werft die Linken endlich raus", schreit einer. "Haltet endlich die Klappe", ein anderer. Für einen Moment droht die Situation zu eskalieren. "Bleiben Sie sitzen", ruft Henkel in die Menge. "Fassen Sie niemanden an. Das sind fehlgeleitete junge Leute." Unter dem Gejohle des Publikums treiben schwere Anzugträger die Protestierer aus dem Saal.

AfD-Veranstaltungen sind nichts für Kindergeburtstage in diesen Wochen vor den Kommunal- und Europawahlen. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen zwischen Parteimitgliedern und linken Demonstranten. In Frankfurt wurde Henkel, der stellvertretende Partei-Sprecher mit einem Ei beworfen, seit Monaten tourt er mit Polizeischutz durch die Republik. Und irgendwie bleibt der Eindruck, dass das dem früheren BDI-Chef ganz gut in den Kram passt. "Seit ich öffentliche Auftritte für die AfD mache, werde ich beschützt", sagt Henkel. Schuld seien aber nicht "die jungen Leute", sondern jene, die sie aufgehetzt haben. Das ist ein Angriff gegen die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die die Verfassungstreue der AfD angezweifelt hat; gegen den baden-württembergischen FDP-Europa-Parlamentarier Michael Theurer, der AfD-Chef Bernd Lucke als "Salonfaschisten" bezeichnet hatte. Und ein bisschen ist es auch ein Angriff gegen die Medien, die in Henkels Welt mitverantwortlich für das rechte Image der Partei sind. "Das sind die wahren Schreibtischtäter", ruft Henkel. Lauter Jubel.

Als Opfer von Verleumdungskampagnen - so sieht man sich gerne bei der Alternative für Deutschland. All die Mitglieder, die früher für die rechtspopulistische Partei "Die Freiheit" kämpften, die in nationalkonservativen Burschenschaften aktiv sind - Einzelfälle. Hohe Parteifunktionäre, die sich mit Nigel Farage, dem Chef der britischen Rechtsaußen-Partei Ukip umgeben - Fehltritte. Und die heftigen Proteste aus den eigenen Reihen, Austritte, der Ärger in vielen Landesverbänden bis hin zu einer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht - man pflege eben eine lebendige Basisdemokratie, meint Henkel.

Die AfD inszeniert sich gerne als Partei der Experten, der Akademiker, der wirtschaftlichen Vernunft. Henkel allen voran. Da passt die Veranstaltung in der edlen Stadthalle ganz gut. Wahlkampf auf unterster Ebene, auf Markplatzbühnen mit Ballons und Flyern - das ist nicht Henkels Sache. Viel lieber zog er jahrelang als bissiger Fachmann durch Fernseh-Talkshows. Im vergangenen Sommer bemerkte er, er sei als Politiker ungeeignet. Jetzt tritt er auf Platz zwei der Europaliste der Partei an. Die AfD liegt laut Umfragen aktuell bei rund sieben Prozent. Henkels Einzug ins EU-Parlament gilt als sicher.

Jetzt also Heidelberg, die Universitätsstadt. Henkel rückt das dunkelblaue Sakko zurecht. Er wolle die Themen angehen "wie ein Arzt, der die Diagnose für den Patient Europa erstellt". Und der Patient krankt natürlich nur an einem: dem Euro. Erst kürzlich hatte die AfD mit ihren zahmen "politischen Leitlinien" versucht, vom Image der rabaukenhaften Ein-Themen-Partei wegzukommen. Da war zum Beispiel von Umwelt- und Tierschutz die Rede. Henkel bleibt bei der Gemeinschaftswährung. "Der Euro ist zu schwer geworden für den Süden", sagt er. Deutschland sei deshalb gezwungen, seinen Produktionsvorsprung abzusenken. Die "Therapie" folgt auf dem Fuß. Im Zweifelsfall müsste Deutschland eben raus aus dem Euro. Für Einheitsromantik sei da kein Platz. "Wir sind gegen die Vereinigten Staaten von Europa."

Nach der Rede strömen die AfD-Anhänger nach draußen. Vor den Türen hat jemand etwas an eine Mauer gesprüht. "Nationalismus ist keine Alternative", steht da. Davor warten Busse der Polizei. Opfer müssen eben geschützt werden.